50 | Lohnt es sich, einen Sammelband zu erstellen?

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Hallo, ihr Menschen da draußen.

Passend zum Thema der letzten Ausgabe, die sich um Kurzgeschichten gedreht hat, habe ich auf Anfrage einer Leserin entschieden, mich heute mit Sammelbänden und ihrer Funktion, Beliebtheit und Effizienz zu beschäftigen. Vor der eigentlichen Diskussion möchte ich noch kurz definieren, was ein Sammelband denn überhaupt ist und was ihn ausmacht, und erst dann Pro- und Kontrapunkte auflisten. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und freue mich, wieder zum Schreiben einer neuen Ausgabe gekommen zu sein!


50.1 | Was ist ein Sammelband?

Ein Sammelband lässt sich recht einfach definieren: In den meisten Fällen ist er eine Ansammlung, bzw. Aneinanderreihung von diversen Kurzgeschichten, Gedichten oder anderen poetischen Ergüssen des Urhebers. Es gibt allgemeine Sammelbänder, die keinem übergeordnetem Thema folgen, aber in den letzten Jahren werden gerade Gedichtbänder mit einem Motto beliebt; beispielsweise handeln sie von einer schwierigen Beziehung zwischen Elternteil und Kind, beschäftigen sich mit einer Krankheit oder haben als ihren Erzählmittelpunkt – ganz klassisch – die Liebe gewählt.

Abgesehen von Sammelbänden, die von einem Schriftsteller erstellt werden, existieren selbstredlich auch vermehrt Exemplare, die Kurzgeschichten und sonstige Beiträge mehrerer Autoren in einem Band zusammenfassen. Diese Beiträge gehören dann meistens zum gleichen Genre, zum Beispiel Fantasy. Für solche Projekte lassen sich gerne auch überaus bekannte Autoren wie George R. R. Martin begeistern.

Kurz gesagt: So gerne viele Menschen Sammelbänder über einen Kamm scheren würden, ist das schlichtweg nicht möglich. Sie sind unglaublich vielfältig! Außerdem entstehen sie meist nicht einfach aus einem spontanen Gedanken des Autors à la "Ich könnte doch mal...". Stattdessen bedarf es einiges an Gehirnschmalz, um einen Sammelband an den Mann zu bringen, der wirklich gelungen und in sich stimmig ist – und somit nicht nur einfach wie eine Ansammlung an zufälligen Geschichten wirkt, sondern wie ein Gesamtwerk.


50.2 | Kontra: "Das liest doch eh keiner!"

Diese Bemerkung habe zumindest ich recht oft in Foren aufgeschnappt, in denen die Frage gestellt wurde, ob sich ein Schriftsteller an einem Sammelband versuchen wollte. Ich persönlich kann sie zwar nicht bestätigen, da ich persönlich ein großer Fan von ebendiesen literarischen Zusammenstellungen bin. Doch es scheint eine große Gruppe zu geben, die damit eher wenig anfangen kann. Dessen sollte man sich bewusst sein: Möchte man groß rauskommen und die breite Masse ansprechen, bedeuten Sammelbänder nur selten den Durchbruch. Es gibt immer wieder einzelne Gedichtbänder wie "milk and honey" von Rupi Kaur, die in einer fünf- bis sechsstelligen Auflage gedruckt werden, aber wie gesagt – das sind Ausnahmen.

Andererseits könnte man genau das als Ermutigung sehen, dieses Stigma durchbrechen zu wollen...


50.3 | Pro: Sammlung schafft Ordnung

Bei diesem Argument gibt es für uns gleich zwei Varianten: die Ordnung auf unserem Wattpad-Profil/ Schreibtisch und die Ordnung in unseren Köpfen.

Zuallererst, zur Ordnung auf Wattpad, möchte ich euch eine Frage stellen: Würdet ihr euch eher durch die Geschichten eines Nutzers lesen, der 73 einzeln verstreute Kurzwerke auf seinem Profil hat, oder den Schreiberling bevorzugen, der seine kurzprosaischen und poetischen Geschichten beispielsweise thematisch oder nach Genre geordnet hat?

Und in unseren Köpfen kann es auch eine ungemeine Ordnung schaffen, wenn man Sammelbände erstellt. Die entsteht, in dem man seine "kleinen" Projekte nicht einfach schreibt und beiseiteschiebt, sondern ihnen sozusagen einer Familie zuordnet. Mir geht es zumindest so, dass ich sie auf diese Weise viel besser gedanklich einordnen kann und mich nicht so fühle, als ob ich die Geschichten in einer kleinen, einsamen Datei versauern lasse. Sie bekommen so einen größeren Sinn, weil sie zu etwas Größerem gehören, das eine Bedeutung hat.


50.4 | Kontra: keine Erstveröffentlichung in Verlagen

Für dieses und das folgende Argument verabschieden wir uns von Wattpad und dem Schreiben als Hobby und nähern uns dem Ganzen auf einer professionelleren Ebene; wenn man mit seinem Geschriebenen an einen Verlag gehen möchte. Denn hier muss man ehrlich sein: Kaum ein Verlag wird das Risiko auf sich nehmen, den Sammelband eines unbekannten Autors zu veröffentlichen.


50.5 | Pro: Veröffentlichung etablierter Autoren

Auf der anderen Seite der Medaillen erfreuen sich, wie ich bereits im Intro dieser Ausgabe erwähnt habe, Sammelbücher oder Beiträge zu Sammelbüchern von bekannten Autoren wachsender Beliebtheit. Wenn ihr also plant, ein Sammelbuch bei einem Verlag unterzubringen, wäre es vermutlich klüger, sich dort erst mit anderen Werken einen Namen zu machen und sich somit einen "Vertrauenszuschuss" zu verdienen. Ihr dürft nicht vergessen: Gerade große Verlage haben vor allem den finanziellen Aspekt im Blick und wollen sich sicher sein, dass euer Geschriebenes möglichst viele Käufer finden. Da haben – zumindest bei einem eher unbekannten Urheber – Romane eine deutlich größere potenzielle Abnehmerschaft als ein Sammelband.


Meine 1. Frage: Lest ihr Sammelbände für Kurzgeschichten oder Poesie?

Meine 2. Frage: Habt ihr selbst schon einmal einen Sammelband geschrieben/ zusammengestellt? (Wenn ja, wie heißt er? Ich würde gerne reinlesen!)


50.6 | Meine Meinung

Meine Meinung zu Sammelbänden lässt sich recht simpel zusammenfassen, doch ich wollte sie dennoch kurz darlegen, da oft auch explizit danach gefragt wird. Ich persönlich sehe in Sammelbänden eine einzigartige Möglichkeit, einen Schriftsteller kennenzulernen. Denn wenn wir nur einen Roman oder eine Buchreihe von ihm lesen, sehen wir nur eine Idee, ein Werk von vielen. Bei einer Sammlung von Kurzgeschichten zum Beispiel ist das anders: Gerade bei solchen mit einem übergeordneten Thema ist es für mich unheimlich interessant, eine ganze Bandbreite von Interpretation des gleichen Mottos vorzufinden.

Aber auch Gruppenprojekte, in denen verschiedene Autoren Beiträge bringen, lese ich gerne, wenn auch nicht so oft wie Einzelprojekte. Hier ist eher die Frage faszinierend, wie grundverschiedene Menschen grundverschiedene Texte schreiben, die sich in kleinen Rahmenbedingungen ähneln. So hat man einen Ursprung des Projektes, der wie Äste eines Baums in viele verschiedene Richtungen wächst.

Ich könnte mir auch gut vorstellen, selbst mal eine Kurzgeschichten-oder Poesiesammlung zu veröffentlichen. Gerade bei Letzterem habe ich schon eine genaue Themenvorstellung. Grundsätzlich soll aber gesagt sein, dass so ein Sammelband auch einfach eine nette Beschäftigung neben Großprojekten sein kann. Momentan schreibe ich an zwei Romanen gleichzeitig, erweitere aber auch hin und wieder eine nach Themen sortierte Kurzgeschichtensammlung. Wenn ich beispielsweise in einer Schreibblockade bei meinen Hauptwerken steckenbleibe, haue ich oft eine Kurzgeschichte raus und bin auf einmal wieder im Flow. Gerade deshalb würde ich es jedem von euch empfehlen wollen, das Ganze zumindest einmal auszutesten. Es muss ja auch nicht einmal zur Veröffentlichung – ob hier auf Wattpad oder bei einem Verlag – kommen, also macht euch keinen falschen Druck und lasst die Worte und Ideen fließen!


Nach nunmehr drei Wochen ohne Ausgabe ist es wirklich schön, mich mit einem kleinen Beitrag wieder zurück zu melden. Diejenigen, die meinen Newsfeed verfolgt haben, wissen den Grund meiner Abwesenheit, aber für die anderen möchte ich es kurz fassen: Ich bin wieder da. Das klang jetzt gerade wie der fast gleichnamige Roman über Hitler, oje.

Frohes Schreiben!

P.C.

P.C.'s SchreibratgeberWhere stories live. Discover now