11 - Aidy/M

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Auch Stunden später denke ich immer noch an Aiden. Nie war jemand so fürsorglich und interessiert an mir gewesen. Mit Ausnahme meiner Eltern natürlich. Mein Herz schlägt unfassbar schnell, wenn ich an ihn denke. Heute ist es das erste Mal gewesen, dass mich jemand vor Liam verteidigt hat. Jeden Tag haben die anderen Studenten nur zugesehen und gelacht. Ich will es mir nicht eingestehen, aber ich bin froh, dass ich Aiden kennengelernt habe. Er ist anders als jeder den ich getroffen habe. Bei seiner Berührung, bekomme ich jedes Mal einen kleinen Stromschlag.

Das erste Mal in meinem Leben, fühle ich mich nicht alleine. Ich fühle mich bei ihm geborgen und wohl. Nie hätte ich gedacht, dass ich dieses Gefühl nach dem Tod meiner Eltern wieder erleben kann. Aiden ist einzigartig und dass er sich ausgerechnet für mich interessiert, kann ich nicht glauben. Irgendetwas stimmt an dieser Sache nicht. Warum soll er sich ausgerechnet um mich kümmern? Ich bin nichts Besonderes. Das war ich nie und das werde ich auch nie sein.

Eine Klingel schreckt mich aus meinen Gedanken hoch. Ein Blick auf die Uhr und ich stelle fest, dass es bereits 20:43 Uhr ist. Wie schnell die Zeit verflogen ist. Ich habe die ganze Zeit über an Aiden gedacht und habe nicht eine Sekunde gelernt. Die Zwischenprüfung werde ich nie schaffen.

Als ich die Tür aufmache, bleibt mir einen Moment mein Herz stehen. Liam steht vor mir und er sieht ganz und gar nicht gut aus. Sein Gesicht sieht ziemlich übel aus und ich bin mir sicher, dass er sein blaues Auge noch einige Tage tragen wird.

„Was willst du hier?", sage ich bissig und verschränke meine Arme. Ich habe keine Ahnung, warum ich plötzlich den Mut habe mich gegen ihn zu stellen. Die letzten Monate bin ich immer schüchtern gewesen und habe mich nie gewehrt. Ich hatte Angst gehabt, aber nun ist diese Angst weg. Konnte ich es Aiden verdanken? Weil er sich für mich eingesetzt hat?

„Dein Ton gefällt mir nicht. Seit wann redest du so mit mir?"

„Liam, geh einfach wieder und lass mich in Ruhe. Wieso verstehst du es nicht?"

„Ich werde dich nicht in Ruhe lassen, ganz egal wie sehr mich dein neuer Freund bedroht. Lasst du ihn an dir ran?"

„Geh nach Hause, du hast getrunken!", stelle ich entsetzt fest. Ich bekomme langsam Angst, als er einen Schritt auf mich zumacht.

„Ich lasse es nicht zu, dass du mich noch einmal ablehnst!", sagt er drohend und kommt noch einen Schritt näher.

Ein lautes Knurren ist zu hören und Liams Kopf dreht sich schlagartig um. Sein ganzer Körper versteift sich binnen einer Sekunde und auch ich sehe hinter Liam. Dort steht ein weißer Wolf, welches laut knurrt und zu Liam blickt. Moment, ist das nicht der Wolf von letztens? Seine goldfarbenen Augen leuchten noch mehr im Dunkeln und sein weißes Fell ist selbst in der Nacht noch zu sehen.

Liam macht das erste was ihn in den Sinn kommt. Er flüchtet in sein Auto und fährt wieder weg. Der Wolf macht keine Anstalten ihn zu verfolgen sondern er sieht mich einfach nur an. Hat er mich wieder gerettet? Wusste er von der Gefahr, in der ich mich vorhin befand?

Er kommt einen Schritt näher, aber ich mache keine Anstalt mich zu bewegen. Zu sehr bin ich von ihm fasziniert. Als er direkt vor meiner Tür steht, fange ich an ihn einmal übers Fell zu streicheln. Nennt mich verrückt, ich weiß selber nicht warum ich keine Angst vor einem Wolf habe. Ich habe einfach das Gefühl, dass er mir nichts tut und mich auf einer Art und Weise beschützen will.

„Soll ich Angst vor dir haben?", murmelte ich leise für mich. Was mich aber wundert ist, dass der Wolf vor mir mit seinem Kopf schüttelt. Wie vom Blitz getroffen entferne ich meine Hand von seinem Fell.

„Heißt das, du kannst mich verstehen?", frage ich verwirrt. Er nickt leicht und schnuppert an meiner Hand. Ich fange an, ihn wieder zu streicheln und sage: „Beschützt du mich auf einer Weise?" Er nickt wieder. Also habe ich Recht mit meinem Verdacht. Der wunderschöne Wolf hat mich bereits zweimal gerettet und ich weiß nicht weshalb.

„Wieso ausgerechnet ich?", frage ich und erwarte diesmal keine Antwort. Er jedoch leckt einmal mit seiner warmen Zunge über meinen Handrücken. Ich schmunzle und frage: „War das eben eine Art Handkuss von Wölfen?" Er nickt wieder und sieht hinter mich.

„Moment, du willst in mein Haus?", frage ich geschockt. Einen Wolf zu streicheln ist eine andere Sache – wenn auch eine verrückte, die keiner macht – aber einen in mein Haus zu lassen eine andere.

Der Wolf nickt wieder und sieht mich mit seinem Hundeblick an. Ich verliere gerade meinen Verstand. Anders kann ich es mir nicht erklären. Ich wollte zwar seit meiner Kindheit einen Husky haben, aber kann ich einen Wolf vertrauen, dass er mich nachts nicht auffrisst? Ich weiß es nicht, aber ich spüre eine Art Verbundenheit mit ihm. Nun ja, soll er mich wirklich töten dann muss ich es positiv sehen. Keinen Liam und keine Abby mehr. Ich bin wirklich verrückt geworden, dass ich den Wolf jetzt hinein lasse. Er fängt an zu schnuppern und läuft auf seinen vier Pfoten plötzlich nach oben. Ich renne ihn verwirrt hinter her und sehe, dass er auf meinem Bett liegt und es sich gemütlich gemacht hat.

„Du kannst dich doch nicht in mein Bett legen!", sage ich schmollend. Er ignoriert mich und ich setze mich auf die Bettkante. „Ich werde einfach nicht daran denken, dass du ein Wolf bist der mich jeden Moment fressen kann. Ich sehe dich lieber als eine Art Hund." Er hebt seinen Kopf wieder und knurrt mich leicht an. Es ist nicht das Knurren von vorhin, sondern eher ein beleidigtes. Ich hätte nicht Medizin studieren sollen, eher die Arten von Wolfsknurren und Wolfsblicken, wenn ich mich ja so gut damit auskenne. Ich habe wirklich den Verstand verloren.

Ich lege mich auf mein Bett und kurze Zeit später legt der Wolf seinen Kopf auf meinen Schoß. Ich beginne ihn zu streicheln und sage: „Du brauchst einen Namen. Wie soll ich dich am besten nennen? Weißt du, du erinnerst mich an jemanden. Deine beschützende Art und ich fühle mich, als hätte ich eine Verbundenheit, wie bei ihm. Ich glaube, ich nenne dich Aidy. Nach Aiden."

Ich habe keine Ahnung, wie ich diese Szene am besten geschrieben hätte. Aber ich hoffe trotzdem, dass euch das Kapitel gefällt. Es war von Anfang an mein Plan gewesen, dass Aiden als Wolfsform bei Mia „lebt". Deshalb wohnt sie ja auch alleine in einem Haus. Das hat einen guten Grund für den Verlauf der Geschichte.

Die Wolfsgefährtin (Aiden & Mia)Où les histoires vivent. Découvrez maintenant