22 - Verzweiflung/M

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Am nächsten Morgen stehe ich nur mit großer Mühe auf. Ich habe die ganze Nacht über fast kein Auge zugemacht, weil ich ständig an Aiden denken musste. Vielleicht hätte ich ihn nicht wegschicken dürfen, immerhin habe ich ihn wahnsinnig vermisst. Auf der anderen Seite hat er dies aber verdient, weil er sich tagelang nicht mehr bei mir gemeldet hatte und ich mir große Sorgen um ihn gemacht habe.

Nachdem ich frisch geduscht und angezogen bin, schnappe ich mir meine Tasche und will nach draußen gehen. Als ich die Tür aufmache, bleibe ich schockiert stehen. Aiden steht direkt von den eiskalten Stufen auf, als er die Tür hört. Er hat immer noch dasselbe an wie gestern. Ein schlechtes Gewissen plagt mich, als ich feststelle, dass er die ganze Nacht vor meiner Tür gewartet hatte.

„Engel, ich weiß, dass ich ein Idiot bin, ..."

„Du hast Recht, Aiden! Du bist ein Idiot!", unterbreche ich ihn. „Nicht nur, dass du dich tagelang nicht mehr bei mir gemeldet hast, nein, du stehst die ganze Zeit hier draußen? In dieser Kälte? Du kannst dir was Schlimmes einfangen! Kannst du nicht einmal an dich denken? Einmal? Es kann doch nicht sein, dass ..."

Plötzlich kommt er mit einen Schritt auf mich zu, nimmt mein Gesicht in seine Hände und bringt mich zum Schweigen. Erst will ich ihn wegdrücken, aber schließlich gebe ich nach und küsse ihn zurück. Man, wie ich das vermisst habe. Seine weichen und sanften Lippen auf meine zu spüren. Alles um mich herum zu vergessen.

Aiden löst sich von mir und legt seine Stirn auf meine. Er lächelt mich an und flüstert: „Ich habe dich wahnsinnig vermisst, Kleines!" Ich löse mich wieder von ihm und sehe ihn traurig an.

„Wenn du das noch einmal tust, rede ich kein Wort mehr mit dir. Ich dachte, dass dir etwas Schlimmes passiert ist. Ich konnte niemanden mehr erreichen. Ich dachte wirklich, dass du nicht mehr zurückkommst."

„Denkst du wirklich, dass du mich wieder los wirst? Niemals. Egal ob Jahre vergehen, am Ende werde ich immer wieder zu dir zurückkommen."

„Wehe, du verlässt mich wieder."

„Niemals."

„Komm jetzt rein, dir ist bestimmt kalt." Ich nehme seine Hand und stelle erstaunlicherweise fest, dass sie angenehm warm ist. Trotz der Kälte da draußen.

„Mach dir keine Sorgen um mich, mir ist von Natur aus warm." Er lächelt mich an, was ich direkt erwidere.

„Ich mache mir trotzdem Sorgen um dich. Ich verzichte heute auf die Uni, lass uns zusammen einfach im Bett liegen und...naja...ich habe dich vermisst."

In den letzten Monaten hat Aiden ziemlich oft bei mir übernachtet. Ich habe mich schon so daran gewöhnt, mich an ihn zu kuscheln, weshalb ich das gerne nachholen möchte. Seit ich Aiden kenne, habe ich wahrscheinlich zwei oder drei Tage allein im Bett verbracht. Wenn Aiden mal nicht da gewesen ist, war Aidy da. Es war so, als würde er spüren, dass ich allein bin. Ich denke, dass er sich nicht zeigen will, wenn mein Freund da ist. Ihm habe ich noch nichts über meine wunderschönen Wolf erzählt. Ich will nicht, dass er mich für verrückt hält.

„Du hast mich also vermisst?", grinst Aiden, weshalb ich rot werde. Eine Sekunde später, hebt mich Aiden hoch und bringt mich ins Schlafzimmer. Ich genieße jede seiner Berührungen und bin umso trauriger, dass er mich absetzt.

Wir ziehen uns unsere Jacken aus und dann legt sich Aiden auch direkt zu mir. Wir haben noch nicht miteinander geschlafen, weil ich einfach nicht bereit dazu war. Bis jetzt. Irgendwie überkommt mich dieses warme Gefühl, dass ich nun so weit war. Dass ich ein Teil von ihm sein möchte.

Ich habe ihn sehr vermisst, weshalb ich endlich mit ihm diesen Schritt gehen möchte. Ich ergreife die Initiative und küsse ihn. Lächelnd erwidert er es und zieht mich enger zu ihm. Mutig fahre ich mit meiner Hand unter seinem T-Shirt und berühre seine warme Haut. In sekundenschnelle hört er auf mich zu küssen und sagt: „Tut mir leid. Ich kann nicht. Du bist noch nicht so weit."

„Doch Aiden, ich bin so weit. Ich habe dich vermisst und will endlich diesen Schritt gehen"

„Du weißt nicht, was du da sagst. Es wäre besser, wenn ich jetzt gehe. Ich liebe dich, Engel!", sagt er und küsst meine Wange. Bevor ich etwas sagen kann, lässt er mich allein zurück. Ein schlechtes Gewissen plagt mich. Vielleicht will er mich nicht körperlich. Vielleicht findet er mich nicht anziehend genug. Vielleicht habe ich ihn nur zu lange warten lassen. Egal was der Grund gewesen ist, es tat weh. Es tat im Herzen weh.

(...)

Am Abend klingelt es wieder an der Tür. Mit der Hoffnung, dass es Aiden ist, stehe ich vom Bett auf und renne die Stufen hinunter. Als ich die Tür aufmache überströmt mich ein Glücksgefühl und ich falle James in die Arme. Er scheint sichtlich überrascht und sagt: „Wow, ich wusste nicht, dass du mich so sehr vermisst hast!"

Mit diesen Worten löse ich mich von ihm und schlage ihn auf seine Brust. „Du Idiot! Wieso meldest du dich nicht? Weder du noch Aiden. Ich hatte Angst, dass etwas passiert ist. Wehe, es passiert noch einmal."

„Tut mir leid, Mi-chen. Wir hatten einige Probleme, aber es ist alles wieder geklärt."

„Ich hoffe es. Komm doch rein."

(...)

„Nimm es ihm nicht zu übel, er hat in letzter Zeit viel Stress. Alles fällt auf ihn ab, weshalb er nur wenig Zeit hat!", sagt James, als ich ihn gerade an der Tür verabschiede.

„Wieso redet er dann nicht mit mir darüber? Ich kann ihn so nicht verstehen. Habe ich etwas falsch gemacht? Sag es mir, bitte. Ich kann mich nicht ändern, wenn er mir nichts erzählt!", sage ich verzweifelt.

James packt mich sanft an den Schultern und sieht mich direkt an. „Mi-chen. Das letzte was Aiden will ist, dass du dich seinetwegen für ihn veränderst. Er liebt dich so wie du bist. Gib ihm ein wenig Zeit. Sobald er seine Angelegenheiten geregelt hat, wird alles wieder wie vorher."

Ich nicke leicht, obwohl ich kein gutes Gefühl habe. Als ich höre wie James wegfährt, fange ich an zu weinen. Ich liebe Aiden, vielleicht hat er keine Lust mehr auf mich. Vielleicht hätte ich ihm meine Liebe schon früher gestehen müssen. Vielleicht hat er nur mit mir gespielt, wie es Liam auch getan hat. Mein Herz zieht sich bei diesem Gedanken zusammen. Ich hoffe einfach, dass wenn ich morgen aufstehe, alles wieder wie früher ist.

Die Wolfsgefährtin (Aiden & Mia)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt