Alte Wunden

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Auch Alex wurde an diesem Morgen unsanft von Klingeln seines Weckers geweckt.
Zwar ging die Sonne gerade auf, doch nach dieser kurzen und unruhigen Nacht fühlte er sich wie gerädert.
Schnell machte er den Wecker aus, damit Klarissa die neben ihm in seinem Bett lag nicht wach wurde.
Er hatte sie gestern Abend mit zu sich in die Wohnung genommen. Eigentlich hätte sie nach ihrem Nervenzusammenbruch eine Nacht zur Beobachtung in der Klinik bleiben müssen, aber eine bessere ärztliche Überwachung als in seinen Armen gab es dort ganz sicher nicht.
Alex seufzte und betrachtete seine Freundin, die immer noch sehr blass, mit verstrubelten Haaren und verweintem Gesicht vor ihm lag und schlief.
Erst nachdem er ihr abends noch ein Beruhigungsmittel gespritzt hatte, war sie irgendwann erschöpft vom weinen in seinem Arm eingeschlafen.
Niklas noch ein zweites Mal zu verlieren, das war einfach zu viel für sie gewesen.
Am besten wäre es gewesen sie hätte gar nicht rausgefunden wer dieser Junge ist, dachte Alex bei sich und seufzte.

Leise krabbelte er aus dem Bett und machte sich auf in die Küche um ein Frühstück für sie beide zuzubereiten.
In zwei Stunden würde er zum Dienst müssen, da Paula nicht da war, musste er ihren Notdienst bei der Wache übernehmen.
Lieber würde er auf Klarissa aufpassen und für sie da sein, aber es gab keinen der für ihn einspringen konnten,
Oliver hatte die Nachtschicht, Phil lag mit Grippe flach und auch sonst war kein Kollege verfügbar.
Wieder seufzte Alex, während er einen Tee für Klarissa brühte und sich einen Kaffee aufsetzte.
Mit dem fertigen Frühstück auf dem Tablett machte er sich zurück ins Schlafzimmer.
Vorsichtig stellte er das Tablett auf den Nachtischschrank und weckte Klarissa in dem er ihr über das Gesicht strich.
Traurig sah Klarissa ihn an als sie wach wurde.

„Guten Morgen mein Schatz.
Hier du musst eine Kleinigkeit frühstücken."

Meinte er zu ihr und stellte ihr einen Teller mit Schnittchen hin.

„Danke."

Flüsterte sie und nahm sich lustlos ein Brot mit Frischkäse.
Nachdem sie zusammen gefrühstückt hatten machte Klarissa sich auf unter die Dusche, während Alex die Reste des Frühstücks wegräumte.
Fertig angezogen kam Klarissa wieder aus dem Bad.

„Ich werde jetzt nach Hause fahren, auf der Arbeit melde ich mich vielleicht besser erstmal krank."

Meinte sie und schenkte Alex ein leichtes aber sehr trauriges Lächeln.

„Dein Auto ist noch beim Krankenhaus, komm ich fahr dich hin."

Meinte er und zog sich schnell eine Jogginghose und ein T-Shirt über.
Im Auto sah er Klarissa noch einmal an.
Sie schien sich wieder gefangen zu haben, doch trotzdem machte es Alex große Sorgen das sie den ganzen Tag alleine zuhause sitzen würde.

„Wenn etwas ist rufst du mich an, ok?"

Fragte er sie und startete den Wagen.

„Du hast Notdienst. Alex ich weiß das du dir Sorgen machst, das war gestern auch etwas viel für mich.
Aber ich komme schon zurecht macht dir bitte keine Sorgen."

Meinte Klarissa und drückte Alex Knie.
Alex nickte und fuhr sie zur Klinik damit sie mit ihrem eigenen Wagen nach Hause fahren konnte.
Zurück zuhause sprang er noch schnell unter die Dusche und fuhr dann direkt zur Wache.
Als Klarissa das Haus betrat, wollte sie instinktiv nach Niklas suchen.
Vielleicht war er aus dem Krankenhaus weggelaufen, direkt nach Hause?
Tränen kamen ihr wieder in die Augen.
Wie hatte sie ihn nur aufgeben können?
Sie hätte niemals auf den Psychologen hören sollen und ihn beerdigen lassen.
Was war sie für eine Mutter, die nach sechs Jahren ihr einziges Kind einfach für tot erklären ließ?
Weinend setzte sie sich auf die Treppe und legte ihren Kopf auf die Knie.

„Wo ist er?"

Hörte sie auf einmal eine vertraute männliche Stimme fragen.
Sofort schnellte ihr Kopf hoch, in der offenen Eingangstür stand ihr Exehemann Rainer.
Entsetzt starte sie ihn an und sagte kein Wort.

„Erst bringst du mich in den Knast und dann willst du mir meinen Sohn vorenthalten?"

Wütend sah Rainer sie an und kam näher.
Obwohl er noch zwei Meter von ihr weg war konnte sie seine Alkoholfahne riechen.
Die Angst machte sich in ihr breit.
Nachdem Niklas vor sechs Jahren verschwunden war, hatte Rainer angefangen zu trinken.
Bald driftete er immer weiter ab, verlor seinen Job und wurde zunehmend aggressiver.
Als er dann begann Klarissa gegenüber immer öfters handgreiflich zu werden, reichte sie vor vier Jahren die Scheidung ein.
Daraufhin rastete er aus und brach ihr den Kiefer.
Die Folge war das er ein Jahr ins Gefängnis musste und seither ein Näherungsverbot zu Klarissa und ihrem Haus hatte.

„Ich habe das Video im Internet gesehen."

Meinte er und starte sie weiter an.
Verwirrt blickte sie ihn an.

"Welches Video?"

„Aus der Stadt. Es ist am Samstag hochgeladen worden.
Also hast du schon mindestens drei Tage gewusst das unser Sohn noch lebt.
Aber hast es wohl nicht für nötig gehalten mich zu informieren nicht wahr?"

Drohend kam er immer näher, Klarissa schüttelte hilflos den Kopf.

„Ich habe es gestern erst erfahren, aber er wurde aus dem Krankenhaus entführt. Ich schwöre dir Rainer ich wusste vorher noch nicht das er lebt, ich hätte dir das niemals verschwiegen."

Doch in seiner Wut schienen ihrer Worte an ihm abzuprallen.
Er überwand die letzten Schritte zu ihr und schlug zu.
Klarissa schrie vor Schmerzen auf als seine Faust in ihrem Gesicht landete.
Sie versuchte rückwärts die Treppe hoch zu entkommen und sich dabei mit ihren Armen vor den weiter auf sie einprasselnden Schlägen zu schützen.
Aber Rainer packte sie an den Haaren und zog sie die Treppe runter und in das große Zimmer links neben der Treppe.
Dies war früher Niklas Kinderzimmer gewesen. Sie hatte es nicht über das Herz gebracht es ganz leer zu räumen und so standen immer noch das alte Klavier aus dem Wohnzimmer und einige von Niklas Sachen herum.
Rainer schleuderte sie auf den Boden und begann auf sie einzutreten.
Die ersten Tritte versuchte sie noch abzuwehren aber nachdem ein Tritt in die Magengrube ihr den Atem raubte, krümmte sie sich nur noch zusammen und versuchte die Schmerzen auszuhalten in der Hoffnung das er sich bald beruhigen würde und von ihr abließ.

Doch Rainer trat immer weiter auf sie ein und nach einem Tritt gegen den Kopf wurde es um Klarissa dunkel

Der verschwundene Sohnजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें