Chapter Nine

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Habt ihr Haustiere?

Heute morgen ging es bereits zum Tierarzt, weil mein Häschen mit der Hitze nicht so gut zurecht kommt (er reagiert auf alles unwahrscheinlich sensibel) und sie ein wenig seine Koordination durcheinander bringt.

Sprich, ich bin seit fünf Uhr wach, weil ich an seiner Seite sitze wie ein Pitbull, der seine Babys beobachtet.

Ich wünsche mir einen Regentaaaag.

______

Dalia Sanderson

«❃»

Nur ein Stück

Ich wache mit hämmernden Kopfschmerzen, eingewickelt in Lionels Laken, auf und brauche lediglich einmal zu Blinzeln, um die Abfolge der vergangenen Nacht noch einmal zu sehen. Noch einmal zu spüren.

Das Licht scheint gedämmt in sein Zimmer, die Dunkelheit wirkt einnehmend, aber noch einnehmender ist die Kälte die von der Seite des Bettes ausgeht, auf der er eigentlich immer liegt. Meine Finger fahren über die Matratze lassen mich gedämpft und seufzend tiefer in die Kissen sinken, um mir einzureden, dass Nichts ist. Das absolut Nichts vorgefallen ist und das absolut alles normal ist. Aber es ist Nichts normal. Egal wie sehr ich es mir einrede, es ist nicht normal, dass Lionel den Boden bevorzugt. Es ist nicht normal, dass ich länger schlafe als er. Es ist nicht normal, dass sein Rücken an dem Bett angelehnt ist und er starr an seine kahle Wand guckt.

Nicht einmal hundert Jahre Schlaf hätten mich besser fühlen lassen. Nicht einmal wenn ich dadurch alles vergessen hätte. Denn erstens das habe ich nicht und zweitens, das könnte ich einfach nicht. Wie kann man etwas vergessen, dass einem das Leben bedeutet?

Ich krame inständig in meinen hintersten Gedanken herum und überlege was wir damals gemacht haben, wenn wir gestritten haben. Die furchtbare Wahrheit allerdings ist, dass wir damals nicht gestritten haben. Vielleicht haben wir uns aufgezogen, ein bisschen provoziert, aber wir waren nie sauer aufeinander. Das kam dann erst später. Das kommt alles erst jetzt und ich bin heillos überfordert damit.

Er will mich los werden, damit ich nicht in diese Welt gezogen werde. Er will mich los werden, damit ... damit er nicht auf mich achten muss. Auf sich selbst. Er kann sich verändern ohne mir angst zu machen. Ohne mir fremd zu werden, dabei ist er das schon.

"Ich habe dir gesagt, dass ich nicht gehen werde."

Ich kann mich an seine Mutter erinnern. Sie war immer ein wenig herrisch. Vor allem gegenüber ihren Kindern. Ich kann mich daran erinnern, dass man Lionel immer irgendwie zwingen musste. Das er es irgendwie dann getan hat, weil er so sehr liebt, dass er nicht auf sich achtet. Er würde sich lieber selbst verlieren, als diejenigen die er liebt.

Und das ist sein Preis für die Welt seines Ziehvaters.

Er verliert sich und gibt dafür uns auf, damit wir in Sicherheit sind. Idiotisch.

"Dalia–"

"Ich werde nicht gehen. Du kannst mich loswerden wollen, aber wir wissen beide, dass es nicht das ist, was du möchtest. Es ist dein Stolz, Lio." Meine Worte werden zum Ende leiser, als ich mich auf der Matratze aufrichte und die Laken von meinen Beinen wegschiebe. "Du warst Wochen Obdachlos, weil du mich nicht belasten wolltest." Er möchte mir nicht zuhören. Weder erinnert er sich gerne daran, noch möchte er damit konfrontiert werden. Aber ich habe ihm nie erzählt wie es mir dabei ging. "Du hast mich damit mehr belastet, als wenn ich gewusst hätte, dass du in Sicherheit bist. Das du bei mir bist. Nocheinmal: Wir kriegen das hin. Wir schaffen das. Irgendwie." Er zieht seine Knie an sich heran und vergräbt sein Gesicht in seinen Händen. Es ist bloß wieder eine Nacht in der er nicht geschlafen hat. Es ist bloß wieder eine Nacht in der wir unseren Verstand verlieren.

Shattered HeartsWhere stories live. Discover now