Kapitel 1: Kassadya

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Ich war seit fast einem halben Jahrhundert nicht mehr hier gewesen.
Trotzdem hatte sich fast nichts verändert.

Bei den violetten Neonleuchtbuchstaben, die in großen Lettern den Namen des Clubs "DaysEnd" verkündeten, flackerte immer noch das E und sogar die abblätternden Werbeplakate, die die heruntergekommene Häuserfassade tapetizierten waren noch die selben.

Im orangefarbenen Licht der Abendsonne sah die schmutzige Gasse Großen und Ganzen noch ganz okay aus.

Aber nur für Magische. Normale Menschen fanden es hier immer unheimlich, dafür sorgten die magischen Runen, die mit Graffiti an die Wände rund um den Eingang des Clubs gesprüht waren.

Klar machten die es Normalos nicht unmöglich den Club zu betreten, aber normalerweise hielt es sie fern. Und alle, die trotzdem herkamen, waren selbst Schuld.

Aber Magische der neuen Generation wie Hexen, Vampire oder Feen zog dieser Club nach Sonnenuntergang an wie Motten das Licht.

Nicht, dass ich hier irgendwen als Motte bezeichnen würde. Ich bin nicht wie meine versnoobten Artgenossen.

Eigentlich ehemalige Artgenossen, ich war ja kein richtiger Engel mehr. Was glücklicherweise auch der Grund dafür war, dass ich einen Club der neuen Generation betreten konnte, ohne, dass mich gleich jeder umbringen wollte.

Ich betrat den Club. Verdammt, ich könnte schwören sogar der Quitschton der Tür hat sich in den letzten Fünfzig Jahren nicht verändert.

Immer noch ein unglaublich hohes B-Dur. Was? Ich hab ein abgebrochenes Musikstudium. Manche Unsterbliche nutzen eben ihre Zeit.

Drinnen war es noch dunkel und leer. Ich überquerte die große Tanzfläche mit eiligen Schritten, um möglichst schnell die Tür auf der anderen Seite zu erreichen.

Leere Flächen, auf denen du ein tolles Ziel abgibst waren noch nie mein Ding. Hey, sagte ich vorhin nicht, dass nicht jeder mich umbringen will?
Tja, leider heißt das auch nicht Niemand will mich umbringen.

Nicht, dass besonders viele dazu in der Lage wären, aber im Gegensatz zu anderen Engel hatte ich sehr früh gelernt die neue Generation nicht zu unterschätzen.

Wieder aus dem dunklen Clubraum raus betrat ich die dahinter liegenden Bar.

Hier war es deutlich voller. Ich entdeckte Maxwell, ein alter Bekannter von mir und der Barkeeper und Eigentümer hier, hinter dem Thresen. Aber von Nate war keine Spur zu sehen.

"Hey, Kass! Dass du dich mal wieder hier blicken lässt. Wie lang ist das jetzt schon her?", Maxwell hatte mich entdeckt.

"Dreiundfünfzig Jahre und vier Monate", beantwortete ich seine rethorische Frage, was mir ein Augenverdrehen einbrachte, und zog einen Hocker zu mir heran um mich an die Bar zu setzten.

"Ist Nathaniel irgendwann hier aufgetaucht?", fragte ich ihn. "Klar, Nate kommt fast jeden Abend hier her. Wenn du etwas wartest taucht er bestimmt bald auf", meinte er und schob mir ein Bier hin.

Obwohl ich keins bestellt hatte nahm ich dankbar einen großen Schluck.

"Na dann, sogern ich auch die Geschichte über dein letztes halbes Jahrhundert hören würde, ich hab noch andere Gäste", und damit war er auch schon wieder verschwunden.

"Ich hab nie gesagt, dass ich was zu erzählen hätte", murmelte ich ihm leise hinterher und trank noch einen Schluck.

Die letzten Jahre waren tatsächlich recht ereignislos verlaufen. Klar, der Krieg zwischen der alten und der neuen Generation ging weiter, aber im Gegensatz zu den Dämonenkriegen war das nichts.

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