Hyunsung - du siehst wirklich schön aus in Weiß

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Hyunjin denkt während Jisungs Hochzeit an einen gemeinsamen Streit zurück.

Hyunjin weiß, wann es angefangen hat. Er weiß, wann er es realisiert hat.

Das Ganze war noch vor Debut-Zeiten von Stray Kids. Die Gruppe war gemeinsam am Üben einer Choreographie. Mittlerweile ist es Mitternacht gewesen. Jisung weiß heute gar nicht mehr, wieso er überhaupt wütend auf sein Bandmitglied Hyunjin gewesen ist.

Das Einzige, woran er sich erinnern kann, ist der Knall der Tür, als er sie mit voller Kraft zugeschoben hat. Er ist aus der Situation rausgegangen. Und es ist besser so gewesen.

Keiner der beiden Jungen hätte in der Nacht versichern können, den Anderen nicht noch körperlich anzugreifen. Eigentlich wäre es beinahe soweit gekommen, wenn Chan nicht Hyunjin und Changbin Han am Arm gepackt und zurückgehalten hätten. Gegen die Stärke der beiden kommen Jisung und Hyunjin bis heute nicht an. Heute weiß der Ältere der beiden auch, wie dankbar er dafür sein kann, die anderen beiden in seiner Gruppe zu haben. Wären Chan und Changbin nicht eingeschritten, wäre das Weitere vermutlich nicht so gekommen, wie es letztendlich gekommen ist.

Han verlässt sein Zimmer wieder, er hat ein ungutes Gefühl bei der Sache und möchte sie nicht so stehen lassen. Besser er klärt das Ganze mit seinem Mitglied jetzt, bevor er die nächste schlaflose Nacht über einem Konflikt grübelnd (und ziemlich sicher auch weinend) verbringt und es sich am Ende morgen auf seine Performance im Training auswirkt.

Jisung läuft die Treppe runter, Tränen fließen über seine Wangen. Das Erste, was er sieht, ist ein ebenfalls weinender Hyunjin. Beide sind emotional so gut wie am Ende. Der Stress, den die Firma und auch sie selbst sich wegen des bevorstehenden Debuts machen, ist für alle Mitglieder der Band belastend und wenn zusätzlich noch Streitigkeiten innerhalb der Gruppe entstehen, ist das alles andere als hilfreich.

Hyunjin weiß nicht genau, was er jetzt machen soll. Jisung steht - genau so unentschlossen wie er selbst - an der untersten Treppenstufe. Bevor er sich jedoch zu irgendetwas hinreißen lassen kann, wird ihm die Entscheidung, was als Nächstes passiert, auch schon abgenommen. Bang Chan kommt die Treppe hinter Han runter.

Es ist schlimm. Chan sieht nicht wütend aus. Nein, eher enttäuscht. Das ist noch schlimmer. Unter seinen Augen liegen dunkle Ringe. Der Ältere hat als Anführer noch weitaus mehr um die Ohren als die beiden und außerdem die ungesunde Angewohnheit, bis fünf Uhr morgens im Studio an Songs der Gruppe zu arbeiten.

Und jetzt muss er sich auch noch um seine beiden streitenden Mitglieder kümmern. Wir sind so dämlich.

Hyunjins schlechtes Gewissen schießt bei dem Anblick bis an die Decke.

"Okay, Jungs. Ich weiß, diese Zeiten sind hart. Ich weiß, ihr kommt im Moment nicht so gut miteinander aus. Aber ich weiß auch, dass wir in so Augenblicken zusammenhalten müssen. Wir dürfen unseren eigenen Stress nicht einfach auf andere übertragen und unseren Frust so rauslassen. Wir sind ein Team und keiner von uns wird diesen Raum verlassen, bevor ihr beide euch nicht ausgesprochen und vertragen habt."

Kein Zweifel bleibt übrig, Chan meint es ernst.

Die beiden Jungen fühlen sich klein in Anwesenheit ihres Anführers. Klein und dumm. Jisung kann sich nicht mal wirklich daran erinnern, warum er so wütend auf den Größeren geworden ist.

Zerknirscht macht der Größere einen Schritt auf sein Gegenüber zu und will gerade mit seiner Entschuldigung beginnen, als dieser ihn auch schon in eine stürmische Umarmung zieht. Überrascht versteift er sich, entspannt dann aber relativ schnell. Die beiden liegen einander weinend in den Armen und tatsächlich sind keine Worte nötig. Sie verstehen beide.

Und das ist der Moment, in dem Hyunjin für sich noch etwas anderes realisiert. Warum er den unbedingten Drang hat, mit diesem Jungen zu konkurrieren und warum alles, was er macht, den Größeren auf eine ganz bestimmte Art und Weise triggert: Er mag Han.

Er mag es, wie sich sein kleinerer Körper in seinen Armen anfühlt, sein Selbstbewusstsein und seine Unerschrockenheit. Er mag ziemlich viel an Han. Und das mag er eigentlich nicht. Aber heute, heute ist es okay. Ja, Hyunjin kann sich damit abfinden. Jetzt beginnt er, es zu mögen - jemand anderen zu mögen.

"Hör auf, immer deine Socken falsch zu tragen. Ganz ehrlich, was ist so schwierig daran, zwei Socken eines Paares anzuziehen?", schnieft Jisung.

Hyunjin muss lachen.

"Dann musst du aufhören, so viel schwarz zu tragen. Das nervt! Ich bin mir ziemlich sicher, weiß würde absolut toll an dir aussehen."

"Deal."

"Deal."

Von heute aus betrachtet sehen die beiden, wie kindisch sie sich doch verhalten haben. Aber Hyunjin würde diesen Streit für nichts auf der Welt eintauschen.

Nicht, wenn dieser Streit den Anfang ihrer Freundschaft bedeutet hat. Nicht, wenn er die nächsten Jahre damit verbringen konnte, immer mehr von Jisungs Großartigkeit kennenlernen zu dürfen. Nicht, wenn das der Punkt war, an dem er gemerkt hat, wie sehr er den anderen mag. Mehr als einen Freund.

Selbst dann nicht, wenn er gerade an einem anderen Punkt in einer anderen Beziehung zu Jisung stehen würde.

Wenn er nicht vor ihm stehen würde, sondern auf der anderen Seite des Raumes. Dort, wo Minho jetzt steht.

Wenn sein Herz nicht vor Freude für Han und gleichzeitig vor Trauer um seine unerwiderte Liebe fast zerspringen würde.

Die beiden halten sich an den Unterarmen.

"Ich hatte Recht."

Jisung legt fragend seinen Kopf zur Seite, aber der Größere schüttelt nur den Kopf. Er wird ihm jetzt nicht sagen, womit. Han sollte sich auf etwas anderes fokussieren. Auf etwas für ihn definitiv Wichtigeres.

Ein Schluchzer entweicht Hyunjins Lippen, die von einem gleichzeitig traurigen aber auch glücklichen Lächeln geziert werden. Er kann nicht wirklich begreifen, was er gerade fühlt. Vielmehr kann er nicht ganz verstehen, wie er zur gleichen Zeit so unendlich traurig sein und sich dennoch so sehr für seinen besten Freund freuen kann.

Nichts anderes hat er Hyunjins Meinung nach verdient. Er lockert seinen Griff um Jisungs Arme. Und während er ihn gehen lässt, kann er doch nicht anders, als überglücklich zu sein. Glücklich, dass Jisung seine große Liebe gefunden hat. Glücklich, dass er und Minho heute heiraten können. Glücklich, dass der Jüngere sein Glück eindeutig gefunden hat.

Doch das alles zählt in diesem Moment nicht wirklich. Ein Gedanke kreist stetig in seinem Kopf, als er Han auf den Altar zuschreiten sieht. Letztendlich hatte er nämlich Recht. Er ist sich ziemlich sicher, dass Jisung seine geflüsterten Worte nicht mehr hören kann.

"Du siehst wirklich schön aus in weiß."

Auch wenn es nicht für ihn ist.

1062 Wörter

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