Jaywon - Lieben und Loslassen

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Jake macht mit Jungwon Schluss, damit dieser guten Gewissens mit Jay zusammenkommen kann, der nach einem Jahr im Ausland nach Korea zurückkommt.

Ruhe.

Ruhe und eine Art innerer Frieden.

Das ist das, was Jake gerade fühlt. Auf dem Weg zu dem Jungen, der am Geländer steht, sieht er es klar vor seinen Augen. Es tut weh, ja. Aber es ist nicht so, dass er sich nicht darauf vorbereitet oder es bereits geahnt hätte. Früher oder später wäre es so gekommen. Er weiß, was er zu tun hat.

Er stellt sich neben Jay und legt seine Hände auf das kühle Metall. Der Junge wendet sich ihm zu, aber Jake schaut weiter auf die Umrisse der Häuser.

Es ist mitten am Tag. Das hier wird keines dieser Klischees, die er immer in Filmen oder Serien sieht. Die Sonne ist fast schon unangenehm hell. Er muss blinzeln.

"Weißt du, ich danke dir."

Jake wirft einen Blick auf Jay, der nach seiner Aussage offensichtlich verwirrt wirkt.

"Danke, dass du erst jetzt gekommen bist. Danke, dass ich ihn für ein Jahr haben konnte. Danke, dass er seine Liebe ein Jahr lang mir gegeben hat."

Jay seufzt. Auch wenn es schwer zu glauben ist, er fühlt mit dem Jüngeren mit. Die beiden sind gar nicht so verschieden, sie haben eine offensichtliche Gemeinsamkeit: Sie lieben Jungwon.

"Er hat sich also entschieden? Das hat er mir gar nicht erzählt."

Bei seiner Frage erscheint ein trauriges Lächeln auf dem Gesicht des Australiers.

"Nein, das hat er nicht. Ich habe es getan. Es ist besser so. Das weiß ich."

Nachdem er das gesagt hat, wendet er sich nun doch dem Älteren zu. Unverwandt schaut er ihm in die Augen, Jay hält seinem Blick stand.

Er muss sagen, er bewundert Jay. Der Jüngere ist stark, schlau und vor allem selbstlos. Der Junge kann verstehen, wieso Jungwon mit ihm zusammengekommen ist.

"Jetzt musst du auf ihn aufpassen. Manchmal kann er anstrengend sein, versuch nicht, ihn in Watte zu packen. Achte darauf, dass er das Frühstück nicht ausfallen lässt, das vergisst er immer. Manchmal sagt er, es interessiert ihn nicht, aber das tut es sehr wohl. Was auch passiert, lass dich nicht von ihm ausschließen. Und egal wie stur er ist, oder was er macht, ich weiß, dass er dich liebt. Also hör nicht damit auf, ihn ebenfalls zu lieben."

Jay hört zu. Er hört zu und er ist ehrlich, er versteht es nicht. Er persönlich könnte Jungwon nie im Leben gehen lassen. Wieso also? Wieso...

"Warum machst du das?"

Jake zuckt mit den Schultern. Die Antwort sollte seiner Meinung nach eigentlich offensichtlich sein.

"Das Problem ist, dass du lieben kannst, wen du willst. Aber genau so kann das jeder Andere. Nenn es Pech, nenn es Glück. Pech, dass ich ihn gehen lassen muss. Glück, dass ich ihn haben durfte, auch wenn es nur für eine bestimmt Zeit war. Also um deine Frage zu beantworten, dann ist es wohl, weil ich ihn liebe. Und weil ich will, dass er glücklich ist. Selbst wenn das heißt, dass er mit dir zusammen ist.

Außerdem konnte ich mich lange genug vorbereiten. Um ehrlich zu sein, ich habe es gewusst. Spätestens in dem Moment, als er dich wiedergesehen hat - wenn nicht schon dann, als er damals von dir gesprochen hat. Es ist wirklich einfach: Er sieht dich genau so an, wie ich ihn ansehe. Ein wenig zu lange, um einfach nur mit dir befreundet sein zu können.

Ich weiß also, wie es ist, jemanden so sehr zu lieben, jemanden auf diese Art zu lieben. So sehr, dass man eine Person gehen lassen muss - sei es, weil dieser Mensch jemand Neuen gefunden hat, oder man eine andere geliebte Person hinter sich lassen muss für diesen Menschen.

Es ist jetzt Zeit für Jungwon, mich hinter sich zu lassen. Ich lasse ihn gehen und genau so muss er das Gleiche nun mal für mich tun.

Es wäre sonst nicht fair. Weder für dich, noch für mich oder für ihn selbst."

Jay will offensichtlich zu einer Erwiderung ansetzen, aber Jake unterbricht ihn.

"Nicht! Ich habe alles gesagt. Zwischen uns beiden ist alles okay. Wir haben weder Schulden noch Streit. Ich gehe jetzt."

Der Ältere kann nur nicken und zusehen, wie der Andere seine Hände vom Geländer löst und auf die Treppe zuläuft. Auch er lässt ihn in diesem Moment gehen. Dann bleibt der Jüngere jedoch beim Abgang der Treppe stehen.

Jake findet sich einem in Tränen aufgelösten Jungwon gegenüber stehen. Vorsichtig greift er eine seiner Hände und drückt sie versichernd mit seiner eigenen.

"Es tut mir leid, Jungwon. Ich habe ehrlich gesagt nicht wirklich darüber nachgedacht, was ich dir sagen soll, um mit dir Schluss zu machen. Wenn mir etwas einfällt, sage ich dir Bescheid. Aber ich denke, dass wir beide wissen, wie es an diesem Punkt weitergehen wird. Und es ist okay, es ist besser so."

Der Australier fängt eine Träne, die über die Wange des Jüngeren läuft, mit seinem Daumen auf.

"Nicht weinen. Du weißt doch genau so gut wie ich, es ist Zeit. Es ist Zeit, dass wir einander loslassen. Zeit, dass wir weitermachen."

Jakes Sicht verschwimmt leicht und bevor er es verhindern kann, fühlt auch er die Nässe auf seinen Wangen.

"Und, Jungwon, ich habe es wirklich gehofft. Ich habe gebetet, dass du es bist. Ich wollte, dass du es bist. Oh man, wie sehr ich das wollte. Und vielleicht warst du es auch, wer weiß. Aber ich war es nicht für dich. Ich bin es nicht. Er ist es. Es ist Jay. Und das ist okay. Ich liebe dich. Ich wünsche dir das Beste. Werde glücklich und versprich mir etwas; schau nicht zurück."

Jungwon schluchzt.

"Aber-"

"Kein aber, mach dir um mich keine Gedanken. Ich komm schon klar. Jetzt geh schon."

Jake schubst den Jüngeren leicht in Richtung Geländer.

"Jay wartet schon auf dich."

"Ich liebe dich, Jake."

"Ich weiß. Ich liebe dich auch. Auf Wiedersehen, Jungwon."

Mit einem Lächeln beobachtet der Australier, wie der Jüngere auf seinen Freund zugeht, der ihn sofort in eine tröstende Umarmung zieht.

Das wäre jetzt auch schön. Aber er schafft das schon. Er war schon vorher alleine und er hat überlebt. Er muss sich nur wieder daran gewöhnen.

Jake dreht sich von den beiden weg und läuft die Treppe runter.

Er verbringt eine ganze Weile lang nur damit, durch die Straßen und Gassen der Stadt zu schlendern. Es ist komisch, alleine herumzulaufen. Aber es ist nicht so schlimm.

Nein, er kommt klar.

1052 Wörter

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