Hencas - alles egal... außer Hendery

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Lucas' Trainee-Zeit war nicht wirklich einfach.

Sie lachen. Wieder. Sie lachen über ihn. Wieder.

Und Lucas lacht mit ihnen.

Und er lacht. Weil er nicht anders kann.

Und er lacht. Und sein Bauch zieht sich schmerzhaft zusammen.

Und er lacht. Und er sieht Lachtränen über die Wangen seines Gegenübers laufen.

Und er lacht. Und auch über seine Wangen laufen Tränen.

Und er lacht. Und er weiß nicht, ob die Tränen vom Lachen sind oder von den unangenehmen Krämpfen, die sich durch seinen Bauch ziehen.

Und er lacht. Er kann nichts anderes tun.

Jeder normale Mensch kann über sich selbst lachen, reiß dich zusammen, Xuxi! Du machst mal wieder ein Drama aus Nichts.

Dann ebbt das Lachen der anderen Jungen langsam ab und seines mit ihm.

Die Gruppe bewegt sich zum Wasserkasten. Die meisten von ihnen setzen sich nebeneinander auf die Fensterbänke.

Nachdem Yukhei sich auch eine Wasserflasche aus der Kiste neben dem Fenster genommen hat, schlurft er zu seinem normalen Platz etwas abseits von der Gruppe und lehnt sich an eine der Spiegelwände des Raumes.

Sie reden. Wieder. Sie reden über ihn. Wieder.

Sie versuchen es noch nicht einmal, zu verstecken. Die Gespräche sind von seiner Position aus deutlich zu hören.

Und es ist Lucas nicht egal, dass ihm mal wieder klar gezeigt wird, wie laut und nervig ihn die anderen Trainees finden. Es ist ihm nicht egal, wie er hinter seinem Rücken als anhänglich betitelt wird - und das keineswegs im positiven Sinne.

Aber was soll er tun? Das ist ganz einfach er. Lucas hat Körperkontakt schon immer gemocht. Umarmungen, der einfache Druck einer Hand, ein Arm um seine Schulter. All das hat ihm immer ein Gefühl der Sicherheit, der Beständigkeit, dass er nicht alleine da stand gegeben. Dass er jemanden hatte, der ihm Trost spenden konnte.

Das Trainee-Leben war hart. Es ist nur härter geworden, als die anderen Jungen sich einer nach dem anderen von ihm abgewandt haben.

Es ist ihm nicht egal, wie viel über ihn hinter vorgehaltener Hand getuschelt wird.

Denn egal wie viel er sich um die anderen gekümmert hat, wie oft er ihnen ermutigende Blicke, ein offenes Ohr oder eine aufmunternde Umarmung angeboten hat, er hat doch selbst nur jemanden gewollt, der sich in dieser Zeit ebenso um ihn gekümmert hätte.

Aber Yukhei musste auf die harte Tour lernen, dass nicht alle Menschen außerhalb seines ursprünglichen Freundeskreises und seiner Familie das zurückgeben, was er ihnen gegeben hat. Vielleicht muss er sich mittlerweile auch einfach mit der Tatsache abfinden, dass er jemand ist, um den sich nicht gekümmert wird. Jemand, um den sich niemand kümmern möchte. Wer weiß.

An den Spiegel im Trainingsraum gelehnt weiß er zwar nicht wirklich, wie er damit umgehen soll, aber eins ist ihm somit klar geworden: Es kümmert sich hier niemand um ihn, er wird sich hier um niemanden mehr kümmern.

Wie hätte er da auch ahnen können, dass sich seine Meinung keine Woche später radikal ändern würde? Schuld daran ist ein gewisser neuer Trainee aus Macau gewesen.

Sein Name ist Hendery. Lucas mag sich gar nicht ausmalen, wie unangenehm es ihm gewesen wäre, vor den gesamten anderen Trainees wie auf einem Silbertablett präsentiert zu werden. Aber Hendery stört das anscheinend nicht.

Hendery ist offen.

Hendery ist laut.

Hendery sprüht nur so vor Energie.

Hendery strahlt.

Hendery erinnert Lucas ein wenig an sich selbst - das heißt, er selbst vor seiner Trainee-Zeit.

Und als er sieht, wie fröhlich sein Gegenüber während der Tanzstunden ist, wie motiviert er versucht, seinen Rap zu verbessern und wie er die anderen konstant aufheitert, da verspricht Xuxi sich selbst etwas: Er wird es den anderen Trainees nicht erlauben, Henderys Strahlen auch nur ansatzweise einzudämmen.

Im kommenden Monat führt er seinen selbst auferlegten Job mehr als nur einmal aus. Wenn die anderen Hendery als laut bezeichnen, schreit er danach so oft rum, bis die Aufmerksamkeit wieder auf ihm liegt. Wenn er als zu hyperaktiv bezeichnet wird, nimmt er den Jüngeren mit zum Joggen. Und als er die erste Träne über Henderys Wange laufen sieht, da packt er ihn am Ärmel und zieht ihn hinter sich her zum Balkon.

Die beiden reden nicht. Aber die Stille, die sie umgibt, ist angenehm. Ruhig. Friedlich. Ein wenig ironisch, wenn man die normalerweise lauten Angewohnheiten der beiden Jungen betrachtet.

Irgendwann unterbricht Yukhei die Stille jedoch: "Hör nicht auf sie, Ry. Lass uns jetzt nicht so tief darauf eingehen, aber sie sind bloß neidisch, weißt du. Ich meine, nicht jeder kann so gut die Stimmung aufheitern."

Lucas gestikuliert in der Luft rum.

"Oder so gut rappen. Oder sieht auch nur ansatzweise so gut aus."

Oh, shit. Hat er das gerade wirklich gesagt?

Dumm, dumm, dumm.

Willst du es vielleicht noch offensichtlicher machen? Sag ihm doch gleich, dass er dein Schwarm ist. Das würde ihn auch gar nicht abschrecken oder so. Oh mein Gott - was wenn er homophob ist?

Shit, Shit, Shit.

Ganz große Klasse, Xuxi, ganz große Klasse. Du musstest die eine Person, die mit dir redet, abschrecken. Wow.

"Du bist toll."

Überrascht dreht Lucas sich zu dem Jüngeren um.

"Hm?"

Das kam unerwartet.

"Du bist toll. Ich glaube nicht, dass das den Menschen oft genug gesagt wird. Also dir auf jeden Fall nicht. Ich finde dich toll, Xuxi."

"Ich dachte, das hier sollte kein tieferes Gespräch werden?", stottert Yukhei ein wenig überfordert. Er fühlt die Tränen in seine Augen steigen.

Hendery zuckt nur mit den Schultern.

Lucas' Blick findet seinen. Und dann lachen sie.

Und Lucas' Bauch tut weh. Und dieses Mal tut er weh vom Lachen.

Und er weint. Und dieses Mal weint er... Warum eigentlich? Warum weint er? Ist er traurig? Ist er glücklich?

"Ich glaube, ich höre das wirklich zu selten."

Yukhei hört es nie, die Wahrheit hängt unausgesprochen in der Luft.

Sein Atem stockt, als er eine Hand fühlt, die sich mit seiner verschränkt.

"Keine Sorge, Xuxi. Ich werde dafür sorgen, dass es dir irgendwann zu den Ohren raushängt."

Henderys Daumen zieht beruhigende Kreise auf Lucas' Handrücken.

"Du bist auch toll, Ry", flüstert Yukhei in die kühle Nachtluft.

Der Jüngere kichert. Und als er Henderys Hand an seiner Wange fühlt, seine Lippen die von Lucas treffen und er den anderen Jungen gegen seine Lippen lächeln spüren kann, bevor die beiden den Kuss vertiefen, da ist es egal. Er spürt Hendery, er riecht Hendery und er schmeckt Hendery.

Alles ist egal - alles außer Hendery.

1052 Wörter

Missing Lucas.

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