I1.I An average day

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Sechs Uhr morgens.

Verschlafen betrachtete ich mein Spiegelbild. Meine langen dunkelbraunen Haare waren verwuschelt und ein totales Durcheinander. Meine Gesichtszüge waren müde und  meine dunkelbraunen Augen waren vor Schlaflosigkeit schon leicht rötlich und blickten meinem Spiegelbild leer entgegen.

Seufzend ging ich zu meinem Schrank über und zog ein cremefarbenes Kleid heraus, das bis zu meinen Knien reichte. Nachdem ich es auf mein Bett gelassen hatte, tapste ich barfüßig zum Badezimmer über. Ich hatte nur noch 30 Minuten, um mich für meinen Unterricht fertig zu machen. Nur noch dieses Jahr und dann war ich durch mit der Schule und das konnte ich kaum mehr abwarten. Es war doch bestimmt ein wundervolles Gefühl, so viel Stress hinter sich zu lassen?

Schon viel wacher, durch die kühle Dusche, verließ ich frisch und munter das Badezimmer. Doch die Heiterkeit hielt nicht lange an, denn ich hatte nur noch zehn Minuten zum Unterrichtsbeginn. Mist! Schnell zog ich das Kleid an, rannte zum Fenster über und zog die Gardinen auf. Das helle Licht beleuchtete den dunklen Raum, der in Unordnung lag. Ich riss das Fenster förmlich auf und die frische Morgenluft blies augenblicklich in das muffige Zimmer herein. Ein angenehm kühler Windstoß flatterte die Gardinen auf.

Leicht föhnte ich mir die Haare und kämmte sie dann einmal durch. Mir war bewusst, dass ich nicht mehr viel Zeit hatte, aber schließlich wollte ich nicht mit nassen Haaren aufkreuzen und obendrein mich noch erkälten, obwohl es mitte Sommer war. Mein Immunsystem war ziemlich schwach, was sowas anging.

Eine Melodie summend, sprintete ich schnell zur Uhr. Ein letzter Blick darauf verriet mir jedoch, dass ich nur noch fünf Minuten hatte, um in die Klasse zu kommen. Ich zog meine passenden cremefarbenen Ballerinas an und schnappte mir schnell meine Tasche bevor ich das Zimmer verließ. Im Flur schloss ich schnell meine Tür ab und fing an durch das riesige und verlassenwirkende Gemäuer zu sprinten.

Drei Minuten noch. So viel Glück, wie ich hatte, war mein Zimmer auf der siebten Etage und ich musste erst einmal ganz nach unten, um im Gebäude gegenüber in die zweite Etage zu gelangen. Es gab leider keinen Aufzug oder sonstige Verbindungen zwischen den zwei Gebäuden. Verzweifelt rannte ich die Treppen hinunter und achtete darauf nicht über meine eigenen Füße zu stolpern.

Los Amber, noch eine Minute, dachte ich verzweifelt und beschleunigte meine Schritte.

Unten angelangt, ging ich geradewegs zur großen Ausgangstür hinüber und zog sie mit einem quietschenden Geräusch auf. Ich strich mir über die Stirn, um die Schweißperlen loszuwerden und starrte fassungslos in den überdimensional Schulhof. Ohne eine Verschnaufpause einzulegen, rannte ich quer durch den Hof durch und schaffte es wirklich über meine eigenen Füße zu stolpern. Fluchend landete ich auf dem harten Betonboden, doch so schnell ich auch gefallen war, genauso schnell sprang ich auf und setzte meinen Weg fort. 

Mein Herzschlag hatte sich auf das dreifache verschnellert und meine Puste ging mir allmählich aus. 20 Sekunden. Ich schaffte das doch nie rechtzeitig.

Es war punkt 6:30 Uhr als ich unten vor dem Unterrichtsgebäude stand. Fast hätte ich es geschafft, aber halt nur fast. Schnaufend ließ ich mich auf die kühlen Steine nieder und betrachtete die vielen grünen Bäume, die durch den Wind raschelten und ihre Äste harmonisch dazu bewegten als wären sie lebendig. Das Sonnenlicht fiel durch die Baumkronen auf mich und kitzelte mich auf der Haut. Ich hätte hier stundenlang sitzen können, aber ich durfte es nicht. Widerwillig rappelte ich mich auf und ging mit langsamen Schritten zu den Treppen des zweiten Gebäudes hinüber. Wer auch immer der Architekt dieses Internats war, sollte sich von mir fernhalten. Ich hätte nämlich für nichts garantieren können, was bei unserem Zusammentreffen passieren könnte.

Hunted || #Wattys2015-WinnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt