Kapitel 6

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Ich befolgte Rosies Rat und nahm mir am nächsten Tag frei. Zwar redete ich mir die ganze Zeit ein, dass ich einfach mal eine Pause brauchen würde, aber so langsam fing ich an zu glauben, dass ich heute nicht zur Arbeit gehen wollte, aus Angst wieder auf George zu treffen. Woher diese Angst kam, war mir nicht bewusst, aber sie war da.

Den Freitag brachte ich noch gut über die Runde. Ich war in der Stadt durch die Geschäfte geschlendert und den restlichen Tag verbrachte ich lesend auf meiner Couch. Doch schon am Samstagmorgen kamen diese lästigen Gedanken und die Fragen, was ich nun wegen George tun sollte. Sollte ich ihm aus dem Weg gehen? Ihn ignorieren? Oder sollte ich in Ruhe mit ihm über alles reden? Doch was sollte ich sagen? Ich setzte mich in meinem Bett auf und raufte mir die Haare. Warum musste alles nur so kompliziert sein?

Höchst widerwillig stand ich auf, ließ mir dann aber heißes Wasser in meine Badewanne, zog die Sachen aus, die ich zum Schlafen angehabt hatte und legte mich in die Wanne. Ich wollte einfach entspannen, normalerweise half mir ein erholsames Bad dabei, den Kopf abzuschalten. Doch dieses Mal ließen meine Gedanken mich nicht zur Ruhe kommen. Bereits nach zehn Minuten griff ich nach meinem Handtuch.

Da ich Rosie ein freies Wochenende erlaubt hatte, verbrachte ich den kompletten Samstag allein mit meinen nervigen Gedanken. Teufel und Engel stritten sozusagen miteinander.
'Na los, geh nach George suchen. Er ist garantiert noch in der Stadt.'
'Nein, melde dich nicht bei ihm! Du hast ein neues Leben begonnen und er darf es nicht auf den Kopf stellen.'
'Aber das hat er doch schon. Du hast ihn geliebt und jetzt sag nicht, dass du das nicht immer noch tust. Jetzt hat er dir endlich gesagt, dass er deine Gefühle erwidert und du läufst einfach so weg?'
'Nein! Verstehst du es denn nicht? Wenn du ihn jetzt aufsuchst, dann waren die letzten sechs Jahre umsonst. Alles, was du geschaffen hast, alles, was du versucht hast zu vergessen. Dann war alles vergebens.' Und so weiter und so fort. Den ganzen Tag über ... immer wieder. Ich konnte selbst nicht sagen, welche der beiden Stimmen der Engel und welche der Teufel war. Jedenfalls war ich am Abend keinen Schritt weiter. Noch immer wusste ich nicht, was ich tun sollte.

Ich versuchte mich mit meinem Lieblingsfilm abzulenken, also legte ich mich auf meine Couch und schaltete den Fernseher ein. Doch schon nach fünf Minuten konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Mit einem Kopfschütteln schaltete ich das Gerät wieder aus und ging ins Bad um mich umzuziehen. In meinen Schlafsachen schlurfte ich dann in die Küche um mir noch einen Tee zu machen, bevor ich schließlich in mein Bett krabbelte.
Nach einiger Zeit, in der mich Teufelchen und Engelchen wach gehalten hatten, schlief ich auch endlich ein.

"Nein Liza", lachend schubste ich meine beste Freundin von mir weg. "Na klar!", erwiderte sie nur grinsend und setzte sich. Ernst sah ich sie an und Liza seufzte nur. "Du wirst es wohl nie zugeben oder?"

"Da gibt es nichts zuzugeben!" Ich ließ mich nach hinten auf mein Bett fallen. "Oh doch!" Liza sprang neben mich. "Du willst deine Gefühle für George verstecken, aber mir kannst du nichts vor machen." Meine Freundin schmiss mir ein Kissen ins Gesicht, was ich sofort als Herausforderung sah und zurück warf.

"Ich verstecke gar nichts, denn da sind keine Gefühle, die ich verbergen könnte." Während Liza nach einem weiteren Kissen griff, sagte sie: "Du belügst dich nur selber. Hör einfach auf damit und lass es zu!" Ich fing ihr Kissen locker auf, setzte mich dann aber wieder hin und legte es neben mich.

"Warum kannst du mir nicht einfach mal glauben?", fragte ich ernst, als auch Liza sich wieder gesetzt hatte. "Weil ich dich kenne. Erstens erzählst du mir nie von deinen Gefühlen und zweitens sehe ich doch, wie du dich in Georges Nähe benimmst. Du bist zwar ziemlich ruhig, aber im Prinzip kannst du vernünftig mit jedem reden. Nur bei George fängst du an zu stottern. Meistens kriegst du gar keinen Ton heraus." Ich dachte kurz über ihre Worte nach. Eigentlich hatte sie recht und trotzdem widersprach ich: "Stimmt doch gar nicht. Ich kann auch mit ihm ganz normal reden." Liza zog die Augenbrauen hoch.

"Ach ja? Na dann los! Wir gehen ihn jetzt suchen und du redest mit ihm." Meine Freundin wollte mich zum Aufstehen bewegen, doch ich wehrte mich. "Nein, lass das." Liza setzte sich wieder. "Ich habe dich noch nie mit ihm reden sehen. Also auf jeden Fall keine ganzen Sätze", meinte sie streng. "Naja, vielleicht liegt das einfach daran, dass ich ..." Ich überlegte kurz. "Vielleicht will ich wirklich nicht mit ihm sprechen. Woher willst du schon wissen, wie es in meinem Kopf aussieht?" Und in meinem Herz. Das jedoch fügte ich nur gedanklich hinzu. Liza würde in dieser Aussage nur eine Bestätigung sehen. Allerdings konnte ich sie so oder so nicht überzeugen. 

Liza schüttelte den Kopf. "Du läufst immer rot an, wenn du vor ihm stehst und danach bist du stundenlang am Lächeln", stellte sie klar. Ich schluckte und dachte genauer darüber nach, denn das war mir vorher gar nicht so aufgefallen. Einen Moment herrschte Stille, dann wiederholte meine Freundin: "Geh zu George und rede mit ihm!"

Um fünf Uhr Morgens schreckte ich aus dem Schlaf. Lizas letzter Satz hallte in meinen Ohren wieder. Dieser Traum ... nein, diese Erinnerung kam genau in der richtigen Nacht. Sie hatte mir um einiges geholfen, meine Entscheidung zu treffen.

Damals, an dem Tag in Hogwarts, an welchem ich das eben Geträumte wirklich erlebt hatte, war ich zwar nicht zu George gegangen und ich hatte erst recht nicht mit ihm geredet, aber mir war jetzt klar, dass ich auf Liza hören sollte. Wenn meine beste Freundin jetzt hier wäre, würde sie mir raten, sofort nach George zu suchen. Sie hätte es so gewollt und mir würde es danach garantiert auch besser gehen. Zumindest hätte ich endlich Klarheit, ich könnte meine Gefühle ordnen und vielleicht könnte ich dann endlich mit dem Thema abschließen.

Bis ich vom Gegenteil überzeugt werde ... / George Weasley FFWhere stories live. Discover now