Kapitel 27

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Seufzend betrat ich das große Gebäude. So sehr ich mich auch beeilt hatte, einen guten Parkplatz hatte ich nicht mehr erwischt und als ich mich hier umsah, erkannte ich auch, warum. Eine riesige Menschenmasse wuselte durch das Einkaufszentrum. Manche Leute blieben vor Schaufenstern stehen, um sich Schmuck, Kleidung oder sonst was anzusehen, doch die Mehrheit versammelte sich in der Mitte der Halle. Dort schien irgendetwas aufgebaut zu sein. Erst als ich näher kam, erkannte ich eine Bühne.

Momentan stand ein Mann vor dem Publikum und erzählte irgendwas von wegen 'bis zu 75% Rabatt' oder so. Ich verdrehte nur die Augen und ging weiter. Solche Schnäppchen hatten mich noch nie angelockt. Klar war es schön, wenn man mal etwas Geld sparen konnte, aber solche Rabatte hatten meistens auch einen Grund: von der Ware wurde nicht genügend gekauft, zum Beispiel wegen schlechter Qualität, schlechtem Aussehen (wobei das ja subjektiv war), oder einfach weil die Ware nicht mehr zur Jahreszeit passte. Dies schien bei dieser Aktion der Fall zu sein, denn ich sah gerade noch aus dem Augenwinkel, wie eine hübsche Blondine mit Top, Hotpants, Flip Flops und Sonnenhut bekleidet auf die Bühne trat und einen improvisierten Laufsteg entlang lief. Wir hatten fast Winter. Sowas zog man doch zu dieser Jahreszeit nicht mehr an.

Ich schlenderte also durch die vielen Geschäfte und ließ mich tatsächlich hin und wieder von Ausstellungsstücken in Schaufenstern anlocken. Ganze zweieinhalb Stunden lief ich durch die Läden, was für meine Verhältnisse wirklich enorm lange war. Als ich schließlich vollbepackt mit neuen Büchern und allerlei Krimskrams -dazu zählten für mich auch Schmuck und Klamotten- bei der Bühne ankam, erzählte der Typ von vorhin erneut: "Alles was hier in den nächsten Minuten vorgeführt wird, können Sie nachher kaufen. UND, meine Damen und Herren, es gibt Rabatte bis zu 85%! Also schlagen Sie zu. So eine Chance bekommen Sie vielleicht nie wieder in Ihrem Leben!"
Ich verdrehte nur die Augen. Klar. Dieses hier ist das letzte Sale-Angebot der Welt. Jetzt muss ich natürlich sofort zuschlagen, sonst werde ich es für immer bereuen.

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Das alles hier war doch mehr als lächerlich. Die sollten mal einsehen, dass niemand hier diese Klamotten kaufen will. Mal abgesehen davon, dass sie überhaupt nicht zur Jahreszeit passten, sahen diese Kleidungsstücke -die meisten jedenfalls- mehr als schrecklich aus. Die konnten mit den Rabatten noch so hoch gehen, nicht mal wenn sie die Sachen verschenken würden, würden sie alles loswerden.

"Also dann würde ich gerne die kleine Schwarzhaarige dahinten kaufen", wurde ich von einer eklig süffisanten Stimme neben mir aus meinen Gedanken gerissen. Verwirrt blickte ich zu einem Kerl - groß gebaut, den ersten Anschein nach aber nicht sonderlich muskulös, zerrissene Jeans, flatterndes T-Shirt, strähnig blonde Haare, schmales Gesicht, aber große Nase, ein spöttisches Grinsen, welches gelbe Zähne zum Vorschein brachte. Kein sehr schöner Anblick, wären da nicht diese strahlend blauen Augen, die einen zu durchdringen schienen. "Der Kerl hat gesagt, alles was vorgeführt wird, könne man kaufen. Ich würde die Schwarzhaarige nehmen", erklärte er, als ich nichts sagte. Dabei lachte er kurz auf, als hätte er gerade einen wirklich guten Witz erzählt.

Ich reagierte immer noch nicht. Zu verwirrt war ich von dieser Situation. Wie bescheuert musste ich eigentlich aussehen? Starrte diesen Typen einfach so an?
Ohne etwas zu sagen, drehte ich mich von ihm weg, doch das schien ihn nicht zu beirren. "Die Kleine sieht schon echt süß aus ...", fuhr er fort. "Vielleicht sollte ich sie nachher fragen, ob sie heute Nacht nicht zu mir kommen will." Ein Gefühl von Ekel und Abscheu überkam mich. "Wobei ich deine Gesellschaft vorziehen würde. Du siehst echt scharf aus, wenn ich das mal so direkt sagen darf."

Das war's. Mein Geduldsfaden riss endgültig. Wütend drehte ich mich zu ihm um und hoffte, dass ich nicht allzu lächerlich dabei aussah - ich war immerhin fast einen Kopf kleiner als er.
"Nein, das dürfen Sie nicht sagen und jetzt verziehen Sie sich endlich!" Ein paar Menschen drehten sich zu uns um, doch keinen schien es weiter zu interessieren. Alle wandten sich recht schnell wieder ihren eigenen Aktivitäten zu. Ich hatte zwar vermutet, dass der Typ verschwinden würde, doch da hatte ich mich wohl geirrt. Sein Grinsen wurde noch breiter.

"Uhh, also ich steh echt auf süße Dinger mit scharfer Zunge. Das erweckt den Anschein, dass du gar kein Interesse an mir hast, aber darauf falle ich nicht rein", sagte er augenzwinkernd. Ich fühlte mich in dieser Situation heillos überfordert. Ich hatte einfach keine Ahnung, was ich machen sollte. Er würde mir jedes Wort im Hals umdrehen, dessen war ich mir jetzt sicher.
Also beschloss ich, ihn einfach zu ignorieren. Vielleicht würde er es dann verstehen.
Ich richtete meinen Blick wieder auf die Bühne, wo gerade ein Mann mit furchtbar engen Shorts den Laufsteg verließ. Abgelöst wurde er von einer dunkelhaarigen Frau, die einen -zugegeben- gar nicht ganz so grässlichen Bikini trug.

War der Typ neben mir nun endlich verschwunden? Sollte ich es riskieren nachzusehen? Doch das war gar nicht nötig, denn genau in diesem Moment stieß er einen widerlich hohen Pfeifton aus. Wie konnte ein Mensch nur solche Geräusche von sich geben?
"Also das ist heiß. Dieses Ding würde dir super stehen", säuselte er dicht an meinem Ohr. Ich zuckte zusammen. Wann war er mir so nah gekommen? Seine Anwesenheit wurde mir jetzt endgültig zu viel. Ich griff nach meinen Tüten und wollte gehen, doch der Typ packte mein Handgelenk.

"Lassen Sie mich los!" Ich hoffte, dass meine Stimme nicht so ängstlich klang, wie ich mich fühlte und tatsächlich hörte es sich mehr wie ein wütendes Fauchen an. Das musste doch auch der letzte Idiot verstehen, oder etwa nicht? Der Kerl verstärkte seinen Griff für einen Moment, ich bekam noch mehr Angst als ich sowieso schon hatte. Ein merkwürdig vertrautes Gefühl keimte in mir auf, doch ich konnte nicht beschreiben, was es war. Plötzlich ließ der Typ mich los und wich zurück, als hätte er sich verbrannt. Durch diese klaren Augen, die das einzig Schöne an ihm zu sein schienen, sah er mich überrascht an. Ich hatte keine Zeit mehr über die Situation nachzudenken. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, schnappte ich mir meine Sachen und verließ schnellen Schrittes das Einkaufszentrum.

Zuhause angekommen ließ ich meine Tüten einfach im Flur stehen. Unterwegs hatte ich mir in einem Restaurant noch etwas zu Essen geholt. Das hatte wohl länger gedauert als ich gedacht hatte, denn als ich zuhause ankam, war es schon ziemlich spät. Von dem langen Tag war ich ziemlich erschöpft und ich wollte eigentlich nur noch schlafen. Deswegen hatte ich jetzt absolut keine Lust auch noch die Tüten auszuräumen. Das würde ich später tun. Vielleicht könnte Rosie mir morgen dabei helfen. Sie wusste wohl am ehesten, in welchen Schränken und Kisten noch Platz für den ganzen Kram war. Mit Ausnahme der Bücher und vielleicht auch der schicken, aber teuren Armbanduhr würde ich das meiste der Sachen wohl sowieso nie wieder ansehen. Warum ich das Ganze dann gekauft hatte, wusste ich selbst nicht so recht. Mich hatte wohl einfach der Kaufrausch gepackt und erbarmungslos mitgerissen. Soweit ich wusste, gab es ja viele Frauen, die sich diese Art des Shoppings zueigen machten. Eigentlich nichts weiter als Geldverschwendung, aber ich konnte es mir ja leisten.

Ich ließ die Tüten also im Flur zurück und ging in mein Schlafzimmer. Ohne mich umzuziehen, fiel ich auf mein Bett und war auch sogleich eingeschlafen.

Bis ich vom Gegenteil überzeugt werde ... / George Weasley FFWhere stories live. Discover now