Kapitel 48

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Einen Monat später:


„Habe ich das Richtige getan, George?", fragte ich zögernd. Die Zweifel waren wieder da. Einen Monat, einen ganzen Monat waren sie ruhig. Einen Monat, in dem George und ich Kartons gepackt haben. Ich hatte alles, was ich brauchte - alles, was irgendwie wichtig für mich war, verstaut und nach London gebracht. Alles was unwichtig war, hatte ich in der Villa gelassen. Die Möbel, etwas Deko und Kartons mit Inhalt, den ich nie wieder brauchen würde.

Dann kam der Tag, an dem ich mich von Bernd verabschieden musste. Ich hatte dieses Gespräch so lange wie möglich hinausgezögert, weil ich ihm einfach nicht sagen konnte, dass ich für immer ging. Weil er eigentlich nur mein Gärtner war und dadurch selten das Hausinnere betrat, hatte er auch vorher nichts bemerkt, keinen Verdacht geschöpft und keine Fragen gestellt. Aber er hätte gemerkt, wenn ich eines Tages weggewesen wäre. Darauf musste ich ihn vorbereiten und als ich dann vor einigen Tagen so vor ihm stand und überlegte, wie ich ihm all das erklären sollte, hatte ich ihm kurzum das Haus und mein Auto überlassen. Ich würde es sowieso nicht mehr brauchen und bei ihm war beides in guten Händen. Und selbst wenn er es verkaufte, dann würde für ihn wenigstens noch ein guter Preis dabei rausspringen. Das war okay. Ich brauchte das Geld nicht und für Bernd war es eine gute Entlohnung. So konnte ich mein schlechtes Gewissen ein wenig einmauern und ich hatte eine Sorge weniger. Ich hatte nämlich keine Lust, auch noch neue Besitzer für Haus und Auto zu finden.

War ich verrückt? Ich war verrückt. Jedenfalls Bernds Blick nach zu urteilen, der mich wohl, wenn er nicht gerade so ein riesiges Geschenk bekommen hätte, direkt in die Klapsmühle gesteckt hätte. Ohne Chance auf Rückkehr, denn ich war definitiv verrückt, aber verdammt: Ich war glücklich. Da war mir der Rest dann auch egal.


Jetzt aber stand ich hier vor Georges Wohnung über dem Scherzartikelladen, den letzten Karton in der Hand. Ursprünglich wollte ich ihn in den Keller bringen, wahrscheinlich sogar lieber wegwerfen, aber das hatte ich schon damals nicht über mein Herz gebracht. Es war so ein unscheinbarer Karton. Eine ganz normale Umzugskiste, grau-beige, den Deckel mit Klebeband verklebt. Viel Klebeband. Damals wollte ich alles, was darin war, für immer verschließen. Aber gerade eben, als George und ich andere Kisten in den Keller geräumt hatten, fiel mir dieser eine Karton ins Auge und ich hatte plötzlich das Bedürfnis, dass er einen anderen Platz verdiente und nicht auf ewig in einem dunklen Loch verstauben sollte.

George wusste nicht, was sich darin befand, war aber offensichtlich neugierig.
„Ganz ruhig, Minze", antwortete er mir wahrscheinlich noch auf meine vorherige Frage. „Es ist das Richtige. Jedenfalls aus meiner Sicht. Solltest du den Umzug trotzdem bereuen, dann sprich bitte mit mir, ja?"
Ich nickte, sagte dann aber mit fester Stimme: „Ich bereue es nicht." Tatsächlich klang ich sicherer als ich mich fühlte. In Wahrheit ergriffen die Zweifel von mir Besitz wie kleine Parasiten und ich wurde sie einfach nicht los. George wollte ich damit nicht auch noch beunruhigen, also nickte ich noch einmal selbstbestätigend, dann tat ich den ersten Schritt in meine – unsere neue Wohnung in der Winkelgasse Nummer 93.


„So, jetzt spuck's schon aus. Was ist in der Kiste?" Ich habe sie extra bis zum Schluss aufgehoben. Alles andere wurde bereits von uns verstaut, es war nicht viel, was ich mit in die Wohnung genommen habe. Jetzt aber stierte George auffällig häufig in Richtung des Kartons.
„Rate", forderte ich ihn grinsend auf, obwohl mir plötzlich ganz unwohl wurde. Hätte ich sie doch im Keller lassen sollen? Vorerst zumindest. Ich hätte sie doch später hoch holen können.
„Geheime Liebesbriefe von einem unbekannten Verehrer?", witzelte George.
„Ja sicher. Die würde ich dann ja auch mit in unsere Wohnung bringen." Unsere Wohnung. Es klang so fremd und ungewohnt, aber gleichzeitig so geborgen und schön. Unsere Wohnung. Es klang, als seien wir nach einer langen Reise endlich angekommen. Das stimmte zwar noch nicht ganz, aber fast.

Bis ich vom Gegenteil überzeugt werde ... / George Weasley FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt