Kapitel 46

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„Wir müssen reden, George. Ich hab nachgedacht und mir ist einiges klar geworden." Es war ein gemütlicher Abend. George und ich saßen auf dem Sofa und genossen die Ruhe, aber langsam wurde es wirklich Zeit, darüber zu reden. „Ich ... wir müssen reden." Ich wiederholte mich, doch ich wusste auch nicht so recht, wie ich mit dem Thema anfangen sollte.
George verkrampfte leicht, fragte aber trotzdem ruhig: „Worüber?" Es war nur gehaucht und klang so gelassen, als würde ich gleich vom Wetter erzählen, aber ich merkte seine Anspannung.
„Über uns." Schließlich spukten diese Gedanken seit unserem Weihnachtsurlaub in meinem Kopf herum. „Und unsere Zukunft."
„Okay. Fang an."

Das war unfair. Wieso musste ich anfangen? Ich hatte uns schließlich schon auf das Thema gebracht –unsere herrliche Atmosphäre damit unterbrochen- dann konnte er doch wohl auch der erste sein, der etwas dazu sagte. Natürlich wusste ich, dass das so nicht funktionierte und atmete deshalb tief durch.
„Ich will dir nicht im Weg stehen, dich einengen oder zu etwas zwingen, das du gar nicht willst", erklärte ich nach kurzem Zögern mein größtes Problem. George wollte mich unterbrechen, mir wahrscheinlich widersprechen, doch ich ließ ihn gar nicht zu Wort kommen, sondern redete selbst unbeirrt weiter: "Diese ganze magische Welt, das kannst du nicht einfach so aufgeben. Das willst du nicht aufgeben. Glaub mir, ich habe es in deinem Blick gesehen und ich habe nicht das Recht, das von dir zu verlangen."
"Wenn du nicht das Recht hast, wer dann?", unterbrach er mich nun doch. Damit sprach er es doch genau an.

"Eben George. Wer dann? Niemand, verdammt! Du wurdest in diese Welt hinein geboren, du genießt es, hast Spaß daran. Du brauchst es. Vor allem den Laden. Ich habe dich genau beobachtet. Sieh mir in die Augen und sag mir, du wärst jetzt in diesem Moment nicht gerne dort." Ich gab ihm einen kurzen Augenblick, um zu antworten, doch er schwieg, sah mich nur hilflos an. "Siehst du. Du kannst es nicht. Du vermisst es. Du vermisst alles dort und ich halte dich davon ab. Ich, die ihr eigenes Leben nicht auf die Reihe bekommt, zwingt dich nun dazu, auch noch dein Leben aufzugeben!" Erst als ich die Worte ausgesprochen hatte, wurde mir so wirklich bewusst, dass ich recht hatte. Verzweiflung machte sich in mir breit. Ich war so ein schlechter Mensch.

"Bist du nicht Minze." Was? Hatte ich etwa laut gedacht? "Du bist der beste Mensch, den ich kenne und ja, ich wäre gerne wieder zuhause. Aber denkst du wirklich, ich könnte auf lange Sicht dort glücklich sein?" Zumindest glücklicher als bei mir, oder? "Ich hatte doch die Wahl gehabt. Kleine, ich bin von dort weggegangen, weil ich lieber bei dir sein wollte. Weil ich dich brauche. Mehr als alles andere."

Ich drückte meinen Kopf in Georges Halsbeuge und versuchte die Tränen wegzublinzeln. "Aber ich fühle mich so schlecht, jedes Mal, wenn ich sehe, wie du der Magie hinterher trauerst", gab ich zu. Ich fühlte mich in solchen Momenten wirklich schlecht, selbst wenn es nur um eine Posteule ging, denn die gab es für gewöhnlich auch nicht in meinem Leben.
"Ich trauere nicht, ich vermisse." Wo war da bitte der Unterschied? Beides tat weh. "Wenn ich die Wahl hätte, würde ich zurück nach London gehen." Mein Herz brach. Ich wusste es. Ich hatte es die ganze Zeit gewusst. "Aber nur, wenn du mich begleitest. Minze, nochmal: Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen und wenn ich mich entscheiden müsste zwischen dir und der Magie ... ich würde mich ohne zu zögern für dich entscheiden. Ich werde mich immer für dich entscheiden."

Mein Gehirn hatte nun einige Informationen zu verarbeiten, beschränkte sich dann aber auf das wohl Wichtigste: "Im Prinzip hast du mich also gerade gefragt, ob ich mit dir nach London ziehe?" Hatte ich das richtig verstanden? So hatte es sich doch angehört oder? Ich machte mich nicht gerade lächerlich? George hatte das wirklich gesagt?
"Auch ich will dich zu nichts drängen. Ich will dir die Zeit geben, die du brauchst, aber ja. Ich hoffe andauernd, dass du dich eines Tages überwindest, die Magie wieder als etwas Wunderbares ansiehst und mit mir nach London zurückkehrst. Nach Hause." George konnte einen mit seinen Worten wirklich um den Finger wickeln und er meinte es zweifelsfrei ernst. Gerade deshalb war ich versucht, ihm zu glauben. Ihm einfach blind zu vertrauen und zu schauen, wo er uns hinführte.

Doch da gab es diese kleine Stimme in meinem Kopf. Eine Blockade, die bei den Worten 'Magie' und 'wunderbar' sofort Alarm schlug. Außerdem konnte ich doch nicht einfach so mein Leben hier aufgeben. Es war eine Stimme, die sich wehrte und alles in mir dazu drängte, sich von George abzuwenden. Zumindest wich ich auf der Couch vor ihm zurück und starrte stur auf den Fußboden.

"Ich weiß nicht, ob ich das kann."
"Ich wollte dich nicht verletzen, Minze." Nein, wollte er nicht, aber an seiner Stimme hörte ich, dass ich ihn verletzt hatte. Ich war wirklich ein schlechter Mensch.
"Tut mir leid, George. Du kannst ja auch nichts dafür. Aber ich muss da jetzt erstmal drüber nachdenken, okay?" Mein Freund nickte nur verständnisvoll. Warum war er eigentlich immer so lieb und entgegenkommend? Da fühlte ich mich doch erst recht schlecht! "Ich brauche jetzt einfach erstmal etwas Zeit für mich, ja? Schläfst du hier auf der Couch? Oder willst du lieber ins Bett, dann bleibe ich hier."
"Das ist okay. Geh nur. Mir reicht das Sofa." Ich sagte ja: Verständnisvoll und entgegenkommend. Mein schlechtes Gewissen lief Amok. Es war doch nicht möglich, dass jemand so perfekt war.

Mit einem kurzen Gute-Nacht-Gruß verabschiedete ich mich von George und verließ fast fluchtartig den Raum. Länger hatte ich die Tränen nicht mehr aufhalten können und ich wollte nicht auch noch vor George weinen.
Das bedrückende Gefühl trug mich bis in den Schlaf.

Bis ich vom Gegenteil überzeugt werde ... / George Weasley FFWhere stories live. Discover now