Kapitel 19

391 19 0
                                    

Ich stand vor Georges Wohnungstür und wollte anklopfen, doch schon als meine Fingerknöchel das zweite Mal auf das massive Holz fielen, wurde die Tür hektisch aufgerissen.
"Woah, George", rief ich überrascht. "Warum so stürmisch?" Er lachte kurz auf.
"Sorry Minze. Ich wollte dich eigentlich noch abfangen, bevor du klopfen musst", erklärte er, bevor er mich in die Wohnung ließ. Drinnen angekommen legte ich meine Sachen auf einen Stuhl im Flur und folgte George ins Wohnzimmer. Dieser saß schon auf der Couch und tippte irgendetwas in sein Handy. Ich war zwar neugierig, doch ich wollte nicht aufdringlich sein. Deshalb fragte ich nicht nach.

"Hast du Lust auf ein Kartenspiel?", fragte er auf einmal. Verwundert sah ich ihn an.
"Ein Kartenspiel?"
Er zuckte nur mit den Schultern. "Du hast mir doch neulich dieses Internet erklärt. Als ich da nach Zauberern gesucht habe -sieh mich nicht so an, die Zauberei fehlt mir nun mal!- da habe ich ein paar ... ähm" Er schien angestrengt zu überlegen.
"Videos?", schlug ich vor.
"Ja genau. Da habe ich ein paar Videos über solche Muggeltricks gefunden und ich dachte mir, die probiere ich mal aus." George reichte mir ein Kartendeck. Ich erkannte, dass es sich um ein normales Muggel-Spiel handelte und ließ mich auf seinen Vorschlag ein.

"Also gut George. Dann zeig mal her." Zur Sicherheit blätterte ich noch einmal durch die Spielkarten, konnte aber nichts Merkwürdiges feststellen, also legte ich den Stapel auf den kleinen Tisch vor uns. George kniete sich auf den Fußboden mir gegenüber und griff nach den Karten. Er mischte sie durch, was er wirklich gut konnte, wie ich feststellte, und zählte danach einige davon ab. Wenn ich mich nicht selbst verzählt hatte, dann waren es 21, die er auf der Hand behielt, den Rest legte er beiseite. Plötzlich piepte sein Handy.

"Sorry", murmelte er kurz und einen Augenblick später sah ich ihn eine Nachricht tippen. Ich konnte nicht sehen worum oder an wen sie ging, aber ich fragte mich, wer von Georges Bekannten ein Handy besaß und einfach mal so mit ihm schrieb. Dann legte er das Handy neben sich auf den Fußboden und konzentrierte sich wieder auf mich und den Kartentrick.

"Also", begann er mit tiefer Stimme. "Ich werde diese Karten jetzt vor dir auf drei verschiedene Stapel legen. Du wirst dir eine Karte aussuchen, sie dir merken und mir am Ende nur sagen auf welchem Stapel sie liegt. Hast du verstanden?" Ich nickte zur Bestätigung und George tat, was er erklärt hatte. Erst tendierte ich dazu, den Joker zu wählen, dachte mir dann aber, dass das zu einfach wäre. Deshalb wählte ich die Herz 7.

Als alle Karten aufgeteilt waren, sah George mich an und fragte: "Und? Welcher Stapel?" Ich zeigte auf die sieben Karten in der Mitte.
"Da ist sie dabei." George grinste mich an, nahm alle drei Stapel wieder zusammen und begann von neuem.
"Du weißt noch, welche Karte du vorher hattest?" Ich nickte. "Gut, dann pass auf, unter welchem Stapel die Karte dieses Mal ist."
Ich konzentrierte mich auf die Herz 7, achtete nebenbei jedoch auch genau auf Georges Bewegungen. Ich wollte nicht, dass mir irgendetwas entging.

In dem Augenblick piepte sein Smartphone erneut, was mich einen kurzen Moment aus der Konzentration riss. Doch diesmal ignorierte er es.
"Auf dem linken", beantwortete ich seine stumme Frage und George sammelte wieder alle drei Stapel auf.
"Du weißt noch, welche Karte es war?" Ich verdrehte die Augen.
"Natürlich."
"Also gut. Ein letztes Mal noch." George verteilte die Karten auf die Haufen.
"Wieder links." Nun nahm der Zauberer die Karten so in die Hand, dass man ausschließlich die Rückseite sehen konnte. Als er anfing die Karten nacheinander verdeckt auf den Tisch zu werfen, sah er mir tief in die Augen und ich konnte nicht anders als diesen Blick zu erwidern. Ich verlor mich in seinen braunen Augen und achtete gar nicht mehr auf den Zaubertrick. Erst als er mir eine Karte in die Hand drückte, erwachte ich aus meiner Trance. Es war die Herz 7.

"Wie hast du das gemacht?", rief ich überrascht. Ich wusste zwar, dass das ein einfacher muggelmäßiger Zaubertrick war, denn er wurde schon einmal bei einer Aufführung in der Kita durchgeführt, aber wie er funktionierte, wusste ich nicht. Und auch George verriet mir den Trick nicht. Er grinste mich nur verschwörerisch an.

In dem Moment klingelte sein Handy erneut.
"Sag mal, wer schreibt dir denn die ganze Zeit?", fragte ich nun doch endlich. Ich versuchte allerdings so desinteressiert wie möglich zu klingen.
"Ramona", antwortete er knapp und mir klappte die Kinnlade runter.
"Du hast ihre Nummer?" Meine erhöhte Tonlage entging auch George nicht und er sah mich breit grinsend an.
"Bist du etwa eifersüchtig?"
"Nein!" Ich verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich dachte nur, sie würde dich so sehr nerven mit den ganzen Kuchen und Keksen."
"Naja, kurz bevor du gekommen bist, war sie nochmal hier und hat sich bei mir entschuldigt. Und dabei hat sie mir auch ihre Nummer gegeben."
"Ah ja. Und du musstest ihr natürlich sofort schreiben", maulte ich misstrauisch.

George sah mich verständnislos an. "Sie hat gesagt, dass sie mit diesen Geschenken aufhört." Ich schnaubte. Als würde das alles wieder gut machen und sein Verhalten rechtfertigen. "Minze, ich verstehe nicht, was dein Problem ist. Ramona ist meine Nachbarin und sie ist ein sehr netter Mensch."
"Ach ja, ist sie das?" Ich klang unfreundlicher als beabsichtigt.
"Ja, das ist sie. Jaymin, was ist denn plötzlich mit dir los?", fuhr er mich wütend an und der Zorn in seinen Augen ließ mich zurückschrecken.
"Es ... es tut mir leid, George. Ich habe nur kein Verständnis dafür. Auf mich wirkte Ramona nicht gerade nett und dich hatte sie auch genervt. Ich weiß nicht, wie du ihr so schnell verzeihen kannst." Diese Erklärung sprach ich zwar aus und das mochte vielleicht auch stimmen, aber der eigentliche Grund für meine Aufregung war wohl leider tatsächlich Eifersucht. So sehr ich es auch versuchte, ich konnte mir nichts anderes einreden.
Die Züge in Georges Gesicht entspannten sich. Trotzdem sagte er: "Ich finde, es gibt nichts zu verzeihen. Sie wollte schließlich nur eine freundliche Nachbarin sein."

Das war zwar nicht meine Meinung, aber ich wollte nicht mit George streiten. Deshalb widersprach ich nicht. Auf mein Schweigen reagierte George mit einer Umarmung. Fest drückte er mich an sich und ich ließ es zu. In seinen Armen entspannte ich mich.
"Ich mag es nicht, wenn wir streiten. Können wir nicht einfach das Thema wechseln?" Georges Stimme war so leise, dass ich es kaum verstand. Er ließ mich los und ich sah ihn an. Ich nickte.
"Ist gut. Und worüber wollen wir reden?"
"Ich weiß nicht. Hattest du heute noch irgendwas vor?"
"Nun ja, ich wollte eigentlich zum Friseur, die Haare mal wieder ein Stück kürzen", erklärte ich.

Ich war überrascht, wie schnell George und ich unseren kurzen Streit vergessen hatten. Der Weasley drückte mich von sich und sah mich schockiert an. "Was? Aber deine Haare sind doch schon so kurz?!"
"Sie sind schulterlang", korrigierte ich sofort.
Er senkte den Blick. "Ich fand die langen Haare, die du noch auf Hogwarts hattest besser", gestand er. So viel länger waren sie damals auch nicht gewesen, überlegte ich.
"Aber die kürzeren Haare sind praktischer. Sie hängen beispielsweise nicht immer im Gesicht oder im Essen oder so."
George zuckte mit den Schultern. "Ich fand die langen Haare trotzdem schöner."

Ich dachte über seine Worte nach. Meine Haare waren sehr dick, ich wurde oft dafür beneidet. Mit langen Haaren könnte ich also viele neue Frisuren ausprobieren. Das hatte ich früher auch sehr gerne gemacht, auch wenn ich damit nie vor die Tür gegangen war.
"Na gut", gab ich schließlich nach. "Aber meine Spitzen müssen trotzdem geschnitten werden. Und deine auch. Wenn deine Haare noch länger werden, siehst du irgendwann so aus wie ich", fügte ich lachend hinzu. Ich hatte gedacht, dass ich ihn mit dieser Aussage aus der Bahn werfen würde, doch er war schlagfertiger als ich dachte.

"Wie könnte ich einem so kleinen Menschen wie dir ähneln?", konterte er breit grinsend.
"Hey!", rief ich empört und stemmte meine Hände in die Hüften. Mehr fiel mir jedoch nicht ein und damit ich nicht völlig wehrlos wirkte, griff ich nach dem ersten Gegenstand, den ich erhaschen konnte -ein schwerer Werbekatalog- und warf ihn in Georges Richtung. Es war ein lächerlicher Versuch, das war mir klar und der Weasley wich spielend leicht aus. Dabei lachte er.

"Außerdem haben wir nicht die gleiche Haarfarbe", sagte er dann.
Ich zog die Augenbrauen hoch. "Oh, also willst du auch noch meine Haarfarbe?", neckte ich.
"Nein, aber ich finde aus deinem Mahagonihaar könnte man ein schönes Kirschrot machen." Die Art wie er mich ansah, ließ mich erröten. Es war schwer, dem Blick Stand zu halten. Seine Augen blickten so warm auf mich herab, dass sich ein angenehmes Kribbeln in meinem Körper ausbreitete. Warum hatte er so eine Wirkung auf mich?
"Aber deine Haare sind doch gar nicht kirschrot", stellte ich fest - meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. "Und ich glaube, das würde dir auch nicht wirklich stehen."
"Nein, mir nicht. Aber dir."

Bis ich vom Gegenteil überzeugt werde ... / George Weasley FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt