40. Kapitel

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Kaden POV

Abends liegen wir erschöpft von den heutigen Ereignissen nebeneinander im Bett. Jane hat ihren Kopf an meine Schulter gelehnt und ich habe einen Arm um sie gelegt. Gedankenverloren starrt sie an die Decke.

Ich weiß, worüber sie sich gerade den Kopf zerbricht. ,,Denkst du immer noch darüber nach?", frage ich. Jane seufzt und nickt erschöpft. ,,Ich kann es nur einfach nicht glauben. Jeden dieser Menschen kenne ich schon viele Jahre lang und jedem von ihnen würde ich mein Leben anvertrauen. Dass einer von ihnen ein Verräter sein soll ist...ist erschreckend. Auf einmal stellt man alles in Frage, an das man je geglaubt hat." Leise Tränen rollen ihre Wangen hinab und lassen mich hilflos fühlen. 

,,Ich habe Angst. Um dich, um Nick, um Dad und um jeden, den ich kenne."

Ich sehe sie lange an. Dann lege ich meine Arme um sie und halte sie sicher an meine Brust. Beruhigend streiche ich durch ihre weichen Haare und lehne mein Kinn an ihren Kopf. ,,Mach dir keine Sorgen.", flüstere ich und wische sanft einige der Tränen weg, ,,Es wird alles gut. Außerdem hast du doch mich. Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand dir oder Nick weh tut." 

Sie lächelt mich schwach an. ,,Ich weiß.", flüstert sie und greift nach meiner Hand um sie fest zu drücken, ,,Aber du kannst nicht viel gegen einen Verräter tun, dessen Identität du nicht kennst. Es ist als würdest du gegen einen unsichtbaren Feind kämpfen."

Erschöpft lehnt sie sich an mich. Ich verbinde unsere Lippen zu einem kurzen süßen Kuss. ,,Schlaf gut.", nuschele ich in ihre Haare, ,,Ich werde dich beschützen." Ich drücke sie fest an mich und versuche mich selbst zu beruhigen. Nach einiger Zeit merke ich, dass Jane eingeschlafen ist und ich betrachte ihre ruhige Gestalt.

Im Mondschein sind noch leicht die schwachen Rinnsale ihrer vergossenen Tränen zu sehen. Reue und tiefe Schuld breiten sich in mir aus. Ich bin daran Schuld. Nur wegen mir, hat sie solche Angst und muss diese unglaublich Hilflosigkeit ertragen. 

Und es tut mir weh ihr das antun zu müssen.

Wenn es schon so negative Emotionen in ihr hervorruft, weil sie weiß, dass es einen Verräter gibt, dann will ich gar nicht erst wissen, wie es ihr ergehen würde, wenn sie wüsste, dass ich es bin.

Ich seufze und blicke aus dem Fenster zu den Sternen. Manchmal wünschte ich, ich hätte niemals den Auftrag angenommen. Es hätte jedem hier so viele Probleme erspart. Aber dann hätte ich jetzt weder Jane noch Nick und würde weiterhin von meinem Vater unterdrückt werden.

Was wäre wohl, wenn ich bei den Sereni geboren worden wäre? Was wenn ich kein Spion geworden wäre? Wäre es dann anders? Immer wieder stelle ich mir diese Fragen.  Aber in meinem Herzen kenne ich die Antworten. Nein. Es wäre niemals anders. Ich kann mir wünschen was ich will, doch die Realität sieht anders aus und die Vergangenheit kann ich nicht ändern.

Natürlich habe ich meine Tätigkeit als Spion schon seit Jahren abgelegt. Aber es wäre dumm zu glauben, dass ich deshalb nun in Sicherheit bin. Oh nein, ganz im Gegenteil. Ich habe mehr Feinde als Freunde und das auf beiden Seiten. In meiner Heimat werde ich für meinen Verrat geachtet und hier würde man mich, falls die Wahrheit jemals raus kommen sollte, sofort wegsperren.

Ich seufze und schließe die Augen. Meine Situation ist so verzwickt. Es ist wie ein Loch ohne Boden, in dem ich immer weiter zu versinken scheine, egal was ich tue.  Alles was ich je getan habe, war zum Wohle der, die meine Loyalität erhielten. Auch wenn jeder mich als böse Person sieht, habe ich trotzdem versucht meine Fehler wieder gut zu machen. 

Immer habe ich alles für mein Volk getan, niemals meine Interessen vor ihre oder die anderer gestellt. Warum also bin ich dann selbstsüchtig, weil ich einmal in meinem Leben etwas für mich tue?

Mein Leben lang habe ich mich dem Schutz anderer verschrieben, auch wenn man es vielleicht nicht glauben mag. Ich habe meine Mutter mit 11 verloren und wurde von meinem Vater in dieser Situation ausgenutzt. In meinem Leben gab es keine Liebe mehr und mein Vater befahl mir Dinge, die ich für das Wohl des Landes tun sollte. Wenn ich es nicht tat, ließ man es so aussehen, als hätte ich mein Volk im Stich gelassen. Durch ihn wurde ich zu dem kalten Killer, der ich heute bin.

Ich habe viel dafür gegeben, mich dem Bann meines Vaters zu entziehen. Ob es nun Menschenleben waren oder der Verrat an meinem Land. Nur eines werde ich nicht dafür geben: meine Familie. All das ist nur für sie.

Und doch, ob es zum Wohl meines Volkes ist oder zur Sicherheit derer, die ich liebe; das Universum scheint immer gegen mich zu sein. Wann immer ich etwas tue, spitzt sich meine Lage weiter zu und ich gerate in noch größere Bedrängnis. Niemand sieht je das Gute in dem was ich tue. Niemand interessiert sich auch nur ein Stück dafür, was meine Beweggründe sind oder wie ich mich fühle. 

Aber wieso sollten sie auch? Für alle bin ich nur ein kaltblütiges Monster, dass nicht einmal mit der Wimper zuckt, wenn es ein Leben auslöscht. Und das bin ich auch. Ein kaltblütiges Monster. Dennoch steckt hinter der Fassade noch mehr. Ich frage mich, ob Jane mich immer noch so liebevoll anschauen würde, wenn sie es wüsste. Oder ob Nick mich immer noch so sorglos umarmen würde? Würden sie mich verstehen können? 

Ich würde ihnen jedenfalls keine Vorwürfe machen, wenn sie es nicht tun würden. Es wäre sicherlich ein Schock für sie. Ich erinnere mich noch gut an den Tod meiner Mutter. Und genauso gut an den Schmerz und Verrat, der mich mein ganzes Leben lang geprägt hat. Sie würden sich wohl genauso fühlen, wenn nicht noch schlimmer.

Deswegen werde ich mein Geheimnis vorerst für mich behalten. Ich weiß, dass sie es irgendwann herausfinden werden. Irgendwann wird mich meine Vergangenheit einholen und ich kann nicht mehr davon laufen. Bis dahin aber werde ich jeden dieser kostbaren Momente mit meiner Familie genießen und in Ehren halten.

Ich weiß nicht ob ich lachen oder weinen sollte.

Das Schicksal ist wahrlich ein mieser Verräter.

Undercover enemy (Abgeschlossen)Where stories live. Discover now