Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht

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Kenma PoV
Meine Eltern plapperten aufgeregt durcheinander, als wir auf dem Rückweg aus der Stadt über den Campus schlenderten. Mir blieb keine andere Wahl, als den Tag wohl oder übel mit ihnen zu überstehen und zu versuchen mir nichts anmerken zu lassen. Letzteres gelang mir glaube ich nicht ganz so gut. Die erste Frage meiner Mutter, als sie über die Schwelle unserer Wohnungstür trat, war nämlich direkt, wo Kuroo war und allein die Frage trieb mir fast schon wieder die Tränen in die Augen, die ich in der Stunde davor mühsam zurück gedrängt hatte.

Ich antwortete, dass er viel in der Uni zu tun hatte und deshalb nicht zu Hause war. Eine Ausrede, die sie mehr oder weniger schluckten. Danach machten wir uns auf, damit ich ihnen den Campus zeigen konnte. Außerdem aßen wir eine Kleinigkeit in der Stadt und liefen nun langsam wieder zurück. Meine Eltern merkten, das irgendetwas nicht stimmte. Ich war noch verschlossener, als sonst und redete kaum ein Wort und wenn, dann nur auf Nachfrage. Ich hoffte einfach, dass sie bald wieder fuhren. Meine Mutter kommentierte gerade die moderne Architektur unserer Universität, als eine bekannte Stimme mich plötzlich aus meiner Trance holte.

"Kenma!", rief Sakura, die gerade aus dem Fakultätsgebäude der Informatiker trat... gemeinsam mit ihrem Bruder Saturo. Ich hatte seit dem Abend im Club kein Wort mehr mit ihm gewechselt, jedoch öfters von Weitem gesehen, wenn er seine Schwester abgeholt hat oder ihr auf dem Campus über den Weg gelaufen ist. Er machte mir normalerweise keine wirkliche Angst mehr, vor allem wenn Sakura dabei ist. Jetzt zog sich mein Magen vor Nervosität allerdings etwas zusammen.

"Oh Schätzchen, sind das Freunde von dir?", fragte meine Mutter ganz aufgeregt. Für sie war es anscheinend eine Besonderheit, dass ich noch jemand anderen als Kuroo kannte, geschweige denn zu meinen Freunden zählte. Wir warteten, bis Sakura und Saturo, wenn auch in gebührenden Abstand, zu uns traten. Ich räusperte mich kurz: "Mutter, Vater, dass sind Akai Sakura und ihr Bruder... Saturo. Sakura studiert mit mir zusammen." Sakura lächelte freundlich und verneigte sich und selbst ihr Bruder neigte kurz den Kopf. So ohne seine Sportlerfreunde um ihn herum schien er nicht so große Töne zu spucken.

"Freut mich wirklich sehr", erwiderte meine Mutter entzückt, während mein Vater sagte: "Es ist immer etwas besonderes, Kenmas Freunde kennenzulernen!" Ich rollte mit den Augen. Sakura lächelte kurz, bis sie sich zu mir wandte: "Alles in Ordnung? Du hast nicht auf meine Nachrichten reagiert, ich hatte etwas Sorge..." Ich schluckte kurz, dann erwiderte ich: "Ich war... nur mit meinen Eltern unterwegs... da hab ich wohl nicht aufs Handy geschaut." Die Ausrede nahm sie mir natürlich nicht ab. Ich und nicht aufs Handy schauen... ist klar. Doch sie hatte genug Taktgefühl zu merken, dass ich jetzt nicht darüber reden wollte und beließ es dabei.

"Wir reden später, ja?", sagte sie und suchte mit ihrem Blick meinen eigenen. Ich nickte kurz und versteifte mich etwas, als sie mich kurz in den Arm nahm. Sie drückte mich an sich und ich merkte, wie sich meine eigene Verspannung etwas löste und ich drückte sie ebenfalls kurz. "Danke", flüsterte ich ihr ins Ohr. Sie löste sich und lächelte mich an. Dann wandte sie sich meinen Eltern zu. "Ich möchte Sie nicht weiter stören! Hat mich sehr gefreut Herr und Frau Kozume. Haben Sie noch einen schönen Abend!", sagte sie, während sie sich noch einmal verbeugte. Auch meine Eltern verabschiedeten sich von ihr. Sie gesellte sich wieder zu ihrem Bruder und schlenderte mit ihm davon.

"Was für ein nettes Mädchen", sagte mein Vater, der neben mich getreten war und ihr hinterher schaute. "Wirst du Heiligabend mit ihr verbringen?", fragte meine Mutter aufgeregt und mein Kopf ruckte zu ihr herum. "Was?", fragte ich, in der Hoffnung mich verhört zu haben. "Na hör mal, Kenma. Das muss dir doch nicht peinlich sein, dass du eine Freundin hast. Also, wirst du sie Heiligabend ausführen?" Ich starrte sie an. Es wäre die Gelegenheit, ihr zu sagen, dass ich mit Kuroo zusammen war... doch die Worte wollten nicht über meine Lippen. Vor allem nicht nach unserem Streit.

"Sakura ist nicht meine Freundin, Mutter", sagte ich ihr deshalb nur. "Mit wem wirst du dann Weihnachten feiern? Doch nicht etwa mit uns? Oder hast du jemand anderem im Blick? Du solltest nicht mehr zu lange warten, Schatz. In ein paar Tagen ist es schon soweit und du willst doch nicht ohne Verabredung da stehen. Vielleicht kennt Kuroo ein nettes Mädchen, was er dir vorstellen..." - "Mutter!", unterbrach ich ihren Redeschwall energisch. Sie zuckte unter der Heftigkeit und dem Nachdruck in meiner Stimme regelrecht zusammen und sah mich entschuldigend an.

"Tut mir leid, Schatz. Jetzt wo du nicht mehr zu Hause wohnst, hab ich umso mehr Sorgen, dass du nicht genug unter Leute kommst. Wir meinen es doch nur gut...", sagte sie in versöhnlichem Ton und legte ihren Arm um meine Schulter. "Gut gemeint ist aber nicht immer gut gemacht, Mutter! Vielleicht hab ich einfach kein Interesse an Verabredungen, schon einmal daran gedacht?", keifte ich sie an und schüttelte ihren Arm ab. "Kenma, red nicht so mit deiner Mutter!", wies mich meine Vater zurecht, doch sie legte ihm beschwichtigend ihre Hand auf den Arm. "Schon gut. Vielleicht sollten wir jetzt gehen. Sehen wir dich Silvester, Schatz?", fragte sie mich. Ich stand mit dem Rücken zu ihr und musste mich zurück halten, nicht einfach laut los zu schreien. Ich atmete einmal tief ein und aus und drehte mich dann zu ihnen um. "Ich weiß es noch nicht. Es ist grad sehr viel... los und ich muss einige Dinge klären... ich werde mich melden", sagte ich und schaute dabei auf den Boden.

Eine kurze Pause entstand, dann spürte ich, wie meine Mutter direkt vor mir stand und ihre Hände auf meine Schultern legte. "Du weißt, dass du immer zu uns kommen kannst, Kenma, ja? Wir helfen dir, egal bei welchem Problem." Ich musste bei ihren Worten schlucken und nickte. Nein Mutter, dabei könnt ihr mir nicht helfen. Ich umarmte sie und meinen Vater kurz, dann machten sie sich auf in Richtung Parkplatz, während ich die letzten Meter zu unserer Wohnung nahm.

Als ich in die schützenden Stille der Wohnung eintrat, schloss ich die Tür hinter mir und stand dann einfach im Flur. Ich atmete einmal tief durch. Sofort drang mir der Duft von Kuroo, der überall in der Wohnung hing in meine Nase und ließ meinen Atem stocken. Dann, ohne Vorwarnung entwich meinem Mund wieder ein Schluchzen und ich brach auf der Stelle zusammen. Meine Beine knickten ein und ich ließ mich einfach mitten im Flur fallen, rollte mich zu einer Kugel zusammen und ließ meinen Tränen freien Lauf.

Your way into my Heart || Kenma x KurooWhere stories live. Discover now