Angst

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Kuroo PoV

"Kenma?", rief ich quer durch die Wohnung, nachdem ich einen Blick auf mein Handy geworfen hatte. Vor mir auf dem Herd brutzelte unser Frühstück/Mittagessen, welches ich aus den Resten unseres gähnend leeren Kühlschranks gezaubert hatte. Als ich keine Antwort bekam verdrehte ich die Augen. "Keeeeenmaaa!", rief ich noch einmal etwas lauter, doch noch immer blieb Kenma stumm. Ich seufzte, drehte den Herd ab und lief zu seiner Zimmertür. Unbarmherzig hämmerte ich gegen die Tür. "Kenma, ich komm rein, ob du willst oder nicht", rief ich durch die Tür und drückte die Klinke nach unten. 

Zuerst fiel mir auf, wie dunkel es in Kenmas Zimmer war. Die Vorhänge waren vor die Fenster gezogen und nur das Licht des PCs in der Ecke des Zimmers erleuchtete den Raum. Kenma saß zusammengekauert auf dem Stuhl, sein Headset auf dem Kopf und die Kapuze meiner, für ihn viel zu großen Trainingsjacke darüber gezogen. Sein Blick war gebannt auf den flackerten Bildschirm gerichtet und er gab ab und an Anweisungen über das Mikro. Ich musste grinsen und lehnte mich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen. Ich könnte ihn ewig einfach nur anschauen und beobachten. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer und ich spürte ein wenig, wie ich rosa anlief. 

Schnell schüttelte ich den Kopf, nahm ein kleines Kissen von seinem Bett und warf es in seine Richtung. Es traf ihn direkt am Kopf, der nach vorn ruckte und Kenma fast vom Stuhl haute. Erschrocken und verwirrt drehte er sich zu mir, zeigte mir dann den Mittelfinger und ich formte mit meinem Mund die Worte "Frühstück ist fertig!", dann drehte ich mich um, ließ provokant die Tür offen und begann in der Küche mit Tisch decken. 

Fünf Minuten später trottete Kenma aus seinem Zimmer raus. "Musste das sein? Ich hatte gerade ein mega guten Lauf mit meinem Team", murrte er und setzte sich an den Tisch. "Auf meine Rufe hast du nicht reagiert und vor ein paar Tagen hieß es noch, ich soll nicht dauernd in deinem Hintergrund herum springen, also musste ich irgendwie anders deine Aufmerksamkeit auf mich ziehen", sagte ich nur gleichgültig und stellte ihm einen Teller vor die Nase. Er zog sie kraus und erwiderte quengelnd wie ein Kind: "Eigentlich habe ich auch überhaupt keinen Hunger. Ich denke wir gehen heute Abend eh mit Yaku und Yamamoto essen? Da brauch ich doch jetzt nicht so eine riesige Mahlzeit." Ich goss ihm ein Glas Wasser ein und ließ mich nicht erbarmen. "Nix da. Du isst sonst wieder nur Fertigramen und trinkst dein Energygesöff. Außerdem tut es dir auch mal gut, dich ein wenig zu bewegen... und sei es nur vom Schreibtisch ins Wohnzimmer." 

Er streckte mir die Zunge raus und begann zu essen. Ich spießte mir zufrieden ein Stück Tomate auf und grinste ihn an. "Siehst du? Gar nicht so schwer. Und ist es wirklich so schlimm?", fragte ich. Er schluckte seinen Bissen hinter und erwiderte grimmig: "... nein... es schmeckt... gut." Selbstgefällig grinste ich und wir fuhren schweigend fort unser Frühstück zu verschlingen. Irgendwann fragte er: "Wann treffen wir uns heute Abend?" Ich schaute auf die Uhr. "Yaku hat für 18 Uhr bestellt. Oh und Bokuto und Akaashi kommen auch, das hab ich dir noch gar nicht gesagt", sagte ich und sah wie sich seine Miene verfinsterte. Ich wusste, dass er sich mit so vielen Menschen unwohl fühlte, auch wenn es seine Freunde waren. 

"Komm schon, mach nicht so ein Gesicht. Du magst doch Akaashi", versuchte ich ihn aufzumuntern. "Ts, der ist auch nicht das Problem. Die Kombination aus dir und Bokuto ertrage ich nur nicht", erwiderte er genervt und ich musste lachen. Da hatte er nicht gerade unrecht. 

"Ich glaube Bokuto hat wieder was am Laufen", stolperte es dann plötzlich aus mir heraus. Ich habe schon lang den Verdacht, jedoch hat sich irgendwie noch nie die Chance ergeben, es mal mit Kenma auszuwerten. Nicht, dass es ihn sonderlich interessieren würde. Auch jetzt zuckte er einfach nur mit den Schultern. "Und? Ist doch nichts Besonderes dabei. Ist es denn wenigstens etwas Ernstes?", fragte er, während er durch sein Handy scrollte. "Ich weiß nicht. Als ich letztens mit ihm telefoniert hatte, wollte er mir weiß machen, er würde Joggen. Never ever! Ich würde nur gern wissen wer es ist." Er grinste leicht und hob wieder den Kopf. "Egal wer es ist. Solange derjenige ihn glücklich macht ist das doch was Gutes", sagte er so leise, dass ich es kaum verstand. Ich nickte und schaute ihn durchdringend an. "Ich weiß... glücklich sein ist wirklich das wichtigste", sagte ich. 

Er errötete unter meinem Blick und ließ seinen Kopf schnell wieder sinken. Ich räusperte mich und ließ langsam mein Besteck sinken. "Bist du denn glücklich Kenma?", fragte ich ihn. Ich sah, wie sogar seine Ohren rot anliefen. "Kuroo", murmelte er und spielte am Reisverschluss meiner Jacke, die er immer noch trug, herum. "Du weißt, dass ich über sowas nicht gern rede." Ich langte über den Tisch und umfasste seine Hände. "Ich weiß. Aber ich möchte es gern wissen. Es ist mir wichtig, dass wir über solche Sachen sprechen", unterstrich ich und streichelte mit meinen Daumen seine Finger, um ihm ein wenig mehr Sicherheit zu geben. 

Ich beobachtete Kenma genau. Er biss sich auf die Lippe und traute sich immer noch nicht mich direkt anzuschauen. "Ich bin glücklich, Kuroo. Sehr sogar... nur...", er zögerte und ich schaute ihm ermunternd entgegen, auch wenn er den Kopf noch immer nicht heben wollte. "Ich hab... Angst, dass ich nicht... genug für dich bin. Dass ich dir nicht geben kann was du willst. Ich weiß doch, wie sehr du willst, dass wir offen zueinander stehen. Ich weiß, dass dir das so wichtig ist. Aber ich kann dir das momentan einfach nicht geben. Ich hab einfach... Angst." Das letzte Wort flüsterte er und noch immer schaute er mich nicht an. Seine Haare hingen ihm wie so oft wie ein Vorhang vor den Augen und ich konnte keine einzige Mimik erkennen. 

Dann ohne Vorwarnung durchzuckte sein Körper ein Schluchzen und ich sprang überrascht und besorgt auf. Ich umrundete die Tischecke, stellte mich neben ihn und nahm ihn in die Arme. Dabei murmelte ich beruhigende Worte, während er haltlos anfing zu weinen, als ob mit einem Mal ein Damm gebrochen wäre. Ich streichelte leicht überfordert seinen Rücken, denn auch wenn ich Kenma schon ewig kannte und ihn schon in einigen Situationen erlebt hatte, war er doch ein Mensch, der wenig Emotionen an den Tag legte. Umso erschütternder war diese Situation für mich und ich fühlte mich direkt schuldig, ihn mit meiner Fragerei so in Bedrängnis gebracht zu haben. 

"Hey... alles gut... ich bin da...", raunte ich ihm immer wieder ins Ohr, während er sich in mein Shirt krallte und seinen Tränen freien Lauf ließ. Nach einigen Minuten hatte er sich wieder einigermaßen beruhigt und nachdem er sich die Nase geputzt hatte lehnte er einfach nur in meinen Armen wie ein Häufchen Elend. Ich strich ihm sanft über seinen Kopf und streckte dann die Arme etwas aus um ihm in die Augen zu schauen. 

"Du brauchst vor nichts und niemanden Angst haben, Kenma. Ich bin immer für dich da, egal was passiert, ja?" Ich sah ihn durchdringend an und er nickte leicht. "Ich weiß, das sagt sich immer so einfach. Aber wir gehen einen Schritt nach dem anderen. Oder willst du dich... uns für immer verstecken?", fragte ich und hob eine Augenbraue. Erschrocken riss er leicht die Augen auf und schüttelte den Kopf. "Siehst du. Also ganz entspannt", grinste ich und er hob leicht die Mundwinkel, bevor er sich wieder an mich kuschelte. 

Irgendwann vernahm ich ein leises brummen an meiner Brust. "Hast du was gesagt? Wenn ja, dann musst du es nochmal wiederholen", lachte ich leise. Kenma hob leicht sein Gesicht von meinem Körper. "Sakura und Shoyo wissen es", murmelte er leise. Ich stutzte leicht. Das kam jetzt überraschend. "Achso?" Ich dachte kurz drüber nach. Sakura schien in den letzten Wochen sehr freundlich zu Kenma gewesen sein und auch gestern, als er sie zum Training mitgebracht hat, war sie wirklich freundlich. Sie war auf jeden Fall das volle Gegenteil ihres Bruders. "Entschuldige, ich hätte mit dir vorher reden sollen, ob das okay ist, ich wusste, dass du das nicht gut finden wirst... aber glaub mir, Sakura wird es niemanden erzählen und Shoyo ist vielleicht ein wenig aufgedreht, aber er würde mich niemals verraten, also bitte, sein nicht böse ja...?", sprudelte es aus ihm heraus und er schaute mich aus großen Augen an.

Ich musste lachen. "Was denkst du denn von mir? Meinetwegen kann die ganze Welt erfahren, dass du zu mir gehörst!" Ups, das war jetzt vielleicht etwas hochtrabend und übertrieben. Ich spürte wie ich rot wurde und auch Kenmas Wangen nahmen eine tiefere Farbe an. Ich kratzte mir verlegen über den Hinterkopf: "Oh man, entschuldige, das war wohl etwas übertrieben... du weißt schon was ich meine." Er lächelte leicht und schaute mir in die Augen. Dann flüsterte er: "Wenn du willst, können wir es heute den Jungs sagen." Meine Augen wurden wenn möglich noch größer. Dann gab ich ihm einen kleinen Kuss auf die Nase und erwiderte: "Das fände ich wirklich schön." 

Your way into my Heart || Kenma x KurooOù les histoires vivent. Découvrez maintenant