Kapitel 5

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Seoul, 28. Oktober

Jimin/Pov

Ein paar Sonnenstrahlen kitzelten mein Gesicht, was mich widerwillig dazu veranlasste, die Augen zu öffnen. Als ich den Blick durch die ungewohnte Umgebung wandern ließ, beschlich mich kurz ein ungutes Gefühl. Doch das Treffen mit Min Yoongi schlich sich prompt in meine Gedankengänge und ließ mich erleichtert ausatmen. Verträumt ließ ich meine Finger an die Stelle wandern, an denen er mich versehentlich berührt hatte. Wieso fühlte ich mich denn nur so angezogen zu diesem Kerl? Nur weil er mich gerettet hatte?

Ich schälte mich umständlich aus der warmen Wolldecke und griff nach meinem Smartphone, dass durch den Sturz leider einen Sprung erlitten hatte. Als ich die unzähligen Nachrichten darauf entdeckte, erhob ich mich erschrocken von der bequemen Couch.

Taehyung und Jin hatten mich dutzend Mal angeschrieben und panische Voicemails auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen. Sie hatten sich scheinbar große Sorgen um mich gemacht. Kein Wunder. Ich hätte ihnen Bescheid geben müssen, dass ich die Nacht über nicht nach Hause kommen würde. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie meine besten Freunden sich gegenseitig verrückt gemacht und vermutlich die halbe Stadt auf den Kopf gestellt hatten.

Schnell tippte ich Taehyung eine Nachricht, dass alles in Ordnung war und ich jeden Moment nach Hause kommen würde. Auf eine mögliche Strafpredigt machte ich mich allerdings trotzdem gefasst.

Seufzend schlurfte ich in die Küche, um Yoongi Bescheid zu geben, dass ich ihn wieder alleine lassen würde, doch ich fand nur eine kleine Notiz vor.

„Bin mit meinem Hund spazieren. Deine Klamotten hängen noch über der Heizung. Falls du nachher abhaust, dann pass auf die Haustür auf. Sie klemmt manchmal und lässt sich nur schwer schließen. Ich hab keinen Bock, auf neugierige Nachbarn oder auf irgendwelche Einbrecher, die meine Wohnung leerräumen."

Unwillkürlich musste ich schmunzeln, besonders weil ich mir vorstellte, wie er diesen Zettel geschrieben haben musste.

Doch ein helles Bellen ließ meine Mundwinkel sofort wieder nach unten sinken. Irritiert starrte ich auf den Boden, wo ein entzückender brauner Zwergpudel um meine Beine herumwuselte.

Ungläubig schüttelte ich den Kopf. „Solltest du nicht eigentlich mit Yoongi unterwegs sein?"

Wieso behauptete er denn, mit seinem Hund Gassi zu gehen, wenn es überhaupt nicht stimmte? Oder wollte er mich einfach vergraulen?!

Vielleicht hatte er es ja bereut mich hier übernachten zu lassen. Aber warum auf einmal? Gerade als ich mich zu dem kleinen Fellknäul beugen wollte, um es ein wenig zu kraulen, fiel mir das weiße Pulver auf, das auf der Küchentheke verstreut lag und wahrscheinlich aus einer, der kleinen Plastiktüten stammte.

Vor Entsetzen weitete ich meine Augen, mein Herz setzte einen Schlag aus. Das durfte doch jetzt nicht wahr sein! Das war doch...

Überstürzt stürmte ich aus der Küche und sammelte meine übrigen Klamotten ein. Damit gewappnet verließ ich umgehend seine Wohnung und knallte lautstark die Tür hinter mir zu.

Im Treppenhaus wäre ich beinahe über meine eigenen Füße gestolpert, doch ich fing mich rechtzeitig wieder und hastete so schnell die Stufen nach unten, als wäre der Teufel persönlich hinter mir her.

Der Himmel hatte glücklicherweise aufgeklart, doch die Luft war merklich heruntergekühlt und kroch mir bis in die Knochen. Fröstelnd zog ich den weiten Pulli enger um mich und beschleunigte den Schritt, diesmal sehr darauf bedacht niemanden über den Haufen zu rennen.

Irgendwann stand ich endlich vor unserer Haustür und klingelte erst einmal Sturm, da ich meinen Schlüssel nicht bei mir hatte.

Ein aufgebrachter Taehyung tauchte hinter der Tür auf und zog mich in eine so feste Umarmung, dass ich beinahe keine Luft mehr bekam.

„Bist du eigentlich komplett bescheuert?! Weißt du was wir uns für Sorgen gemacht haben?! Wir dachten dir wäre sonst was passiert! Außerdem gab es gestern Abend eine kleine Rangelei ganz in der Nähe. Wir haben bei jedem Polizeirevier angerufen und nach dir gefragt! Jin Hyung hat sich so viele Vorwürfe gemacht, weil er dich nicht mit nach Hause genommen hat!", schrie er mir fast ins Ohr, dass ich kaum merklich zusammenzuckte. Schuldbewusst biss ich mir auf die Unterlippe, versuchte allerdings meinen besten Freund von mir zu lösen, damit ich wieder ungehindert nach Luft schnappen konnte.

„Es tut mir leid, Tae. Ich wollte euch nicht so erschrecken."

Er entließ mich aus seiner Umklammerung. „Was war denn los? Wieso hast du dich nicht gemeldet?! Was trägst du da überhaupt für Klamotten? Die sind doch nicht von dir."

Ich senkte verlegen den Blick. „I-ich hab gestern jemanden getroffen", murmelte ich leise, doch im selben Moment kam auch schon Seokjin in den Flur gestürmt und zeigte mahnend mit dem Finger auf mich. „Wo zum Fick hast du gesteckt?!", rief er aufgebracht und stieß Taehyung zur Seite.

Mittlerweile kam ich mir vor, wie ein Schwerverbrecher, der sich gerade einem Verhör unterziehen musste. Wobei der „Schwerverbrecher" in diesem Fall vermutlich jemand ganz anderes war.

„Ich hab bei Yoongi übernachtet", meinte ich wahrheitsgemäß und versuchte meine zugeschnürte Kehle zu ignorieren.

Jin zog forsch die Augenbrauen nach oben und musterte mich skeptisch. „Wer ist denn jetzt auf einmal Yoongi?"

„Niemand. Nur irgendein Bekannter. Das ist nicht weiter wichtig."

„Ach ja? Und woher kennst du ihn?", bohrte der Ältere nach, während er nur etwas überfordert zwischen uns beiden hin und her sah.

„E-eigentlich kenn ich ihn überhaupt nicht. Gestern hat mich so ein bulliger Typ blöd angemacht, weil ich ihn unabsichtlich umgerannt habe und dieser Yoongi hat mich vor ihm beschützt. Ich konnte bei ihm übernachten und mir frische Klamotten anziehen. Aber das wars auch schon", erwiderte ich hastig und verlagerte den Blick dabei auf den Boden.

„Das heißt also du warst wirklich bei dieser Rangelei beteiligt, die sie im Radio durchgegeben haben?!", platzte Taehyung plötzlich dazwischen.

„Das war ja nicht meine Schuld. Dieser Typ war echt respektlos und wollte mich gleich verprügeln. Das hätte er auch wäre Yoongi nicht gekommen."

„Und du scheinst total verschossen zu sein in diesen Yoongi", meinte Tae amüsiert und knuffte mir in die Seite.

„Schwachsinn! Er hat mir nur geholfen, aber ansonsten will ich gar nichts mit ihm zu tun haben", protestierte ich wütend, doch es war nichts weiter, als eine dreiste Lüge.

Aber der Anblick des verräterischen weißen Pulvers hatte sich in meinen Gedanken festgesetzt. „Ich hab durch die Aufregung völlig vergessen mich bei euch zu melden und das tut mir ehrlich leid", sagte ich kleinlaut und wartete vorsichtig auf ihre Reaktion.

Jin seufzte ausgiebig und wuschelte mir durch die Haare. „Wir sind dir nicht böse, Jimin. Wir sind nur heilfroh, dass dir nichts passiert ist."

Auch Taehyung nickte bekräftigend. „Du hättest Jin Hyung sehen sollen. Er hat fast die ganze Wohnung auseinander genommen."

Dieser verpasste meinem besten Freund einen Stoß gegen den Oberarm. „Ich hatte eben Angst um unseren kleine Mochi", meinte er sanft und streichelte über meine Wange.

Ich rang mir ein krampfhaftes Lächeln ab. „Und dieserkleine Mochi, möchte jetzt kurz mal ins Badezimmer", ich drängte mich an denbeiden vorbei, vor allem damit sie meine Tränen nicht sehen konnten.

Im Bad verriegelte ich die Tür und ließ mich langsam auf die Fließen sinken. Dabei rochich ganz unauffällig an dem Pulli, der aber nur nach Waschmittel roch undkeinen speziellen Körperduft an sich hatte.


Vielen lieben Dank fürs lesen😊

Your Eyes Tell //YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt