Kapitel 17

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Seoul, 29. Oktober

Jimin/Pov

„Möchtest du mir vielleicht irgendwas erklären, Jimin?", fragte Jin mich nun schon zum hundertsten Mal und machte dabei Anstalten, als würde er einen Schwerverbrecher verhören. Hoffnungslos seufzte ich. Nicht etwa, weil es mir schon im Allgemeinen schwer fiel, ihn wieder zu beruhigen, sondern vielmehr, weil ich selbst noch versuchte meine Gedanken ordentlich zu sortieren. Von dem Gefühlchaos, das Yoongi in meinem Magen verursacht hatte und dort nun dutzende, verzückter Schmetterlinge umherflatterten, mal ganz zu schweigen.

„Da gibt es nicht viel zu erklären, Hyung. Ich weiß doch auch nichts Genaues über diesen Yoongi. Wir haben uns gestern erst kennengelernt."

„Und genau das ist mein Problem! Du kannst doch nicht einfach deine Zunge in den Hals eines Fremden stecken! Wer weiß denn schon, wie der Kerl in Wirklichkeit drauf ist! Vielleicht ist das ja nur eine Masche von ihm, um dich flachzulegen! Von diesem Zwischenfall mal ganz zu schweigen!", platzte es aus Jin heraus, der sich wütend an unserem Geschirrspüler vergriff, obwohl der Arme noch am wenigsten dafür konnte.

„Ich hab keine Ahnung, was diese Auseinandersetzung im Café zu bedeuten hatte! Naja zumindest nicht genau", meinte ich kleinlaut und fixierte dabei einen beliebigen Punkt an der Wand.

Jin zog misstrauisch die Brauen nach oben. „Was soll das denn heißen? Was verschweigst du mir, Jimin?"

Angestrengt kniff ich die Lippen aufeinander und hoffte inständig, dass demnächst irgendein glücklicher Zufall passieren würde, bei dem entweder unsere Haustür klingelte oder das Telefon sich bemerkbar machte.

Doch stattdessen tauchte Taehyung im Türrahmen auf und musterte uns kritisch.

Als sein Blick auf meine bandagierte Hand viel, runzelte er besorgt die Stirn. „Was ist passiert?"

Jin drehte sich zu unserem Mitbewohner und verschränkte schnaubend die Arme vor der Brust. „Ich durfte heute zum ersten Mal Jimins Freund kennenlernen."

„Hyung. Er ist nicht..."

„Du meinst Jimins ominösen Retter, auf den er so einen Crush hat?", quietschte Taehyung theatralisch, was Yeontan dazu veranlasste, freudig um meine Beine zu wuseln. Genervt schüttelte ich den Kopf. „Yoongi und ich sind nicht zusammen", wehrte ich ab und nahm den flauschigen Zwergspitz auf meinen Arm. Augenblicklich fing der Kleine an fröhlich zu hecheln.

„Deswegen habt ihr euch auch geküsst, richtig?", meinte Jin provokant und musterte mich eindringlich, während Taehyungs Kinnlade beinahe auf den Boden klappte. „Mein kleiner Chim hatte wirklich seinen ersten Kuss?!"

„Wieso müssen wir denn jetzt so eine große Sache daraus machen?", jammerte ich flehend, doch Jin gab lediglich ein verbittertes Lachen von sich. „Falls du es schon wieder vergessen hast, dir wurde vorhin beinahe die Hand aufgeschlitzt, wegen deinem ach so tollen Yoongi."

Taehyung riss entsetzt die Augen auf und sah etwas überfordert zwischen uns beiden hin und her.

Ich sog umständlich die Luft ein. „Yoongi kann ja wohl am wenigsten was dafür. Das war wahrscheinlich nur wegen den Drogen...", erschrocken biss ich mir auf die Unterlippe und hätte am liebsten das eben gesagte wieder zurück in meinen Mund befördert.

„Drogen?!", schrie Jin entrüstet und ließ vor Schreck eine Gabel fallen, die klirrend mit dem Parkett kollidierte. Yeontan fing wild an zu bellen, weshalb ich ihn kurzerhand wieder aus meiner Umklammerung entließ.

Ich senkte verlegen den Blick und inspizierte ausgiebig unseren Boden, während meine Unterlippe dem Druck meiner Zähne standhalten musste. „I-ich... ich hab in Yoongis Wohnung vielleicht ein bisschen...also ich weiß nicht genau was es war aber...es war irgend so ein weißes Pulver...wahrscheinlich Kokain..."

„Kokain?! Kokain!! Und du hast bei diesem Kerl übernachtet? Gott, der hätte dir ja sonst was antun können! Du kannst dich doch nicht einfach von einem Drogenjunkie küssen lassen!", kreischte Jin hysterisch und packte mich bei den Schultern, dass ich gezwungen war ihn anzusehen. Seine entgleisten Gesichtszüge machten den Eindruck, als hätte man ihm einen Dolch an die Brust gesetzt.

„Jimin bei aller Liebe, aber weißt du eigentlich, was du dir damit antust!?"

„Ich bin euch doch überhaupt keine Rechenschaft schuldig, was mein Liebesleben angeht!", meinte ich empört und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.

„Doch das bist du, mein Lieber! Zumindest solange du unter meinem Dach wohnst!", tadelte mein Mitbewohner und hob mahnend den Zeigefinger.

Unauffällig verdrehte ich die Augen. „Ich bin ein einundzwanzig, Jin und ganz bestimmt kein kleines Kind mehr! Außerdem ist Yoongi eigentlich ganz in Ordnung."

„Naja, wenn er wirklich was mit diesem Kokain am Hut hat, ist er bestimmt nicht 'ganz in Ordnung'", schaltete Taehyung sich nun in unser Gespräch ein, wofür ich ihn mit einem grimmigen Blick strafte.

„Und was ist mit diesem blonden Kerl aus dem Café? Den du mit deinen Blicken fast ausgezogen hast?", entgegnete ich, als meine Augen wieder zu Jin wanderten.

Für einen kurzen Moment wirkte es so, als würde er die Fassung verlieren, doch er fing sich auch genauso schnell wieder. „Das ist doch jetzt überhaupt nicht das Thema!"

Taehyung quiekte empört. „Ihr beiden habt also zwei potenzielle Lover und ich weiß noch nichts davon?!"

„Also unter potenziell versteh ich was anderes", meinte Jin seufzend und schüttelte den Kopf. „Warum musste es denn ausgerechnet ein Drogenjunkie werden?! Es gibt doch auch genug andere Männer, die bei dir Schlange stehen würden."

„Aber niemand würde in mir das Gleiche auslösen können, wie Yoongi. Ihr könnt das nicht verstehen", erwiderte ich bissig und blinzelte mühsam die Tränen zurück.

Dass meine besten Freunde, sich nicht mit dem Gedanken anfreunden konnten, dass Yoongi vielleicht der erste Mann war, der es schaffte mich glücklich zu machen, ließ mein Herz das Gewicht eines Backsteins annehmen. Ich konnte meine Gefühle ja auch noch nicht richtig einordnen, genauso wenig wie den Schwarzhaarigen selbst. Aber momentan sehnten sich meine Lippen nach seinen Küssen und meine Haut nach den kribbelnden Berührungen seiner Finger.

Doch in einem Punkt musste ich Jin schon rechtgeben. Warum ausgerechnet Drogen?!

Jin legte mir beide Hände auf die Schultern und sah mir eindringlich in die Augen. „Ich will, dass mir etwas versprichst, Jimin. Wenn dieser Yoongi dir auch nur ansatzweise merkwürdig oder gefährlich vorkommen sollte, dann wirst dich sofort von ihm distanzieren, verstanden?"

Unwillkürlich schmunzelte ich, wegen diesem überfürsorglichen Verhalten und schielte neugierig zu Taehyung, da dieser einen lauten Seufzer von sich gab. Er steckte seine Hände in die Hosentasche und lächelte schief. „Da muss ich Jin sogar ausnahmsweise mal zustimmen. Aber wir können dir deine Gefühle wohl schlecht verbieten. Du solltest diesen Yoongi allerdings schon mal vorwarnen. Wenn er dir das Herz bricht, dann breche ich ihm noch ganz andere Körperteile!"

Mit einem unterdrückten Kichern kommentierte ich die Gewaltfantasien meines besten Freundes. Auch wenn ich mir fast sicher war, dass die beiden im Ernstfall wirklich zu solchen Mitteln greifen würden!


Vielen lieben Dank fürs lesen💜😊

Your Eyes Tell //YoonminWhere stories live. Discover now