Kapitel 34

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Gangnam, 15. November

Da Jimin viel zu schwach war, um auf eigenen Beinen zu stehen, geschweige denn zu laufen, hatte Yoongi ihn kurzerhand hochgehoben und wie eine frisch verheiratete Braut zu den Sanitätern getragen.

Er wurde sofort in eine goldene Wärmedecke gehüllt und nach seinen Vitalwerten untersucht. Doch das Meiste schien er gar nicht mehr mitzukriegen, da seine Augen schon halb geschlossen waren.

Yoongi saß neben Jimin auf der Liege und hatte seine starken Arme um dessen zierlichen Körper geschlungen. Die Sanitäter hatten ihm einen Pulsmesser angelegt und seine Wunde desinfiziert.

„Du warst so tapfer, Engel", hauchte Yoongi liebevoll. „Endlich hab ich dich wieder. Und jetzt werde ich auch dafür sorgen, dass dich mir niemand mehr wegnimmt."

Das Bewusstsein, dass es Yoongis Körper war, der ihm diese fehlende Wärme spendete und den nötigen Halt gab, ließ Jimins Herz in doppelter Geschwindigkeit schlagen. Diese Geborgenheit hatte ihm in den letzten Tagen so sehr gefehlt!

Andauernd tauchten die vergangenen Bilder seiner Entführung in Jimins Kopf auf. Am präsentesten davon waren allerdings Sung Jins Schreie und sein ersticktes Röcheln, als Jungkook ihm das Messer in die Brust gerammt hatte. Nie würde er seinen verzerrten Gesichtsausdruck und das viele Blut, das aus seinem Körper rausgequollen war, vergessen.

„Yoongi", wimmerte Jimin leise, weshalb der Schwarzhaarige ihn sofort mit weiteren Küssen übersäte. „Shh. Ich bin bei dir, Engel."

Jimin kuschelte sich an Yoongi und steckte seine Nase in dessen Pulli, wo ihn ein himmlischer Duft erwartete. Nirgendwo hätte sich der Blonde gerade wohler fühlen können.

Einer der Sanitäter befreite Jimin von dem Pulsmesser und nickte zufrieden, als er den Blutdruck seines Patienten näher betrachtete. „Sie können ihren Freund jetzt gerne mit nach Hause nehmen. Aber achten Sie darauf, dass er genug Flüssigkeit zu sich nimmt und sich auch entsprechend warm hält. Rein körperlich ist mit ihm soweit alles in Ordnung, aber ich lege es Ihnen sehr ans Herz, einen Psychologen aufzusuchen. Ihr Freund hat einiges zu verarbeiten und ohne professionelle Hilfe wird das vermutlich schwierig für ihn", meinte er und lächelte mitfühlend.

Yoongi nickte nur etwas abwesend, weil er seine vollste Aufmerksamkeit dem blonden Koreaner zuwendete, der sich mit den kleinen Fingern an seinem Pulli festgekrallt hatte und schon halb weggedöst war. Es war einer der schönsten Anblicke, seit Langem. Besonders, weil Yoongi nun wusste, dass Jimin endlich in Sicherheit war.

„Nehmt eure Griffel von mir!", ertönte plötzlich eine tiefe Stimme, die Yoongi hasserfüllt den Kopf heben ließ und Jimin unwillkürlich zum Zittern brachte.

Der Schwarzhaarige beobachtete abwertend wie Jungkook von Kommissar Park zu einem der vielen Streifenwägen gezerrt wurde. Die beiden waren von einem Meer aus blinkenden Blaulichtern umgeben.

Wäre Jimin nicht in Yoongis Armen gewesen, hätte er sich ohne mit der Wimper zu zucken auf den Brünetten gestürzt und ihm die Seele aus dem Leid geprügelt. Das hätte der Kerl mehr, als nur verdient!

Er konnte sich nicht mit der Tatsache anfreunden, dass dieser Mann dort einer seiner Familienmitglieder war. Das wollte Yoongi einfach nicht wahr haben!

Jungkooks Blick begegnete dem des Schwarzhaarigen und veranlasste ihn dazu ein hinterlistiges Grinsen aufzusetzen. Doch es machte eher den Eindruck, als wollte er Yoongi gegenüber seine Zähne fletschen. Der Schwarzhaarige gab sich zumindest alle Mühe, die Fassung nicht zu verlieren.

Taehyung, der sich etwas abseits von dem Krankenwagen positioniert hatte, beobachtete das ganze Schauspiel mit verweinten und vor Fassungslosigkeit aufgerissenen Augen. Er wirkte schon beinahe wie hypnotisiert und machte auf Yoongi den Eindruck, als würde er gleich in sich zusammenbrechen.

Für einen kurzen Moment öffnete Taehyung den Mund, als wollte er Jungkook noch irgendetwas mitteilen. Doch eine imaginäre Blockade hatte sich in dessen Luftröhre aufgebaut und erstickte alle seine Wörter.

Taehyung sah stumm dabei zu wie sein, bis vor kurzem noch fester Freund von den Beamten in einen Streifenwagen gestoßen wurde, bevor er schwankend in Richtung Krankenwagen lief.

Wortlos setzte er sich auf die Liege und legte seine Arme um Jimin.

Yoongi beobachtete den Jüngeren mitfühlend. „Es tut mir Leid, Taehyung."

Der Angesprochene hob kurz den Kopf und sah dem Schwarzhaarigen reuevoll in die Augen. „Nein, mir tut es leid. Ich hätte dir einfach von Anfang an vertrauen sollen, anstatt dich zu verurteilen. Gott, wenn ich gewusst hätte, dass Jungkook...ich dachte doch nicht...ich meine, ich hätte im Leben nicht erwartet..."

„Hey", meinte Yoongi sanft und schüttelte wissend den Kopf. „Ist schon gut, Taehyung. Du kannst nichts dafür."

„Er hat recht", murmelte Jimin plötzlich schwach und musterte seinen besten Freund unter glasigen Augen. „Das ist allein Jungkooks Schuld."

„Und Kais", fügte Yoongi knurrend hinzu. „Wie gern würde ich diesen Mistkerl erwürgen."

Jimin wimmerte dumpf. „Hör auf, Yoongi. Bitte, keine Gewalt mehr."

Der Schwarzhaarige presste den Kleinen behutsam gegen seinen Körper, wobei er auch Taehyung näher zu sich zog.

„D-dachtet ihr wirklich, Yoongi hätte mir das alles angetan?", fragte der zitternde Blondschopf nun an seinen besten Freund gewandt, welcher sich etwas schuldbewusst auf die Lippe biss. „Naja, es hat ja auch alles für ihn gesprochen. Ich wollte dich einfach nur wieder haben Chim, da war es mir ehrlichgesagt auch scheißegal, was mit Yoongi passiert. Aber das war nicht richtig."

Taehyung warf Yoongi erneut einen entschuldigenden Blick zu, als eine hysterische Stimme, die schrillen Sirenen übertönte.

„Jimin!?!"

Jin kam, mit Namjoon im Schlepptau auf die drei zugestürmt und schubste jeden achtlos zur Seite, der ihm den Weg versperrte.

Jimin hatte den Älteren sofort zur Kenntnis genommen und brach deshalb abermals in Tränen aus. Schluchzend und mit seinen letzten Kräften streckte er Jin die Arme entgegen und ließ sich von seinem Mitbewohner so fest in die Arme nehmen, dass Yoongi und Taehyung erschrocken zur Seite wichen.

Die Beiden übertönten sich beinahe mit ihren Schluchzern und krallten sich so sehr aneinander fest, als wäre es ihre letzte Rettung vor dem Ertrinken.

Auch Namjoon wollte dem Blondschopf eine Hand auf die Schulter legen, doch Jin wehrte sie sofort ab und zog Jimin näher an sich heran. Als wollte er ihn schon vor einem harmlosen Windzug beschützten.

„D-danke! I-ich danke euch!", brachte Jin schwerfällig unter den ganzen Schluchzern hervor.

Man musste nicht lange raten an wen seine Worte gerichtet waren. An die beiden Menschen, die dafür gesorgt hatten, dass er seinen kleinen Mochi wieder in die Arme schließen konnte.


Es kommen noch drei Kapitel, dann ist die Story offiziell beendet🙈💜

Vielen lieben Dank fürs lesen😊💜


Your Eyes Tell //YoonminWhere stories live. Discover now