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Tyler POV

Heute morgen dachte ich eigentlich, es soll ein toller Tag werden. Es war Lias erster offizieller Tag auf der Schule und sie war so glücklich mit dieser Entscheidung, wir natürlich auch. Als sie sich dann noch das Schwimmteam anschauen wollte, waren wir mehr als positiv überrascht.
Die ganzen Monate, die Lia schon bei uns ist, war ich so oft vor dem Aufgeben. Eigentlich jeden Tag habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass wir ihr helfen können. Es war einfach nur schrecklich, wie sie mit den normalsten Dingen überfordert war. Oder die ganzen Alpträume jede Nacht, die Angst und das Wegzucken bei Berührungen, die Panik, wenn sie dachte, dass sie irgendwas falsch gemacht und wir sie bestrafen wollen.
Ich weiß nicht, wie oft ich Cole gesagt habe, dass wir das nicht schaffen. Wir haben sogar das Jugendamt und die Familienhilfe zur Hilfe dazu geholt. Diese sind aber auch an einem Punkt angekommen, wo sie gesagt haben, dass Lia in eine Art betreutes Wohnen oder in eine Klinik muss, falls wir an dem Punkt kommen, an dem gar nichts mehr geht.
Wir wollten das aber nicht, wir konnten sie nach all dem, was passiert ist nicht „weggeben." also haben wir uns dadurch gekämpft.

Seit letzter Woche ist der ängstliche, panische Blick von meiner kleinen Schwester verschwunden. Ihre Augen sind nicht mehr so trostlos und emotionslos, beim Erzählen von der Schule blitzen sie vor Freude sogar manchmal auf. Und genau da fiel mir ein riesengroßer Brocken vom Herz. Natürlich wird nicht auf einem Schlag alles wieder gut, aber ich denke Stück für Stück geht es mehr als bergauf. Jetzt hatten wir sogar eine Therapeutin gefunden, die sich entschlossen hat Lia zu behandeln und sie sogar auf genau diese Fachrichtung - häusliche Misshandlung und PTBS- spezialisiert ist. Alle anderen haben Lia abgelehnt, mit der Begründung, dass sie zu Jung sei, austherapiert oder sie überfordert mit Lia wären.  Die Therapeutin klang viel versprechend, und ich habe nur gutes von ihr gehört. Und das beste war auch noch, dass sie wenige Minuten von Lias Schule entfernt war und es sogar eine Busverbindung gab.

Cole war ebenfalls begeistert und Lia war jetzt auch nicht komplett abgeneigt. Natürlich mussten wir sie dazu überreden, wieder in Therapie zu gehen aber mittlerweile wusste meine Schwester glaube ich auch, dass es ihr gut tut.

Als dann heute Nachmittag der Anruf von Dr. Petersen kam, war ich mehr als schockiert. Sie wartet schon eine halbe Stunde auf Cole und sie erreicht ihn nicht und es wurde auch nichts abgesagt.
Direkt kam die Panik in mir hoch, dass meinem Bruder etwas passiert ist. Cole ist Zuverlässigkeit in Person, niemals, würde er Lia vergessen oder vergessen Bescheid zu sagen.

Und als ich dann noch meine Schwester schluchzend am Telefon hatte, gingen alle Lichter aus. Ich stand mitten im OP, mit meiner Hand in dem Herzen eines Patienten. Am liebsten hätte ich sofort alles stehen und liegen gelassen, um Lia abzuholen.
Nachdem ich meiner kleinen Schwester versprochen habe, sie irgendwie zeitnah abzuholen, schickte ich einen Assistenzarzt los, um bei meinen Brüder Telefonterror zu machen.
Es tat mir unfassbar leid für ihn, denn das ist definitiv nicht sein Job und ich weiß es wirklich zu schätzen, dass er das für mich getan hat.

Nach zwanzig Miniten berichtete er mir, dass er einen meiner Brüder erreicht hat und Lia somit abgeholt wird. Mit dieser Information konnte ich erstmal beruhigt weiter operieren. Doch das dauerte nicht lange an, keine fünf Minuten später ging erneut das Telefon, es war Alex. Er erzählte mir, dass er gerade auf dem Weg war Lia abzuholen, er sie aber nur zu Cole brachte und Cole sie zu mir bringen konnte, da sie alle in einem Einsatz wären.
Komplett wütend auf meine Brüder ließ ich nun jetzt doch einen Kollegen anpiepen. Ich war zu wütend, um diese OP zu beenden.

Im Büro packte ich meine Sachen zusammen und machte mich schonmal auf den Weg nach draußen. Cole hat mir vor wenigen Minuten geschrieben, dass sie wohl in spätestens in zehn Minuten hier wären. Die Zeit, in der ich wartete, rief ich die Therapeutin an, weil Lia heute hingehen sollte. Ich erklärte ihr die Situation und entschuldige mich. Zum Glück hatte sie direkt morgen ein neuen Termin frei.

shit happens - my complicated lifeWhere stories live. Discover now