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Max Worte trafen mich. Als ich zu Cole blickte,  sah ich, dass es ihm nicht anders ging. Und ja Max hatte Recht. Wir haben uns nicht gut genug um die Jungs gekümmert, seit Lia da ist.
Lia mache ich da keinen Vorwurf, sie brauchte die Zuwendung und Fürsorge. Die Jungs brauchten das aber auch. Wir sind ihre Erziehungsberechtigten, ihre Brüder, ihre Familie. Genauso wie Lia es ist. Wie Max es schon gesagt hat, sie haben ebenfalls ihre Eltern verloren.
Cole, Fynn, Jacob und ich waren nicht wirklich vom Tod unserer Eltern betroffen. Wir hatten keine Bindung und wussten, was sie für Eltern sind. Spätestens als wir die ganze Misshandlung an Lia herausgefunden haben. Aber für meine jüngeren Geschwister war es schlimm, denn sie wissen nichts von deren Handlungen. Wir haben es ihnen nie wirklich erzählt. Das es ihnen selbst nicht so gut bei unseren Eltern erging, verdrängten sie, was auch total normal. Was „Dad" Lia angetan hat, haben sie nie erfahren aber ich denke so langsam wäre es mal Zeit. Dafür bin aber nicht ich verantwortlich, sondern Lia.

Es herrschte eine ziemlich lange Stille im Raum, irgendwann räusperte sich Jacob. Von ihm hätte ich es jetzt am wenigsten erwartet.
„Ihr habt recht. Ich bin zwar nicht rechtlich für euch verantwortlich aber ich bin euer Bruder. Wir haben euch im Stich gelassen und nicht gesehen, dass ihr mit der Situation oder eher mit den ganzen Situationen nicht ganz klar kommt. Mum und Dad habt ihr als liebevolle Eltern im Kopf, die immer nur das beste wollten und sie euch somit zu uns gebracht haben, beziehungsweise Tyler und Cole das Sorgerecht überlassen haben. Das stimmt so aber nicht. Den beiden wurde das Sorgerecht für euch, entzogen. Habt ihr euch mal gefragt, warum wir alle direkt ausgezogen sind? Wir wollten einfach nur von zu Hause weg, denn unsere Eltern verstanden nichts von einer friedlichen, pädagogischen und kindgerechten Erziehung. Deswegen seid ihr auch, sobald es möglich war, zu uns gezogen.
Leider war das Jugendamt der Meinung, dass sie nur gegenüber Jungs so wären, weswegen ist Lia nicht schon von Anfang an zu uns gekommen. Unsere Eltern waren keine Eltern für uns, deswegen hat uns deren Tod auch nur wenig getroffen. Ich denke, wir haben das ganze auch ein wenig auf euch projiziert. Das war ein Fehler.
Wir wissen, dass ihr Probleme habt. Wie jeder andere Teeni eben auch, wir waren ebenfalls mal jung. Wir arbeiten sehr viel und sind eingespannt in unsere Jobs aber das sollte definitiv keine Entschuldigung oder Ausrede sein. Denn an erster Stelle solltet ihr stehen, wir reißen uns jeden Tag für Lia den Arsch auf, gucken, dass immer jemand zu Hause ist, machen Minusstunden. Das würden wir auch jederzeit für euch machen, wenn ihr in einer ähnlichen Lage beziehungsweise so dass ihr das auch benötigt, wie sie wäre.
Jedoch haben wir es einfach ein wenig verkackt in dieser Zeit auch komplett für euch da zu sein. Eure Probleme so ernst zu nehmen, wie wir sollten. Und dafür möchte ich mich entschuldigen, oder ich denke, ich spreche für alle, dass wir uns entschuldigen möchten."

„Besser hätte ich es nicht sagen können. Es tut uns unfassbar schrecklich leid, dass wir nicht gesehen haben, was euch fehlt. Wir haben immer nur diese Wut auf Lia gesehen und eure ganzen Fehlverhalten. Aber nie haben wir es wirklich hinterfragt. Ich habe es immer auf die Pubertät geschoben, vielleicht stimmte es teilweise. Aber trotzdem hätten wir handeln müssen, was wir nicht getan haben. Umso wichtiger ist es, dass ihr mit uns über so etwas spricht. Nur so können wir uns ändern, denn ich weiß nicht, wie lange wir gebraucht hätten und genau das zu sehen, was ihr gerade angesprochen habt. Bitte fühlt euch nicht von uns vernachlässigt, wie Jacob schon gesagt hat, alles was wir für Lia machen, würden wir für jeden einzelnen von euch machen." fügte Cole hinzu.

Nachdem Fynn und ich unsere Worte auch noch los geworden sind, entspannten sich die Blicke von den Jungs. Dieser Moment war so wichtig. Außerdem diskutierten wir noch eine Weile über unsere Eltern und ich versuchte zu erklären, was genau passiert ist.

„Da wir jetzt so schön gerade zusammen sitzen, wäre ich dafür, dass ganze in die Realität umzusetzen. Es wird Regeln geben, für uns alle. Jeder darf Regeln vorschlagen. Lia ist zwar gerade nicht dabei, jedoch können wir ihre einfach noch dazufügen. Also Vorschläge?" eröffne ich die Diskussion.

„Punkt eins wäre definitiv die Kommunikation. Wenn jemand Hilfe braucht, nicht zurecht kommt, sich unfair behandelt fühlt oder irgendwas anderes ist, kommt derjenige zu uns und sagt Bescheid." wirft Cole direkt in den Raum.
„Ist genehmigt, Jacob schreib es auf." trage ich meinen Bruder auf, „und wenn jemand nach Hilfe fragt oder benötigt, ein Probleme hat oder Ähnliches wird demjenigen geholfen, auch wenn man mal dafür zurückstecken muss. Das gilt für jeden." fügte ich direkt noch hinzu.

„Wir machen mindestens einmal die Woche einen Familientag/-Abend. Also zum Bepsiel gehen wir alle zum Strand, spielen Spiele oder so." schlägt Max vor. Es kam ein einstimmiges Nicken von allen.

„Niemand wird ausgeschlossen, egal ob kleine Schwester, Bruder oder großer Bruder." kommt von Liam. Ich schaue ihn überrascht an, dass hätte ich nicht von ihm erwartet.

Wir stellten noch mehr Regeln auf, dass jeder immer weiß, wo man ist, jeder im Haushalt hilft und so weiter. Nachdem alle mehr oder weniger zufrieden waren. Leite ich zum eigentlichen Grund über.

„Also weswegen ich euch eigentlich zusammen gerufen habe, ist, dass wir einteilen, wer wann wie Lia zur Schule bringt und abholt. Ich würde mir wünschen, von euch vieren, dass ihr zumindest einmal die Woche fahrt. Ihr müsst dafür natürlich nicht auf das Training verzichten und sollt auch nicht eingeschränkt in eurer Freizeit sein. Ich weiß, dass ihr dreimal die Woche Training habt. Lia hat Nachmittagsunterricht, dass heißt ihr könnt sie teilweise auch nach dem Training abholen oder wenn ihr Freistunden morgens habt auch zur Schule fahren. Beziehungsweise ist Mittwochs ja eh erst später Training, dann könnt ihr sie dazwischen holen. Ich habe hier einen Plan, der sich wahrscheinlich nochmal ändern wird, da wir morgen einen Termin beim Arzt haben und sie dort regelmäßig hin muss. Hinzu kommt noch, dass Lia eventuell in irgendein Sportteam geht und somit länger Schule hat. Wie gesagt, wir fänden es toll, wenn ihr zumindest einmal die Woche fahrt, wenn es aber nicht immer geht, dann geht es nicht. Tauschen könnt ihr auch, aber bitte rechtzeitig mit Absprache, sodass geklärt ist, dass Lia hin und zurück kommt." erkläre ich meine Bedingungen.

„Lia würde sich übrigens auch freuen, wenn ihr ab und zu mal etwas mit ihr unternehmt, fragt uns bitte aber vorher." fügte Cole noch hinzu. Es dauerte eine halbe Stunde, bis wir den kompletten Monat geklärt hatten. Aber tatsächlich haben wir es geschafft alles so zu planen, dass es auf geht.

„Was ist eigentlich, wenn Lia zum Arzt muss, müssen wir solange dann warten?" erkundigte sich Liam.

„Nein, sie kann mit dem Bus zur Praxis fahren von der Schule aus. Und dann holt ihr sie beim Arzt ab, die Praxis liegt etwas außerhalb von der Innenstadt.." erklärte ich ihm.

„Darf ich noch was fragen?" kam jetzt plötzlich von Henry. Er war die ganze Zeit eher still, was ich eigentlich nicht ganz so erwartet habe. „Klar"

„Warum sagt ihr uns nicht, was mit Lia los ist. Es kann ja wohl nicht nur an dem Verlust unserer Eltern liegen."

shit happens - my complicated lifeWhere stories live. Discover now