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„Welche Sportart machst du Hannah?" fragte ich sie jetzt, da irgendwie eine unangenehme Stille zwischen uns herrschte.

„Ich mache Eiskunstlauf als Leistungspsort. Hast du dich schon festgelegt oder hast du irgendwo Interesse?"

„Ich war am Montag beim Schwimmem und es hat mir wirklich sehr gut gefallen, heute schaue ich mir Hockey an und die restliche Woche noch Cheerleading und Lacrosse.  So richtig festgelegt habe ich mich noch nicht aber ich wollte mein Leben lang schon Cheerleading machen. Ich habe auf meiner alten Schule keine Sportart gemacht, dort gab es kein Sportangebot und in meiner Freizeit surfe ich nur, also muss eine Sportart her, Surfen gibt es ja leider hier nicht. Oh Gott ich rede viel zu viel, das wolltest du ja eigentlich gar nicht wissen." ich musste mir stark auf die Lippe beißen, damit ich nicht losheule. Sie wollte nur wissen, welche Sportart ich mache und ich erzähle ihr meine halbe Lebensgeschichte.

„Ach Quatsch alles gut. Erzähl gern mehr von dir, ich freue mich dich ein wenig mehr kennenzulernen. Aber wie cool, dass du surfst. Ich surfe auch und musste mir vor drei Jahren dann ebenfalls eine neue Sportart suchen. Hast du denn mal Lust dich zu treffen und  zusammen zu surfen, also wir können auch gerne etwas anderes machen?"

Die Tränem waren sofort vergessen, als sie mich nach einem Treffen fragte. Mich hat noch nie jemand so richtig nach einem Treffen gefragt. „Ja ich hätte auf jeden Fall Lust aber das müsste ich erst meine Brüder fragen, ob das geht."

„Warte ich gebe dir einfach mal meine Nummer und dann können wir ja schreiben. Ich weiß auch nie wann ich kann." antworte sie mir lachend.
Da wir jetzt bei den Räumen angekommen sind verabschiedeten wir uns voneinander. Leider werden wir uns wahrscheinlich nicht mehr sehen, heute, denn sie hat zwei Freistunden, wo sie Training hat, ich habe aber noch eine Stunde Unterricht und dann erst Freistunde.

Ich wollte gerade in meinen Unterrichtsraum gehen, als ich meinen Namen hörte.

Es war Amy, die Schulpsychologin.
„Hallo Lia, wie gut dass ich dich gerade hier antreffe. Ich wollte dich fragen, ob du Zeit hättest, in deiner Freistunde zu mir ins Büro zu kommen?" fragte sie mich lächelnd.
Verunsichert nickte ich zustimmend. Warum sollte ich denn in ihr Büro kommen, habe ich etwas angestellt oder falsch gemacht?

Anscheinend merkte Amy meine Verunsicherung, denn sie beruhigte mich sofort und erklärte, dass sie mir kurz mit mir etwas besprechen möchte.

Am Unterricht konnte ich eigentlich gar nicht mehr richtig teilnehmen, meine Gedanken schweifen immer wieder zu Amy, was sie mit mir besprechen möchte. Endlich klingelte es dann zum Unterrichtsende, obwohl endlich?

Mit weichen Knien machte ich mich also auf den Weg zu Amy, ich nahm nochmal meinen ganzne Mut zusammen und klopfte an die Tür.

„Herein" hörte ich dann auch schon.

„Sie wollten mich sprechen?" betrat ich ihr Büro.
„Ah Lia, wie schön, dass du gekommen bist. Setz dich doch." fordere sie mich auf. Da sie gerade an ihrem Schreibtisch saß, setze ich mich auch dort hin.

„Möchtest du etwas trinken?" bot Amy mir aber ich lernte dankend ab.

„Okay worüber ich mit dir eigentlich nur sprechen wollte, ist, ob du am Montag trotz aller Umstände gut nach Hause gekommen bist?" kam sie jetzt endlich zum Punkt.

„Ja über ein paar Umwege haben mich meine Brüder dann nach Hause gebracht. Wir haben jetzt auch einen Plan gemacht, damit sowas nicht nochmal passiert." erklärte ich ihr.

„Das hört sich doch gut an. Du hast mir noch gar nicht erzählt wie das Leben mit acht Brüdern ist." fragte sie mich jetzt lächelnd.

Automatisch musste ich auch lächeln, vielleicht kenne ich meine Brüder nicht so lange und genug und wir haben auch viele Probleme. Trotzdem habe ich sie lieb und bin froh, dass sie mich aufgenommen haben.
„Also ehrlich gesagt kenne ich so noch nicht so lange und wohne bei ihnen erst seit etwa einem halben Jahr. Davor habe ich bei meinen Eltern gewohnt aber wir hatten leider einen Autounfall und nur ich habe überlebt."

„Oh das wusste ich nicht. Mein herzlichstes Beileid. Es ist bestimmt schwer für dich mit so vielen Veränderungen zu leben."

„Ja ich liebe meine Brüder, glaube ich zumindest, aber ich weiß immer noch nicht so richtig welche Regeln es gelten, wie sie ticken und so."

„Mhm das stelle ich mir auch schwierig vor aber ich denke das braucht einfach ein wenig Zeit. Ich kenne das nämlich aber aus der Sicht deiner Brüder. Mein Mann und ich haben unsere Tochter mit 10 Jahren bei uns aufgenommen. Erstmal nur als Pflege aber wir konnten sie zum Glück vor drei Jahren dann mit 13 Jahren adoptieren. Jana war schon in vielen Pflegefamilien mit ihrem jungen Jahren, lebte die meiste Zeit aber bei ihrer drogensüchtigen Mutter. Aufgrund der ganz vielen verschiedenen Familien, wo sie war, war der Start für uns alle ziemlich schwer. Denn sie hatte auch Probleme, sich in die Familie reinzufinden, was erlaubt, gewünscht, verboten und Routine war. Nach fast einem Jahr fühlte sie sich aber so pudelwohl, dass sie gar nicht mehr wegwollte. Wir haben einfach viel darüber geredet, was wir uns von ihr wünschen und was sie sich von uns wünscht. Generell haben wir viel über die Zeit geredet, wo sie noch nicht bei uns war. So konnten mein Mann und ich Jana besser kennenlernen und verstehen, sie aber auch uns. Jeder hat dann Kompromisse gemacht und irgendwann wurden wir einfach zu einer neuen eigenen Familie. Wir haben neue Traditionen gefunden, neue Regeln, einfach ein neues gemeinsames wir. Vielleicht hilft dir und deinen Brüdern das auch, damit es für euch alle leichter ist."

„Das hört sich total schön an, Sie sind bestimmt eine tolle Familie. Ich wünschte ich hätte auch meine Eltern an der Seite. Cole und Tyler sind echt total lieb zu mir und kümmern sich echt richtig gut um mich aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich für alle die kleine Schwester bin, die immer Aufmerksamkeit braucht und ihnen da zur Last falle. Meine Brüder sind da nicht so, sie sind alle irgendwie miteinander befreundet und ich bin so alleine." ich habe das noch nie laut ausgesprochen aber es tut irgendwie gut und Amy ist einfach so lieb zu mir, dass ich das Gefühl hatte, mit ihr drüber reden zu können.

„Das kann ich mir vorstellen, vor allem weil du das einzige Mädchen bist unter acht Jungs. Hast du denn jemanden mit dem reden kannst oder auch eine Ansprechpartnerin? Also zum Beispiel Oma, Tante, Freundin." fragte sie mich jetzt.

„Nein, nicht so richtig. Ich habe seit gestern eine neue Therapeutin. Sie meinte zwar, dass ich mit ihr über alles reden kann, auch über Schule und nicht nur über meine Probleme. Aber bei meiner alten Therapeutin konnte ich nicht über normale Sachen sprechen, deswegen weiß ich es jetzt nicht ganz genau."

„Mhmh ich denke, wenn dir deine Therapeutin das so angeboten hat, kannst du bestimmt mit ihr drüber sprechen. Wenn du aber mal eine Ansprechpartnerin suchst, dann kannst du auch jederzeit zu mir kommen. Gerne können wir einen festen Termin einmal die Woche ausmachen, wo wir einfach eine Stunde über alles quatschen können. Du kannst ansonsten aber auch jederzeit zu mir kommen, vor, während oder nach dem Unterricht. Egal bei was, Probleme mit Lehrern oder Schülern, Mädchenprobleme, Liebeskummer, bei Fragen oder wenn du einfach quatschen willst. Ich habe übrigens auch eine Art Notfall Schrank. Da sind Wechselklamotten drin, Deo, Haargummis, Bürste, Zahnbürste, Tampons, Binden und Schminke. Wenn du etwas brauchst komm einfach zu mir." bot sie mir an.

„Dankeschön, ich fände es schön, wenn wir uns einmal die Woche treffen könnten." sprach ich jetzt leise.

„Ich würde mich freuen Lia, was hältst du denn davon, wenn wir uns jeden Montag in deiner Freistunde treffen?"

„Ich denke das passt gut. Dankeschön." bedankte ich mich jetzt. Ich war froh, dass sie mir das angeboten hat. Ich hatte da mit Tyler und Cole schon letzte Woche besprochen, dass sie es toll fänden, wenn ich hier in der Schule auch zur Therapeutin gehen würde.

„Du brauchst dich nicht zu bedanken, das ist selbstverständlich." lächelte sie mich wieder freundlich an.

Genervt streiche ich mir meine Haare wieder hinters Ohr. Schon den ganzen Tag nerven sie mich. Naja was heißt den ganzen Tag, eigentlich schon immer.

„Brauchst du ein Haargummi?" erkundigt sich jetzt Amy. Scheinbar hat sie gemerkt, dass meine Haare mich nervten.

„Nein schon gut, brauche ich nicht. Ich weiß eh nicht genau, wie das geht." gab ich peinlich berührt zu.

„Du weißt nicht, wie du dir einen Zopf machst?" hakte Amy nach.
Unsicher nickte ich, ist das schlimm?

„Oh soll ich dir helfen? Deine Haare sind ja auch ganz verknotet."

„Nein schon gut, ich kenne es ja nicht anders."

shit happens - my complicated lifeWhere stories live. Discover now