47

1.2K 48 2
                                    

Leise fange ich an, mit zittriger Stimme meinen Zettel vorzulesen „Ich heiße Lia Anderson und bin 14 Jahre alt. Ich bin die Jüngste meiner acht Brüder. Seit gestern gehe ich auf die Hollywood High, die Mädchenschule. Ich zeichne gerne, früher bin ich noch gesurft aber das durfte ich nicht mehr. Gestern bei dem Schwimmteam in der Schule hatte ich auch Spaß, vielleicht wird das mein neues Hobby. Ein Lieblingsessen habe ich nicht wirklich und eine Lieblingsfarbe auch nicht, tut mir leid.
Von der Therapie erhoffe ich, dass ich meinen Brüdern nicht mehr zur Last fallen muss und verstehe, was mit mir nicht stimmt. Außerdem soll die Panik aus meinem Kopf verschwinden und die Müdigkeit. Durch den Kopf geht mir ziemlich viel, da es ziemlich viel neues ist, was mich auch überfordert, irgendwie ist das alles so neu.
In der Sprechblase habe ich nur als Information, dass ich fast 14 Jahre bei meinen Eltern gelebt habe und nachdem sie bei einem Autounfall ums Leben gekommen bin, lebe ich bei meinen Brüdern. Das ist jetzt ein halbes Jahr her. Mehr habe ich da nicht stehen, weil mir nicht wirklich etwas eingefallen ist." erleichtert atme ich aus, gleichzeitig stieg mir die Hitze auch ins Gesicht. Mir war es irgendwie peinlich.

„Danke Lia für deine ehrlichen Worte." ich blickte ein wenig hoch zu ihr, der Zettel, auf dem Dr. Michaels mitgeschrieben hat ist komplett vollgeschrieben. Bevor ich geredet habe standen da nur ein paar Stichpunkte drauf, ich musste schlucken.

„Okay dann würde ich gerne weitermachen." räusperte sich Tyler.
„Ich bin Tyler Anderson, 25 Jahre alt und der zweitälteste von uns. Wie Cole schon erzählt hat, teilen wir uns das Sorgerecht. Damals war ich zwar erst knappe 19 Jahre alt aber mir war es wichtiger für meine Geschwister da zu sein, ihnen eine gesündere Kindheit und Jugend zu bieten, als wir es hatten, bei unseren Eltern. Parallel habe ich Medizin studiert und bin jetzt seit einigen Monaten Chefarzt der Chirurgie. Zu meinen Hobbys gehört auch Surfen, ich liebe es zu kochen und zu backen. Leider fehlte mir in letzter Zeit die Zeit dazu aber normalerweise arbeite ich noch ehrenamtlich am Strand als Rettungsschwimmer und Notfallsanitäter. Zu meinem Lieblingsessen gehört definitiv Lasagne oder generell Pasta." ab da schaltete ich ab, meine Gedanken überfluteten mein Gehirn.

Ich kam erst wieder so richtig zu mir, als Tyler gerade aufhörte mit reden. Scheinbar merkte Dr. Michaels meine Überforderung. „Lia möchtest du lieber eine Pause machen?" erkundigte sie sich bei mir.
„Nein alles gut." antworte ich schnell. „Okay aber dann trink wenigstens einen Schluck." damit schob sie mir ein Glas zu und schüttete mir Wasser ein. „Dankeschön"
Sie nickte mir lächelnd zu und begann dann sich selber vorzustellen

„Gut dann fehle ich ja nur noch. Mein Name ist Elle Michaels, ich bin 34 Jahre alt und arbeite seit circa 10 Jahren als Psychologin. Zu meiner Familie gehören meine Frau und meine zwei 4-jährigen Zwillinge. Tatsächlich ist mein Lieblingsessen auch Pasta und wie man schwer erkennen kann ist meine Lieblingsfarbe bunt. Ich lese sehr gerne aber Hörpsiele mag ich noch mehr. Tatsächlich stand ich noch nie auf einem Surfbrett aber dafür fahre ich Snowboard.
Ich freue mich wahnsinnig euch und vor allem dich, Lia, kennenzulernen. Deswegen erhoffe ich mir, dass ich dich noch ein wenig mehr kennenlernen darf und dir vielleicht ein wenig helfen kann. Durch meinen Kopf geht mir gerade auch sehr viel, denn es ist jedes Mal sehr viel und das führt bei mir teilweise auch zu vielen Gedanken und eine Art Überforderung." sie zwinkerte mir kurz zu.
„Bei der Sprechblase habe ich tatsächlich auch erstmal nichts aufgeschrieben, denn die Informationen habe ich auf einem anderen Blatt geschrieben." somit ging Dr. Michaels an uns ziemlich viel zu erklären aber meine Gedanken schweiften immer wieder ab. Ich blickte zur Couch, sie sah unfassbar bequem aus. Wäre es möglich zumindest einmal dort zu sitzen? Oder ist die gar nicht für mich. Ich schaute mich weiter um. Der Teppich war total flauschig, er wäre bestimmt auch total weich. Wenn ich wünschte, würde ich mich jetzt darauf legen aber das ist bestimmt verboten. Hoffentlich kann irgendwann mal auf der Couch sitzen oder auf dem Teppich. Mein Blick wanderte weiter zu der Fensterfront. Die Somme stand gerade an ihrem höchsten Punkt. Es war Mai, so langsam wurde es Sommer. Man merkte es auch an den Temperaturen, es wurde teilweise schon echt heiß. Gleichzeitig heißt das aber auch, dass bald die großen Sommerferien sind. 4 Monate lang.

„Lia?" erschrocken drehe ich mich zu der Stimme um. Ich blicke in Tylers Gesicht. „Ist es okay, wenn wir für eine kurze Zeit rausgehen? Dr. Michaels würde sich gerne in Ruhe mit dir Unterhalten, paar dir das?" langsam nickte ich. „Gut, wir sind direkt im Nebenraum, also wenn etwas ist, sind wir in wenigen Sekunden da." Tyler gab mir noch einen kurzen Luss auf den Scheitel und verschwand dann mit Cole aus dem Raum.

„Was hältst du davon, wenn wir uns auf die Couch setzen. Das ist doch viel gemütlicher."
Schlug die Therapeutin vor. Meine Augen weiteten sich sofort und ich fing begeistert an zu Nicken.
Die Couch war sogar noch bequemer als sie aussah, hier fühlte ich mich schon deutlich wohler. Obwohl ich sagen musste, dass ich mich an diesem ganzen Ort nicht unwohl fühlte, auch jetzt wo ich alleine, ohne meine Brüder bin. Bei Dr. Wingston war es nicht so, ich habe mich bis zur letzten Sekunde unwohl gefühlt und ihr kein Vertrauen geschenkt.

„Also Lia wir fangen mal ganz von vorne an, ich bin Elle für dich, kein Sie, kein Miss, kein Dr. Michaels, sondern einfach du und Elle. Soll ich dich Lia nennen oder hast du einen anderen Namen, wie ich dich nennen soll?"

„Nein, Lia ist gut. Es gibt auch keinen anderen."

„Ok sehr gut, ich werde jetzt erstmal einen ewigen langen Monolog halten über...sa ich aber das Wort Regeln nicht mag, es gibt auch keine Regeln hier, nenne ich es lieber Tipps und Tricks. Falls es dir zu viel wird sag einfach Bescheid."
Ich nickte ihr zu, als Zeichen, dass ich alles verstanden habe.

„Was in diesem Raum passiert, bleibt in diesem Raum. Außer du gibst mir dein schriftliches Einverständnis ab. Du kannst hier alles tun, weinen, schreien, schlafen, reden, brüllen, flüstern, schweigen, einfach alles.

Punkt zwei: Ich finde Ehrlichkeit ganz wichtig, es gibt keine Strafen oder Konsequenzen, die Ehrlichkeit mit sich bringt. Außerdem kann ich dir nur am besten Helfen. Das gilt natürlich nicht nur für dich, sondern auch für mich.

Punkt drei: Meine Praxis ist ein Ort, wo man so sein kann, wie man will. Du sollst dich wohlfühlen. Das heißt komm in den Klamotten in denen du kommen willst. Es ist egal ob du ein schickes Abendkleid trägst oder deinen Schlafanzug. Du hast fettige Haare? Kein Problem, ich habe auch fettige Haare, jeder hat mal fettige Haare.

Punkt vier: Grenzen, du kannst hier alles tun aber du musst nichts, jeder Mensch hat Grenzen, leider sind diese nicht immer für Außenstehende sichtbar. Falls ich keine Grenze erkennen sollte, sag mir bitte sofort Bescheid.

Punkt fünf: Du bekommst gleich meine Handynummer, du kannst mit jederzeit schreiben oder mich anrufen. Falls du dich nicht traust oder Hilfe brauchst, dann schicke mir einfach nur einen einzelne Buchstaben. Dann weiß ich Bescheid, und rufe dich einfach an. Ich bin jederzeit für dich erreichbar.

Punkt sechs: Du brauchst keine Angst vor einer Einlieferungen in die Klinik haben. Von mir aus passiert das nur im äußersten Notfall, wenn ich nicht garantieren kann, dass jemand sich nicht Gesellschaftsform verhält. Wenn du von dir aus aber in eine Klinik möchtest oder in betreutes Wohnen werde ich dich natürlich unterstützen und dir helfen. Wir werden demnächst auch mal über solche Möglichkeiten sprechen.

Punkt sieben: Du musst nicht mit mir reden. Vor allem musst du nicht nur über deine Probleme reden. Erzähl mir von deinem Schultag, von deiner Familie, von deinen Freunden. Ich bin für dich weiter eine Freundin, der du alles erzählen kannst. Wenn du an einem Tag gar nicht reden möchtest, einfach mal entspannen, Musik hören oder gemeinsam etwas kochen willst, dann können wir das auch sehr gerne zusammen machen

Punkt acht: Wenn du Hilfe benötigst, hole dir Hilfe. Hab keine Angst vor Konsequenzen. Du kannst jederzeit die Polizei oder den Rettungsdienst anrufen, wenn du denkst es geht nicht mehr. Es reicht auch nur eine Nachricht und ich übernehme den Anruf dort.

Punkt neun: Stress dich nicht, wie haben alle Zeit der Welt. Du vertraust mir noch nicht? Dann ist das überhaupt kein Problem, ich nehme mir jedes Mal so viel Zeit, wie du möchtest oder brauchst.

Punkt zehn: Ich habe ein kleines Geschenk für dich, dass dich deine komplette Zeit bei mir begleiten wird. Moment ich gehe es kurz holen."

shit happens - my complicated lifeजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें