KAPITEL 02

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KAPITEL 02





ERLING.


 Der Regen, der von draußen gegen das Fenster meines Autos prasselt, macht diesen Mittwoch zu einem schlimmeren Tag, als er es ohne hin schon ist

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Der Regen, der von draußen gegen das Fenster meines Autos prasselt, macht diesen Mittwoch zu einem schlimmeren Tag, als er es ohne hin schon ist.
Gestern hatte ich meine Ruhe vor der Uni und auch vor Kevin und den anderen.
Heute muss ich mich aber wieder der Realität stellen.

Ich steige aus meinem Auto und fühle sofort den lästigen Regen auf meinem Körper.
Mit schnellen Schritten betrete ich das Gebäude und laufe bereits Richtung Kursraum.
Der Raum ist leerer als der von Montag.
Ein Glück.
Ich gehe zur hintersten Reihe und setze mich dort auf den Stuhl. Seufzend blicke aus dem Fenster neben mir und betrachte die Menschen, die sich durch den Regen hetzen.
Ich hasse Regen.
Regen legt in meinem Kopf irgendein Hebel um, der mich dazu bringt nachzudenken.
Über Dinge nachzudenken, über die ich nicht mehr nachdenken will.
Zum Beispiel darüber, wie sehr ich mir wünsche, ich könnte einfach wieder ein normaler junge sein wie als ich 15 war. Naja, normal war das nicht.
Außer es ist normal jeden Tag Nachhause zu kommen und von seinem Vater auf die Fresse zu kriegen nur, weil dieser zu frustriert und unzufrieden ist mit seinem Leben. Nicht mein Problem, dass er so ein Versager ist.
Scheiss Regen.
Ich entferne meinen Blick vom Fenster, um mich nicht weiter in Gedanken zu verlieren. Der Professor betritt den Raum und begrüßt uns mit guter Laune.
Wie kann man so früh am Morgen so gute Laune haben?
Alles vorgeheuchelt. Niemand ist glücklich. Jedenfalls nicht so glücklich, wie die Leute vorgeben zu sein.
Jeder hat sein eigenes Päckchen rumzutragen.
Apropos, Päckchen.
Die Lieferung von gestern.
Ich muss mich schnellstens um den scheiss kümmern, bevor es mir Probleme macht.
Aber darum kümmere ich mich nach dem Kurs.

*

Zugegeben, ich bin schon etwas enttäuscht, dass das Mädchen von gestern nicht in diesem Kurs war. Aber, was hatte ich denn auch erwartet? Die Uni ist riesig und ihr Schwerpunkt liegt bestimmt nicht in Ingenieurwissenschaften.
Außerdem ist es besser für mich und sie, wenn ich sie am besten gar nicht erst wiedersehe.
Jemals.

Ich komme in dem heruntergekommenen Haus an und höre sofort mehrere männliche Stimmen.
Augen verdrehend, betrete ich das offen Stehende Haus und laufe direkt Richtung Wohnzimmer.
"Yo, bro."
Kevin hat seine Füße überkreuzt auf dem Couchtisch abgelegt und zieht genüsslich an seinem joint.
"Das Paket ist auf der Küchen Insel."

Ich drehe mich zur offenen Küche und gehe zum Paket, als ich es entdecke.
Nachdem ich das Paket geöffnet habe, blitzen gefühlt ein Dutzend Substanzen mir entgegen.
Ich kontrolliere die Ware schnell auf Richtigkeit bevor ich das Paket hochnehme und es zu Kevin trage.
Ich lasse es auf der Couch neben ihn nieder.
"Verkauf den scheiss und dann stornier alle Bestellungen, die wir bei Edgar gemacht haben."

"Das meinst du nicht ernst, Erling." Kevin nimmt seine Füße vom Tisch und sieht mich nun unglaubhaft an.
"Edgar rechnet fest mit uns. Du kannst nicht einfach alles stornieren."

"Du siehst doch, dass ich das kann."

Kevin steht auf und steht nun direkt vor mir.
"Keine Ahnung auf welchem Trip du seit Wochen bist, aber wach endlich auf. Wir verdienen alle unser scheiss Geld mit diesem Zeug und du kannst uns das nicht wegnehmen!"
Falls er bedrohlich klingen will, scheitert er gewaltig. Nicht nur seine schwächliche Statur sondern auch seine niedrige Größe - im Vergleich zu meiner - lassen ihn nicht gerade besonders gefährlich wirken.
"Wenn du weiter mit dem scheiss machen willst, dann tu das. Aber nicht über mich. Bau dir dein eigenes Imperium auf und werd dein eigener Boss, aber lass mich da raus."
Wenn Kevin glaubt, er könne mir irgendwas vorschreiben, dann täuscht er sich gewaltig.
"Du weißt ganz genau, dass ich das ohne dich nicht schaffe. Du hast mehr Ahnung als sonst jemand über dieses Business. Wir brauchen dich."

Ich lache leicht auf und fahre mir mit meiner Hand anschließend übers Gesicht. "Ihr braucht mich? Ihr braucht vielleicht mein Geld und meine Kontakte, aber nicht mich.", sage ich und sehe dabei zu ihm hinab.
"Seit Wochen bist du nicht mehr du selbst. Du..-"

"Wenn dir nicht passt, was ich mache, dann verpiss dich von hier.", unterbreche ich ihn mit angespanntem Kiefer.
Kevin starrt mich für einen Moment bloß stumm an, bevor er sich den Karton packt und tonlos das Haus verlässt.
Mit einem lauten Tür Knall lässt er mich mit den anderen allein.

Scheiss Wichser.
Er weiß doch ganz genau, wieso ich nicht mehr so sein will, wie ich es noch vor einigen Wochen war.
In all den Drogen, dem Alkohol und dem Nachtleben habe ich mich selbst verloren und wurde immer mehr zu dem Mann, der mein Vater war.
Und ich will auf keinen Fall so sein wie mein Vater.
Deshalb muss ich mich selber stoppen.
Jeder Tag ist eine Herausforderung.
Jeden Tag kämpfe ich mit mir selber.
Mit meinem Verlangen, mit meinen Schuldgefühlen und meinen Dämonen.
Insgeheim hoffe ich, dass ich irgendwann von all diesen Sachen loskomme.
Aber im Moment fühle ich nichts außer den Drang nachzugeben und aufzuhören zu verleugnen, was alle anderen bereits als in steingemeisselt betrachten -
dass ich so werde wie mein Vater, oder es vielleicht schon längst bin.

HEART LIKE YOURS  - EIN HERZ WIE DEINES Where stories live. Discover now