KAPITEL 07

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KAPITEL 07

ERLING.


Stumm essen wir uns gegenübersitzend, als ich nicht anders kann, als sie zu fragen:
"Ich hab dich heute weinen gesehen. Ist alles okay?"
Sie blickt sofort zu mir hoch und schaut mich perplex an.
Vielleicht ist das doch keine gute Idee gewesen.
Sie muss denken, ich bin ein kranker stalker, der ihr auflauert und sie beim weinen beobachtet.
"Nur zufällig.", füge ich hinzu.
Sie schluckt sichtlich und lässt den Löffel dann in ihrem Teller sinken. "Ich war nur müde und hatte etwas Stress wegen der Uni. Sonst nichts, aber danke.", sagt sie ohne mich anzusehen.
"Sicher, dass es nur das ist?"
Ihr blickt fällt jetzt zu mir.
Stumm nickt sie.
Ich merke, dass sie nicht weiter darüber sprechen möchte - oder überhaupt darüber sprechen möchte, deshalb lasse ich das Thema fallen und esse weiter.
Sie tut es mir nach.

"Danke für das Essen." Sie legt ihren Löffel weg und schaut mich an. "Ich muss aber los zum nächsten Termin."

Ich verenge meine Augen. "Nächster Termin?"

Sie nickt. "Du bist eben zusammengebrochen und willst jetzt weiter putzen gehen?"
Sie seufzt leise, aber ich höre es trotzdem.
"Mir gehts wieder besser.", sagt sie. "Und es ist mein Job."

"Deine Gesundheit ist wichtiger als dein Job, oder nicht?", frage ich mit ernster Miene.

"Wie gesagt...", murmelt sie. "Mir gehts besser."

Mir gefällt es nicht, dass sie zu ihrem nächsten Kunden geht und dort putzt, obwohl sie alles andere als fit ist. Aber wer bin ich schon?
Wir kennen uns eigentlich gar nicht.
Heute ist das erste mal, dass wir beide uns überhaupt richtig unterhalten - auch, wenn es kein schöner Anlass ist.

Madelyn steht auf und will gerade nach ihrem Teller greifen, um ihn wahrscheinlich wegzubringen, aber ich stoppe sie mit einer Handbewegung.
"Lass. Ich mach das schon."

Ich stehe auf und greife ihren und meinen Teller, bevor sie in der Lage ist, es selbst zu tun. Nachdem ich die Sachen in dem Waschbecken abgestellt habe, drehe ich mich zu ihr. "Kann ich dich fahren?"

"Was?", fragt sie verwirrt. "Zu deinem nächsten Kunden."
Keine Ahnung wieso ich sie das gefragt habe.
Ich wollte sie irgendwie nicht alleine lassen.

Sie wirkt leicht überrumpelt und weiß nicht was sie sagen soll. "I-ich...-"

"Nur um sicherzugehen, dass du nicht wieder zusammenklappst.", grinse ich leicht, um ihr nicht das Gefühl zu geben, dass ich mir Sorgen um sie mache.
Ich weiß, dass ich mir keinen Gefallen damit tue, mich in ihr Leben einzumischen, aber ich kann nicht anders.

"Na, gut.", antwortet sie kleinlaut und läuft zum Flur, wo sie ihre Tasche nimmt und sich über die Schulter macht. Ich greife meine Schlüssel und öffne dann die Haustür. Ich lasse Madelyn den Vorrang und folge ihr dann nach draußen zu meinem Auto.

Innerlich habe ich das Bedürfnis, ihr die Autotür aufzuhalten, aber, wenn ich das tue, erlaube ich mir, ihr immer näher zu kommen.
Deshalb lasse ich es und steige auf der Fahrerseite ein.
Ich greife in meiner Hosentasche nach meinem Portmonee und hole wieder einen 200$ Schein raus, den ich ihr hinhalte.
Sie schüttelt sofort den Kopf. "Ich habe heute kaum geputzt ... -"

"Nimm bitte das Geld.", sage ich.
"Das ge...-"

"Madelyn.", sage ich knapp.
Sie seufzt und nimmt es dann zögernd an.
Zufrieden stecke ich mein Portmonee wieder weg.

"Wie ist die Adresse?"

Sie tippt auf ihrem Handy rum und zeigt sie mir dann. Ich kenne die Straße nicht, deshalb gebe ich sie ins Navi ein und fahre dann los.
Die Sonne ist mittlerweile untergegangen.
Madelyn und ich reden während der Fahrt nicht.
Das einzige Geräusch in dem Auto, ist die Musik, die aus dem Radio kommt.
Es dauert bestimmt 25 Minuten bis mein Navi mir anzeigt, dass wir das Ziel erreicht haben.
Ich schaue mich in der Gegend um, in welcher ich angehalten habe. Ein paar Menschen laufen draußen herum. Jedoch wirken diese Menschen nicht wie Menschen, die bei mir in der Gegend rumlaufen - nett ausgedrückt.
Mein Blick schweift zu der Hausnummer 8, wo Madelyn ihren Kunden hat. Das Haus braucht keine Putzfrau sondern eine komplett Sanierung.
Wer braucht eine Putzfrau in so einem drecks Loch?

"Danke für die Fahrt.", sagt Madelyn plötzlich und schnallt sich ab. "Wir sehen uns." Sie bewegt ihre Hand zur Tür und will sie öffnen, doch ich greife sanft ihre linke Hand und schaue sie an. Sie stoppt in der Bewegung und dreht ihren Kopf zu mir.
"Ja?"

"Hier wohnt dein Kunde?"
Sie wirkt verwirrt von der Frage, aber nickt dann. "Warst du schonmal hier?"

Sie schüttelt den Kopf. "Wieso fragst du?"

Ich lasse ihren Arm los und fahre mir mit der freigewordenen Hand übers Kinn. "Mir gefällt das nicht."

"Was? Dass jemand in so einer Gegend auch ein sauberes Zuhause haben will?", kommt es plötzlich von ihr. Ich drehe meinen Kopf zu ihr und schaue sie an.
"So war das nicht gemeint."

"Ja, schon klar.", murmelte sie leise. "Nicht jeder kann sich so ein schickes Haus wie du leisten."
Sie öffnet die Tür und steigt aus, bevor sie die Tür zu macht. Gerade, als sie losgehen will, steige ich schnell ebenfalls aus dem Auto und laufe um das Auto herum.
"So war das echt nicht gemeint, Madelyn. Ich hab einfach nur kein gutes Gefühl dabei."

"Du kennst mich gar nicht. Was willst du von mir?"
Sie steht vor mir und schaut mich fragend an.
Was soll ich ihr sagen?
Ich weiß es doch selber nicht.
Ich weiß nur, dass ich meine eigene situation gerade schlimmer mache als ohne hin schon.
Diese paar Sätze, die wir heute miteinander ausgetauscht haben, waren zu viel.
Alles davon war zu viel.

"Tschüss.", sagt sie und geht an mir vorbei. Seufzend drehe ich mich um und sehe ihr nach.
Na, toll. Jetzt denkt sie wahrscheinlich ich bin ein arrogantes, reiches Arschloch, der sich für was besseres hält.
Vielleicht bin ich das auch.
Vielleicht bin ich genau das.

Ich steige zurück ins Auto und beobachte dann wie Madelyn in dem Haus verschwindet. Wer ihr die Tür aufgemacht hat, kann ich dabei leider nicht sehen.
Mein Finger nähert sich dem Knopf, der für den Motor zuständig ist. Irgendwas in mir schafft es aber nicht diesen zu drücken.
Ich seufze und gebe auf, dagegen anzukämpfen.
Ich greife ins Handschuhfach und zücke eine Zigarette und ein Feuerzeug raus.
Sofort zünde ich die Zigarette an und lehne mich im Sitz zurück. Das Fenster lasse ich runterfahren, damit die Luft im Auto nicht so stickig wird.
Ein Blick auf die Uhr Anzeige im Auto zeigt mir, dass es schon 19:30 Uhr ist.

HEART LIKE YOURS  - EIN HERZ WIE DEINES Where stories live. Discover now