KAPITEL 28

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KAPITEL 28




Erling.


VOR ZEHN JAHREN


Ich sitze hier wieder.
Alleine. Hungrig. Verängstigt. Blutend.
Die Stimmen von meinem Vater hallen in meinem Ohr. Unten schlägt er gerade alles kurz und klein - alles, was nicht bereits zerstört am Boden liegt.
Ich denke an alle Worte, die er mir zuvor an den Kopf geworfen hat. Du Feigling, Wehr dich doch. Du bist ein idiot. Wertlos, unerwünscht, mein größter Fehler. Hör auf mich immer zu nerven.
Ein lautes piepsen in meinem Ohr ist das einzige, was den Wutausbruch meines Vaters übertönt.
Ich wische mir mit meiner Hand über den Mund und spüre etwas nasses.
Ein Blick auf meine Hand, lässt mich zittern.
Blut. So viel Blut.
Es ist mehr als sonst.
Es schmerzt auch mehr als sonst.

"Lass mich los!", höre ich schreie von unten.
Mom.

Sofort vergesse ich all meine Angst und verlasse mein Versteck, um die Treppen runterzurennen.
Meine mom liegt am Boden, blutend, weinend.
Mein Vater ragt über ihr und holt erneut aus.
Ich renne auf ihn zu und zerre an seinem Arm, um ihn vom Schlag abzuhalten.
Doch, er ist zu stark mit seinen fast 50 Jahren, und ich bin zu schwach mit meinen gerade mal 13 Jahren.
Er schleudert meinen Arm von sich, als wäre ich eine Feder, und schlägt dann weiter auf meine mom ein.
"Verpiss dich, du Arschloch."

Am Boden liegend sehe ich mich im Wohnzimmer um. Vergeblich suche ich nach etwas, um ihn zu stoppen, bis meine Augen an einer leeren Whiskey Flasche halt machen. Ich springe auf und laufe zum Couchtisch.
Mit der Whiskey Flasche in meiner linken Hand stürme ich auf ihn zu während er mir den Rücken zugekehrt hat, und erschlage ihn damit.
Das Glas zerspringt und mein Vater sackt zu Boden.
Mom schnaubt auf und sieht dann geschockt zu mir.
"Komm her, Schatz.", sagt sie und breitet ihren Arm liegend aus.
Sofort Hocke ich mich neben sie und umarme sie fest.

Mein Vater war schon so, seit ich denken kann. Eine andere Version von ihm habe ich nie kennengelernt. Wer weiß, ob es die überhaupt jemals gegeben hat.
Alles was ich weiß, ist, dass jeder Tag in diesem heruntergekommenen Haus ein Albtraum war.

EIN JAHR SPÄTER

Mit dem Rucksack auf meiner linken Schulter betrete ich das kleine Gebäude.
Um mich herum höre ich stöhnende Typen.
Ich sehe mich um und bin begeistert von den Techniken, die ich sonst nur in Filmen gesehen habe.
Der Boxring ist kleiner, als vermutet, aber trotzdem beeindruckend. Die zwei großen Kerle in dem Ring kämpfen miteinander und wirken ziemlich ausgeglichen.
"Hey!"

Ich drehe mich in die Richtung, aus welcher die laute Stimme kommt.
Ungefähr zwei Meter von mir steht ein breiter, voll tätowierter Typ, der bestimmt in seinen 50ern ist.
"Kann ich dir helfen?", fragt er.
"Ja.", antworte ich. "Ich will Boxen. Hier."

Er schmunzelt. "Wie bitte?"

"Wie alt bist du, junge?"

"14.", murmle ich.
"Vergiss es. Da ist die Tür.", deutet er auf den Eingang, durch welchen ich eben erst hineinspaziert bin und dreht sich um, um wieder wegzugehen.
"Bitte, Sir.", laufe ich ihm nach und hole ihn schnell ein. Er bleibt stehen und sieht mich an.
"Wieso sollte ich dich trainieren? Du bist keine 16 Jahre. Komm in zwei Jahren wieder, dann sehen wir weiter.", sagt er, klopft mir auf die Schulter und läuft weiter.
"Dann bin ich wahrscheinlich schon tot.", sage ich und sehe seinen Hinterkopf an, der sich immer mehr von mir entfernt hat.
Abrupt bleibt er stehen. Für einen Moment sagt und tut er nichts. Dann dreht er sich zu mir und macht ein paar Schritte auf mich zu.
"Wie heißt du, junge?"

HEART LIKE YOURS  - EIN HERZ WIE DEINES Where stories live. Discover now