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Ich schaue in dunkle Augen, die mich anstarren. Ich sehe den neuen Funken darin, der mich vor Freude lächeln lässt, weil ich genau weiß, wie diese Augen ohne Funken aussehen.

Wie ein Fass ohne Inhalt.

Meine Augen wandern nach oben, zu den langen Locken, die an einer Seite mit Haarnadeln befestigt sind, damit sie nicht stören.

Fasziniert drehe ich meinen Kopf ein wenig und sehe die kleinen Diamanten darin funkeln. Ich schaue nach unten, meine Augen fixieren meine Lippen, die in einem leicht rosa-roten Ton angemalt sind.

Ich schlucke und lasse meinen Blick weiter schweifen. Mein Körper ist in ein dunkelgrünes Kleid gehüllt. Die dünnen Träger bestehen aus kleinen funkelnden Diamanten und halten das Kleid ein wenig unter meinen Schultern.

Es liegt eng an meinem Körper an, fällt aber unterhalb der Hüfte etwas weiter, so dass ich hinter mir einen Schleier trage. Der Schlitz am Bein macht das Ganze noch eleganter.

Es ist schulterfrei und hat keine Ärmel. Ich zupfe an meiner Haut. Man sieht die Narben, ohne genau hinschauen zu müssen. Ich atme tief ein.

Würde meine Mutter mich jetzt liebevoll in die Arme schließen? Hätte sie mich stolz angeschaut und gedacht „das ist meine tochter"?

Hätte sie mir einen Kuss auf die Wange gedrückt und mich umarmt?

Ich sehne mich nach ihrer Wärme. Nach ihrem Geruch, der mir so vertraut ist. Ich will wieder in ihrer Nähe sein und gleichzeitig will ich sie nie wiedersehen.

Enttäuscht schüttle ich den Kopf und sehe mich im Spiegel an. Ich bin nicht mehr das Mädchen, das sich selbst bemitleidet. Ich bin eine selbstbewusste Frau, die sich von niemandem etwas sagen lässt.

Auch nicht die Dämonen im Kopf.

Ich bin mehr als das. Ich bin mehr als das Mädchen, das sich ertränkt und den Mond als Stütze sieht. Ich bin mehr als das Mädchen, das in Gedanken gefangen ist.

Ich zwinge mich zu einem Lächeln, als die beiden Mädchen - Rayna und Blance - durch die Tür kommen und sich schockiert den Mund mit der Hand zuhalten.

„Wunderschön" höre ich eine der beiden nach einem Moment der Stille flüstern, was mir ein leises, dankbares Kichern entlockt.

„Ihr seid wunderschön", lächle ich den beiden zu. Rayna trägt ein bodenlanges, graues, glänzendes Kleid. Es ist trägerlos und betont ihre makellose Haut. Wie bei mir sind viele kleine Diamanten an dem Kleid befestigt.

Fasziniert betrachte ich ihr Make-up. Ihr Augen-Make-up lässt mich leicht erschaudern. Das sieht so professionell aus.

Blance dagegen ist etwas schlichter. Ihr hellblaues, fast schneeweißes Kleid ist am Rücken mit Bändern gebunden und hat einen tiefen Ausschnitt.

Sie sind beide wunderschöne Seelen, die sich stark ausgedehnt haben. Beide sind schöne Frauen, die in eine gefährliche Familie hineingeboren wurden.

Raynas Haar ist gelockt und fällt ihr über die Schulter, Blance hat es hochgesteckt und mit kleinen Verzierungen versehen.

„Sie warten", nickt Blance mir lächelnd zu. „Lassen wir sie nicht warten", hackt sich diesmal Rayna auf meine andere Seite.

Unterhaltend bewegen wir uns und bleiben an der Treppe stehen.

Alle Geschwister warten schon auf uns. Und auch sie ist da.

Gefangen in GedankenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt