Hot Chocolate I

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Er hatte schon geschlafen als der Anruf eines anonymen Mannes ihn ereilte, der durch das Rauschen der Leitung ein paar sehr unfreundliche Worte an ihn, gerichtet hatte.

Kurz darauf und unter einem lauten Fluchen war er deswegen, in schwarzen Plüsch Pantoffeln und Satinpyjama raus in das Unwetter getreten und hatte sich seufzend in seinen auf Hochglanz polierten, schwarzen Bentley, Baujahr 1926 gesetzt.
Anschließend hatte er das Gaspedal so fest durchgetreten, dass die Reifen fast schon Ohrenbetäubend gequitscht hatten und das nasse Gummi der Räder über den Boden gesaust war.

Was hatte sich dieser Engel aber auch wieder dabei gedacht?!
Er wusste doch selbst, dass er wenig bis keinen Alkohol vertrug.

'Vollaufen lassen hat er sich und bezahlt hat der Jung auch nich! ' hatte ihm der wütende Barmann einer kleinen Spelunke in der Avenue 55 entgegen gespuckt und den Hörer wütend zurück auf die Ablage geknallt.

'Kein Wunder.' kam es Crowley in den Sinn, war es doch immerhin schon 4 Uhr morgens.
Der Mann war müde und so auch er.
Und doch hatte man unter den Notfallkontakten, die eigentlich nur für einen tatsächlichen Notfall gedacht waren, seine Telefonnummer und Adresse gefunden.

Würde man bei ihm in die Brieftasche schauen, so wäre es nicht anders.
Irgendwann, nach Jahrzehnten, hatten sie sich nämlich darauf geeinigt, sich gegenseitig zu helfen, sobald einer von ihnen einmal in Schwierigkeiten stecken sollte.
Und dies bezog, leider Gottes, auch solche Dringlichkeiten mit ein.

Die Idee basierte auf einer lustigen und doch auch sehr pikanten Situation, in der er sich, vor langer Zeit, einmal selbst gefunden hatte.
Nackt, und sturzbetrunken war er durch den Park gerannt und als dann auch noch die Polizisten versucht hatten, den nackten Dämon einzufangen, der jedoch nur lachend weitergerannt war, hatte sich Aziraphale schließlich erbarmt und ihn mit einem Schnipsen seiner Finger aus jener Situation gerettet.
Zudem hatte er nach diesem Vorfall die Erinnerungen so mancher Menschen ein wenig....nunja, angepasst. Natürlich nur, um Schlimmeres zu verhindern, wie er immer wieder sehr sachlich beteuert hatte.

Kopfschüttelnd und mit den trälernden Stimmen von Queen auf dem linken Ohr bog er eilig, in ein paar Straßen ein, sah ab und an dabei zu, wie ein Pärchen verschreckt zur Seite sprang, um dem aufkommenden Spritzwasser zu entfliehen oder wich hier und da einem torkelnden Betrunkenen aus, der drohte auf die Straße zu kippen.

Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis sich der Dämon in der abstrusen Gegend wenigstens ein bisschen besser zurechtfand und nicht wie die zwei Male zuvor, in die falsche Seitenstraße einbog.

Nervös trommelten seine Finger gegen das kühle Lenkrad.
Engel, Engel.... Wo konnte nur dieser, komplett von allen Sinnen verlassene Mann sein?

Doch da ging auch schon die Tür einer heruntergekommenen Bar auf und heraus stolperte ein noch halbwegs normal gekleideter Mann.
Der Barmann der ihn augenscheinlich zuvor so mies gelaunt kontaktiert hatte, trat sogleich hinter dem Blonden heraus und warf dem Engel nicht nur einen ziemlich bösen Blick, sondern auch gleich seine mit Flecken übersähte Jacke zu.

Genauso quitschend wie er zuvor losgefahren war, hielt Crowley auch wieder und stieg aus.

"Entschul, -" wollte der Dämon auch sogleich sagen, als der Mann mit Schnurrbart nur die Augen verdrehte und ihm ins Wort fiel.

"Spars da, und macht, dass ihr nun hoim kommet!" der starke Akzent des Mannes spiegelte seinen Unmut wieder, obgleich er nach diesen Worten auch schon wieder im Inneren des Ladens abgetaucht war.

'In der Hölle würde er sicherlich einen klasse Typen abgeben' , schoss es Crowley auch sogleich durch den Kopf, ehe er seinen Blick wieder dem Engel zuwand.

Schnell eilte der Dämon zu der zusammengesunkenen Gestalt, die nun auf dem grauen Bordstein saß und das Gesicht in beiden Händen vergraben hatte.
Vorsichtig näherte er sich Aziraphael und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

"Hey, komm, bringen wir dich nach Hause." sprach er den Mann vorsichtig an und hielt ihm die andere Hand hin.
Langsam hob der Engel den Kopf.

Crowley wich erschrocken zurück, denn was er sah, ließ seinen Atem stocken und seine Brust schmerzen.
Dem Engel standen die Tränen in den Augen, sein sonst so makelloses Gesicht, zierte nun ein großer roter Abdruck und seine Hände zitterten.
Er schniefte.

"Wer?" Der Dämon schluckte.
Wer in aller drei Teufels Namen hatte seinem Engel soetwas angetan?
"Wer?!" würgte er nocheinmal mit etwas mehr Nachdruck hervor, als der Engel ihm doch noch immer keine Antwort gegeben hatte.

"War er das?!" rief Crowley nun wütend aus und deutete in Richtung der Tür, hinter der, der ungehobelte Kerl vor wenigen Minuten verschwunden war.
"Ich werde, -"
Crowley stoppte in seiner wütenden Tirade, als er mit einem Mal die kleine Hand seines Freundes an seinem Jackett spüren konnte und wie dieser leicht daran zog.

"Lass uns,... Können wir einfach gehen?" fragte der Engel immer noch heißer von den Tränen und klang dabei fast schon wieder nüchtern.

Schnell nickte Crowley und half seinem Engel auf die Beine.
Wenn er diesen Kerl in die Finger bekam!
Einem solch reinen Wesen einfach eine Backpfeife zu verpassen...
Er würde denjenigen finden, dass schwor er sich.

Schweigend und unter größter Anstrengung schaffte es der Engel schließlich, sich auf den schwarzen Ledersitz zu setzen und sich zurück zu lehnen.
So als wolle er ganz in eben jenem versinken.

Seufzend beugte sich der Dämon zu Aziraphael hinüber und zurrte den Gurt noch ein wenig fester.

Röhrend startete er den Wagen.
Von hier aus, war es ein leichtes zurück, mussten sie doch nur über die M25 und dann noch einige Straßen weiter.

Es war still.
Bäume, Büsche und Autos zogen mit grellen Lichtern an ihnen vorbei.
Fast meinte er der Engel schliefe, war er doch selten so in sich gekehrt.

Fast wäre er zusammengezuckt, als er mit einem Mal wieder die Stimme des Osttorhüters vernahm.

"Kann.... Kann ich heute bei dir?" fast ein wenig schüchtern linste der Engel zu dem Rothaarige am Steuer hinüber.
"Ich will nicht alleine sein." fügte er noch schnell hinzu und wurde unter seinen eigenen Worten doch fast ein wenig rot.

"Klar." bekundete Crowley leise und griff nach des Engels Hand.
Vorsichtig drückte er sie.

"Willst du darüber reden?" versuchte er es noch einmal und sah in des Engels Richtung.
Dieser schluckte.

"Ich-," fing er zögernd an.
"Du musst nicht wenn du nicht willst."
Wieder ein bestärkendes Händedrücken von ihm.
Dankbar seufzte Aziraphael und erwiderte den kurzen Händedruck.

"Hör zu, sobald wir bei mir sind, mache ich uns eine heiße Schokolade und du kannst derweil duschen, wenn du magst."
Schlug der Rothaarige schließlich vor.
Wusste er doch nur zu gut, wie man sich nach so einem Abend fühlte.

Ergeben nickte der Engel.
"Danke." kam es leise von ihm, als er sich wieder der Scheibe zuwand und dem Regen dabei zusah wie er sich in langen, dicken Rinnsalen über das Fenster zog.

Crowley schwieg, hatte er doch zuvor noch ganz genau einen Blick in des Engels verätterisch glitzernde Augen werfen können. Wer auch immer das getan hatte, würde büßen müssen!

Über die ganze Fahrt hinweg und selbst als sie im Stau auf der M25 standen, ließ er des Engels Hand nicht mehr los.
Hatte er doch das schnelle heben und senken seiner Schultern vernommen, dass leise schnappen nach Luft aber auch das starke zerknauschen seiner Jacke war ihm nicht entgangen.

Und so betete er, dass erste Mal, sie mögen schnell bei ihm zuhause sein.

Good old fashioned Lover boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt