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Ich stürze regelrecht aus der Tür und sehe gerade noch, wie Galadrielle mit zwei großen Männern in dunklen Anzügen um die nächste Ecke verschwindet. Ohne nachzudenken, renne ich ihr hinterher. Es ist noch sehr früh am Morgen, doch im Trailerpark, in dem wir wohnen, herrscht bereits reges Treiben. Leute hängen ihre Wäsche auf, andere sitzen vor ihrem Wohnwagen und frühstücken, wieder andere machen sich auf den Weg zur Arbeit. Aus einem geöffneten Fenster dringt leise Musik aus einem Küchenradio zu mir. Was mir jedoch nicht entgeht, sind die neugierigen Blicke, das Gemurmel, das meiner Schwester und den fremden Männern folgt. Und immer wieder fallen die Worte „Ball", „Celestria" und „auserwählt".

Hinter der nächsten Ecke schließlich habe ich die drei erreicht.

„Hey!", rufe ich.

Galadrielle wirbelt herum, der Schreck steht ihr ins Gesicht geschrieben. Auch die zwei Männer, die sie links und rechts flankieren, drehen sich langsam zu mir um. Der Ausdruck in ihren Gesichtern ist arglos und freundlich, als sie mich neugierig mustern, trotzdem schießt ein Gedanke durch meinen Kopf: Wie sie so links und rechts neben ihr laufen, wirkt es, als würden sie sie abführen. Wie eine Gefangene.

„Was soll das?", keuche ich und hole schließlich zu den dreien auf. Mein Atem geht pfeifend und innerlich fluche ich, weil ich zu schnell gelaufen bin und mein Spray noch in der Küche liegt. „Was, bei allen Tiefen, passiert hier?"

Einer der Männer, er ist fast zwei Köpfe größer als meine Schwester und hat flammend rotes Haar, mustert mich interessiert, wobei er seinen Blick einmal von meinen Füßen bis zu meinem Gesicht wandern lässt. In diesem Moment wird mir klar, dass ich noch immer meinen Schlafanzug trage, hellblau mit kleinen aufgedruckten Pilzen, doch es könnte mir nicht gleichgültiger sein. Ich trete einen weiteren Schritt vor, sodass ich nun direkt vor der seltsamen Gruppe stehe, und funkle die beiden Männer böse an. „Meine Schwester bleibt hier!"

„Nein, bleibe ich nicht", faucht Galadrielle. Und auch die beiden Männer scheinen nun ihre Sprache wiedergefunden zu haben.

„Ihre Schwester wurde für die Teilnahme am diesjährigen Mitternachtsball ausgewählt", sagt der linke der beiden Männer. Er ist kleiner als der andere, hat aber markante Kiefer und einen beeindruckend breiten, muskulösen Körperbau. Seine Stimme ist überraschend sanft und unaufgeregt.

Am Rande registriere ich, dass sich eine kleine Menschentraube um uns gebildet hat. Ehrfürchtiges Murmeln erfüllt die Luft. „Herzlichen Glückwunsch!", ruft jemand. Ich verkneife mir ein Augenrollen.

„Das ist mit Sicherheit ein Missverständnis", sage ich und zwinge mich, ruhig zu bleiben. Dennoch ballen meine Hände sich unwillkürlich zu Fäusten. „Meine Schwester hat ihr Los nicht in den Topf geworfen."

„Doch, das habe ich", widerspricht Galadrielle, doch in ihren Augen flackert ein Ausdruck auf, den ich nicht kenne. Sie scheint sich ein wenig unwohl zu fühlen. „Kommen Sie, gehen wir weiter", wendet sie sich an die beiden Männer, doch die machen keine Anstalten. Stattdessen betrachten sie mich noch immer neugierig, als wäre dieser kleine Zwischenfall das Highlight ihres Tages.

„Sie hat ihr Los in den Topf geworfen", erkläre ich, „aber es war ein Missverständnis. Die Tiefenthronisten persönlich haben dafür gesorgt, dass sie wieder von der Liste gestrichen wird. Ganz sicher. Sie ist er erst sechzehn und hatte nicht die Erlaubnis ihrer Mutter."

Galadrielle lacht ein hohes, falsches Lachen. „Was für ein Blödsinn!", ruft sie aus. Ich runzle die Stirn. Das Herz hämmert mir in der Brust. Was für ein Spielchen spielt sie hier?

„Hören Sie nicht auf sie, gehen wir endlich", drängelt sie. Sie greift den Rothaarigen am Arm und versucht, ihn weiterzuziehen, doch er schüttelt sie ab wie eine aufdringliche Kellerassel. Stattdessen tritt er einen Schritt auf mich zu.

„Ihr Name wurde von der Liste gestrichen?", fragt er neugierig. „Und das wissen Sie sicher?"

Ich schlucke und nicke.

Er runzelt die Stirn und scheint nachzudenken.

„Und wie lautet ihr Name?", fragt er dann langsam.

„Das habe ich Ihnen doch gesagt!", ruft meine Schwester, doch in ihrer Stimme schwingt Panik. Ich bringe kein Wort hervor, doch im selben Augenblick dämmert mir etwas. Ich kann es nicht glauben, will es nicht glauben, doch noch bevor der Mann seine nächsten Worte spricht, weiß ich, was er nun sagen wird. Mit einem Mal beginnt alles um mich herum, sich zu drehen, und ich habe das Gefühl, ein endloser Abgrund tut sich unter meinen Füßen auf. Mein Herz rast wie verrückt und meine Kehle schnürt sich zusammen. Hätte ich doch nur mein Spray eingepackt.

Mit einem Mal kann ich kaum noch atmen.

Mir wird eiskalt.

Ich sehe, wie der Mann seine Lippen bewegt, doch ich kann ihn nicht hören. Zu laut ist das Pfeifen in meinen Ohren.

„Wie bitte?", stammle ich.

„Ich sagte", wiederholt er langsam, „dass auf meiner Liste eine gewisse Cinna Caveholm steht, die im Duskpark 98 lebt. Sie wurde auserwählt, um am diesjährigen Ball teilzunehmen. Wollen Sie mir sagen, dass das nicht diese Person ist?"

Mein Blick huscht zu Galadrielle. Sie ist leuchtend rot im Gesicht und wendet den Blick ab, schafft es nicht, mir in die Augen zu sehen.

Gänsehaut breitet sich auf meine Armen aus. Ich schaffe es nicht, die Männer anzusehen und hefte den Blick stattdessen zu Boden, auf meine nackten Füße. Nur mit Mühe schaffe ich es, zu sprechen.

„Ja", presse ich schließlich hervor. „Genau das will ich sagen. Diese Person ... bin ich."

Cinder & Blood: The darker Side of MidnightWhere stories live. Discover now