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Wir steigen aus der Bahn und folgen Isadora und Lucien zu dem marmornen Palast, der sich vor uns erhebt. Der Weg führt uns über einen großen Platz und auch hier haben sich tausende Menschen versammelt, die uns zujubeln. Viele tragen Schirme. Während wir auf das Gebäude zugehen, wird mir ein wenig schwindelig. Die Sonne strahlt auf uns herab und die Haut auf meinen Armen und in meinem Nacken beginnt zu brennen.

„Ich glaube, ich weiß jetzt, was mit Sonnenbrand gemeint war", sage ich zu Kaida.

Sie nickt, sieht dabei aber ein wenig gequält aus. „Wir hätten uns eincremen sollen."

„Viel Glück", rufen uns die Leute aus der Menge zu. "Möge euer Pfad von Sternen erleuchtet sein!" 

Ich sehe auf und blicke in tausende begeisterte Gesichter. Ein wenig unsicher hebe ich die Hand und winke ihnen zu. Dann hefte ich meinen Blick wieder auf den Palast vor mir. All die Leute machen mich nervös. Wieso feiern sie uns so? Wieso wünscht uns jeder Glück?

Je näher wir dem Gebäude kommen, desto größer und beeindruckender wird es. Inzwischen kann ich am Himmel das Dach der gläsernen Kuppel erkennen, wenn ich genau hinsehe, und die Türme des Palasts scheinen es fast zu streifen. Nach und nach kann ich auch mehr Details der Architektur ausmachen. Die Fassade ist mit kunstvollen Schnitzereien verziert, die sich entlang der Wände winden: Feine Muster aus Blumenranken und abstrakten Formen. Hohe Säulen ragen empor und stützen die oberen Stockwerke.

Hunderte von Fenstern erstrecken sich über die Vorderseite, jedes einzelne davon mit aufwändigen Glasmalereien verziert.

Über den Eingang spannt sich ein imposantes Tor aus goldenem Metall, das mit filigranen Mustern und Edelsteinen geschmückt ist. Es wirkt wie ein Portal zu einer anderen Welt. Einer Welt voller Pracht, voller Geheimnisse ... aber auch voller Gefahren. Ein bisschen erinnert es mich an das Maul eines Raubtiers, das darauf wartet, uns zu verschlingen. Die Härchen auf meinen Armen stellen sich auf.

Wir passieren die riesigen Flügeltüren, die sich vor uns öffnen, und betreten schließlich das Innere des Gebäudes. Erleichtert atme ich auf. Hier drin ist es angenehm kühl, die Luft um einiges frischer und weniger drückend als draußen.

Die Türen fallen hinter uns mit einem dumpfen Geräusch ins Schloss und Stille umfängt uns. Nach dem Tosen der Menge auf dem Platz kommt mir die Ruhe hier drin fast ohrenbetäubend vor. Keiner macht mehr einen Mucks. Nur unsere Schritte hallen von den Wänden wider.

Während wir schweigend weitergehen, sehe ich mich neugierig um. Die Eingangshalle ist riesig und erstaunlich lichtdurchflutet. Die bunten Fenster fangen das Tageslicht ein und werfen ihre Farben und Muster auf den polierten Marmorboden. Die Decke ist ein Kunstwerk für sich, verziert mit aufwändigen Malereien und goldverzierten Fresken, die verschiedene Bilder von Celestria zeigen.

Riesige Kronleuchter baumeln von der Decke herab.

Auf beiden Seiten der Halle erheben sich beeindruckende Säulen, die sich in kunstvollen Bögen vereinen und eine prächtige Galerie bilden. Dahinter hängen Gemälde und Tapisserien, die Szenen vergangener Mitternachtsbälle darstellen. Tanzende Menschen in beeindruckenden Kleidern, bunte Farben, reichhaltige Buffets. Obwohl die Szenen fröhlich sein sollen, haben sie etwas Beunruhigendes an sich. Viele der Menschen auf den Bildern tragen Masken, manche Gesichter sind eigenartig verzerrt, wie zu einem stummen Schrei.

Während wir Isadora und Lucien weiter folgen und weiter in den Palast vordringen, enthüllt sich vor uns ein Labyrinth aus Gängen und verschlossenen Türen. Doch dann bleiben wir plötzlich stehen, direkt vor einem großen Springbrunnen, aus dem kristallklares Wasser sprudelt.

„Herzlich willkommen", spricht Lucien und mir wird klar, dass ich nun zum ersten Mal seine Stimme höre. Sie ist sehr viel tiefer und ruhiger, als ich bei seinem schmächtigen Äußeren erwartet hatte. „Wir freuen uns außerordentlich, euch heute hier begrüßen zu dürfen und wir alle können den diesjährigen Ball kaum erwarten. Dianne hat euch ja bereits mit den wichtigsten Infos zum Ablauf vertraut gemacht. Wir gehen nun gleich in den Speisesaal, wo ihr euch stärken könnt. Langt ordentlich zu, euch erwartet ein anstrengender Nachmittag. In der Garderobe stehen zwar Snacks bereit, aber richtiges Essen wird es erst wieder heute Abend am Ball geben. Es gibt eine festgelegte Sitzordnung, jede sucht sich bitte ihren zugeteilten Platz. Danach werdet ihr in zwei Gruppen eingeteilt, die eine Gruppe geht zuerst zur Garderobe, die andere zur Maske, danach wird getauscht. Es ist für uns einfacher so und geht ein wenig schneller, weil es so weniger Wartezeiten gibt. Habt ihr noch Fragen?"

Niemand fragt etwas, aber ich spüre, wie mein Bauch bei der Erwähnung des Essens zu knurren beginnt. Erst jetzt wird mir klar, dass ich überhaupt nicht gefrühstückt habe.

Kaida lehnt sich zu mir und packt mich am Arm. Ihre Hand ist eiskalt. „Cinna, versprich mir etwas", sagt sie hastig. Ihr Gesichtsausdruck ist flehend. „Nur für den Fall, dass wir nun gleich getrennt werden. Ich weiß nicht, was uns erwartet, aber ich habe ein wahnsinnig ungutes Gefühl bei dem Ganzen. Was immer auf uns zukommt, versuch, ihre Spielregeln mitzuspielen. Dianne hat uns vorhin gewarnt, ich bin mir ganz sicher. Ich weiß zwar nicht, wovor, aber nimm ihre Worte ernst."

Ich will etwas erwidern, doch die Worte bleiben mir im Hals stecken. Also nicke ich nur stumm. Und dann schwingt die Tür zum Speisesaal auf.

Cinder & Blood: The darker Side of Midnightजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें