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„Ein Prinz?" Ich schaffe es nicht, die Skepsis aus meiner Stimme zu verbergen. Nun beugt sich das Mädchen zu uns, das auf meiner anderen Seite sitzt. Sie hat leuchtend blaues Haar, das sie zu einer kunstvollen Flechtfrisur verarbeitet hat, und auch sie steckt bereits in einem Abendkleid. Himmelblau. Sie sieht ebenfalls noch ziemlich jung aus.

„Das habe ich auch gehört", raunt sie. „Und hi. Ich bin Elysia."

Den Rest des Mittagessens spekulieren Lu und Elysia darüber, wie der Mitternachtsprinz, wie sie ihn nennen, wohl aussieht und wie das ganze Spektakel heute Abend ablaufen könnte. Ich habe zu ihren Vermutungen nicht wirklich etwas beizutragen und fühle mich reichlich fehl am Platz, wie ich so zwischen ihnen sitze, aber da es eine feste Sitzordnung gibt, kann ich auch nicht einfach den Platz mit einer von ihnen tauschen.

Ich bin froh, als das Essen für beendet erklärt wird und wir Isadora in die Maske folgen; Kaidas Gruppe geht indessen mit Lucien zur Garderobe.

Während wir in den Schminkraum laufen und uns dort einen Platz suchen, plappern Lu und Elysia neben mir ununterbrochen. Auch wenn ich ihre Begeisterung für das ganze Theater nicht teilen kann, tut mir ihre positive, quirlige Art doch ziemlich gut und bringt mich mehrmals zum Lachen. Nach und nach fällt der größte Teil der Anspannung von mir ab und ich stelle fest, dass es hier im Palast gar nicht so übel ist. Zumindest merke ich eins: Ob ich nun grimmig durch die Gegend laufe wie Kaida oder versuche, meine Zeit auf dem Ball zu genießen, macht keinen Unterschied. Bis morgen muss ich ohnehin hier oben bleiben, es spricht also nichts dagegen, ein bisschen Spaß zu haben – es zumindest zu versuchen.

„Jetzt sag schon, Cinna", stupst mich Lu an. „Wie muss der Prinz aussehen, damit du der Sache eine Chance gibst?"

Wir sitzen nebeneinander vor deckenhohen Spiegeln und werden alle zeitgleich von Servicerobotern geschminkt. Isadora läuft derweil durch die Reihen, kontrolliert das Ganze, gibt Tipps und beantwortet geduldig diverse Fragen.

„Ähm, keine Ahnung", sage ich und schließe die Augen, weil mein Roboter gerade einen fetten schwarzen Lidstrich zieht. „Vielleicht dunkelhaarig. Grüne Augen, Grübchen. Also, das Aussehen ist mir ehrlich gesagt nicht so wichtig."

„Laaangweilig", macht Elysia und die beiden lachen. „Also, wenn er groß ist und ordentlich Muskeln hat, ist das schon mal die halbe Miete", erklärt sie. „Lange Haare fänd ich auch gut."

„Lange Haare?", widerholt Lu skeptisch. „Ich weiß ja nicht ..."

„Ja, das ist voll heiß!", schwört Elysia. „Und man kann sich beim Sex gut an denen festhalten."

Lu prustet los und ich verkneife mir ein Grinsen. Als ob Elysia besonders viel Ahnung von Sex hätte.

„Okay, jetzt reiß dich aber mal zusammen, Cinna!", sagt Elysia, noch immer lachend. „Wenn du schon nichts über das Aussehen erzählen willst, dann wenigstens über den Charakter. Wie muss er sein?"

Ich räuspere mich. „Na gut, ähm ... Er müsste loyal sein", erkläre ich mit noch immer geschlossenen Augen. „Und selbstbewusst. Und begeisterungsfähig, das finde ich süß. Ich würde mir jemanden wünschen, mit dem ich über alles sprechen kann, der mich versteht ..."

Hitze schießt mir in die Wangen, als mir klar wird, dass ich gerade Emeric beschrieben habe. Zum Glück bemerken es die beiden nicht. Sie kennen Emeric ja auch nicht.

„Und einen Knackarsch muss er haben!", ruft Elysia. Beide prusten erneut los und ich muss grinsen. Sie sind nur drei Jahre jünger als ich, aber ich glaube, ich habe mich noch nie in meinem Leben so alt gefühlt.

Das Schminken und Frisieren dauert eine halbe Ewigkeit, aber die Zeit vergeht wie im Flug. Zum einen liegt das an Elysias und Lus erfrischender Gesellschaft, zum anderen aber auch an der Aufregung. Auch wenn ich nicht mehr ganz so gestresst bin wie am Vormittag, macht mich der Gedanke an den Ball doch ziemlich nervös und es kommt mir so vor, als würde der Abend viel zu schnell näher rücken.

Als wir am Nachmittag schließlich die Maske verlassen und in Richtung Garderobe gehen, sehen wir alle bereits unglaublich aus, auch ohne passendes Kleid. Die Roboter haben unsere Haut mit einer schimmernden Flüssigkeit besprüht, nun leuchten wir regelrecht. Wir alle tragen aufwändige Frisuren – Elysia hat ihre hübsche Flechtfrisur behalten, aber noch ein paar künstliche Schmetterlinge in ihr Haar gesteckt – und ein Make-up, das perfekt auf den jeweiligen Typ abgestimmt ist.

Mein Haar trage ich offen, es wurden jedoch mehrere Zöpfe und bunte Bänder eingeflochten, nun sieht es nicht mehr so farblos und mausgrau aus. Meine dunkelbraunen Augen wurden mit schwarzem Stift dick umrandet und haben nun etwas Katzenhaftes.

Als wir die Garderobe betreten, kommt uns Lucien mit seiner Gruppe entgegen. Mein Blick sucht Kaida und findet sie sofort. Sie hat Diannes Rat beherzigt und sich ein Kleid ausgewählt, das ein absoluter Blickfang ist. Es ist weiß wie ein Hochzeitskleid und leuchtet regelrecht, allein die Farbe sticht zwischen all den anderen bunten Outfits schon hervor. Zusätzlich ist es von der Hüfte abwärts unglaublich bauschig, zudem ist es über und über von glitzernden Steinchen bedeckt. Der obere Teil ist enganliegend, die Schultern liegen frei.

„Wow!", forme ich mit den Lippen, als unsere Blicke sich treffen. Kaida grinst und reckt beide Daumen nach oben, danach verschwindet die Gruppe um eine Ecke und ich folge meinen noch immer giggelnden und plappernden neuen Freundinnen Lu und Elysia in den Umkleideraum.

Uns wurde nicht zu viel versprochen. Unmengen an Regalen und Kleiderstangen erwarten uns hier, und alles ist prall gefüllt.

„Meine Güte", wispert Lu, „das müssen ja an die tausend Kleider sein."

„Mehr!", sagt Elysia.

„Ihr habt zwei Stunden", informiert uns Isadora, „seht euch um, probiert Kleider an, beratet euch gerne untereinander. Wenn ihr hungrig oder durstig werdet, bedient euch." Sie zeigt auf einen Tisch, auf dem kleine Wasserflaschen und Snacks bereitstehen. „Auch hier gilt natürlich, wenn ihr Fragen habt, kommt ruhig zu mir. Nach der Kleiderwahl sind die Ballvorbereitungen für euch beendet, dann geht es auch schon bald los und wir machen uns auf den Weg zum großen Saal."

Ich bekomme einen kurzen Schreck. Ist es wirklich schon so spät? Ich habe keine Uhr dabei, aber seit wir heute Morgen mit dem Echostrider nach oben gefahren sind, scheine ich jegliches Zeitgefühl verloren zu haben. Das Mittagessen muss jedenfalls schon über zwei Stunden zurückliegen.

Elysia reibt sich die Hände. Ihre Augen leuchten. „Dann machen wir uns mal an die Arbeit, Mädels!"

Cinder & Blood: The darker Side of MidnightWhere stories live. Discover now