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„Warte mal", presse ich hervor und stemme mich gegen ihn, „wo willst du überhaupt hin?"

Sein Blick fliegt nach links und nach rechts, wirkt gehetzt.

„Das erkläre ich dir, wenn wir draußen sind, in Ordnung? Wir haben nicht viel Zeit."

Ich rege mich keinen Millimeter und starre ihn nur an, während um uns herum die Party tobt. Irgendwas an seinem flehenden Gesichtsausdruck lässt mich aber schließlich nachgeben. Ich stoße ein Seufzen aus und folge ihm.

Er schlängelt sich durch die Menschenmassen bis hin zur Bühne, ohne meine Hand dabei loszulassen. Hier tanzen die Leute so dicht gedrängt, dass wir im Dämmerlicht kaum auffallen. Kael drängt mich an den Rand der Bühne und ich will ihn gerade wegschieben, will protestieren ob der unerwünschten körperlichen Nähe, da spüre ich auch schon, wie das Holz hinter mir nachgibt und ich rückwärts in einen Hohlraum unter der Bühne stolpere.

„Was zum –?"

Sofort ist Kael bei mir und schließt die Tür hinter sich. Es ist stockfinster, über uns wummern die Bässe, doch all die Geräusche vom Ballsaal dringen hier unten nur noch gedämpft zu uns. Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Niemand dort draußen könnte uns jetzt hören.

„Was zum Teufel soll das?", zische ich in die Dunkelheit, halb aus Wut, halb um meine Angst zu verbergen. Ich sehe nichts als Schwärze und schlinge die Arme um meinen Oberkörper. Unwillkürlich trete ich einige Schritte zurück, bringe Abstand zwischen mich und den Fremden, zumindest versuche ich das.

„Psst", tönt Kaels tiefe Stimme durch die Schwärze. „Wir müssen uns beeilen. Ich will dir helfen, okay? Aber dafür musst du mir zuhören und genau das tun, was ich dir sage. Bitte vertrau mir."

Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich denke gar nicht daran, diesem Fremden aus Celestria zu vertrauen, warum sollte ich auch?

Ich überlege nicht mehr lange und beschwöre eine kleine Fackel herauf, die vor meiner Brust in der Luft schweben bleibt. Sofort wird der Raum in schummriges Licht getaucht und ich fühle mich eine Spur sicherer. Jetzt erkenne ich, dass wir uns in einer Art Rumpelkammer unter der Bühne befinden. Der Raum ist nicht besonders groß, bis auf ein paar Holzkisten und Kabelrollen jedoch leer.

Kael starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an.

„Ich ... Hast du das gemacht? Einfach so?"

„Rede", fordere ich ihn mit vor der Brust verschränkten Armen auf. „Wenn du willst, dass ich dir vertraue, dann erzähl mir, was zum Teufel hier vor sich geht. Und nimm die verfluchte Maske ab, ich will dein Gesicht sehen."

Kael nickt und schiebt die Maske nach oben, und ich kann nun den Rest seines Gesichts sehen. Jetzt realisiere ich, dass er nicht viel älter ist als ich, vielleicht Anfang zwanzig. Mein Blick bleibt jedoch an seinen Augen haften, die er weit aufgerissen hat, fast schon panisch.

„In Ordnung", sagt er. Er spricht hastig und wirft immer wieder Blicke nach hinten zur Tür, als hätte er Angst, dass sie jeden Augenblick aufgerissen wird. „Du musst hier raus, und zwar schnell. Nicht nur du, auch alle anderen Frauen. Ihr müsst zurück nach Tremoris, ich kann euch dabei helfen. Ich weiß, wie man den Echostrider bedient, ich kann euch nach Hause bringen, aber wir haben nicht viel Zeit. Jetzt ist es schon nach neun und um Mitternacht ist die große Zeremonie, bis dahin müsst ihr unbedingt verschwunden sein. Ich schlage vor, dass du hier unter der Bühne wartest, während ich versuche, die anderen einzusammeln. Ich weiß, dass es riskant ist, und mit Sicherheit werde ich nicht alle hier rausbringen können, aber ich muss es versuchen, wenn es nur ein paar sind ..."

„Warte mal", unterbreche ich ihn. Ich hebe abwehrend die Hände, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Jetzt warte doch mal! Um was geht es überhaupt? Warum müssen wir gehen? Was genau ist die Zeremonie?" Mein Puls rast inzwischen derart, dass mir übel wird.

„Ich weiß nicht, wie sie es dieses Jahr machen, die Details kenne ich nicht, aber ich weiß, dass sie jedes Jahr ..."

In diesem Moment fliegt die Tür auf und der Lärm des Balls dringt mit einem Schlag an unser Ohr. Ich erschrecke so sehr, dass meine Flamme erlischt, doch ich brauche sie auch nicht mehr, da nun Licht in den Raum dringt und die Umrisse eines bulligen Wachmanns enthüllt, der in der geöffneten Tür steht.

„Lauf!", schreit Kael und packt meine Hand.

Cinder & Blood: The darker Side of MidnightWhere stories live. Discover now