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Mit verschränkten Armen und noch immer glühendem Gesicht beobachte ich die Ballbesucher bei ihrem Balzverhalten. Ich hätte gleich auf meinen Instinkt hören sollen. Ich wusste, dass es ein dummes Spiel ist und wollte von Anfang an nicht mitmachen. Einen weiteren Versuch werde ich garantiert nicht wagen, egal, was Kaida sagt. Eher noch gehe ich nochmal zurück und verpasse dem Typen eine gesalzene Ohrfeige.

„Na, auch keinen Bock auf den Scheiß?", reißt mich eine Stimme aus meinen Gedanken. Ich drehe mich zur Seite. Neben mir steht eine Frau mit feuerrotem Haar, das ihr zu einem beeindruckenden Turm frisiert worden ist. Feine Sommersprossen zieren ihr Gesicht und das Dunkelgrün ihrer Augen passt perfekt zur Farbe ihres Kleides. In ihrer Hand hält sie ein randvolles Glas mit Rotwein. Sie grinst. „Ich bin Sylva", stellt sie sich vor, „und ich bin echt enttäuscht. Irgendwie habe ich mir den Ball cooler vorgestellt, du nicht auch?"

Ich seufze, erleichtert über die Ablenkung. „Ich bin froh, wenn es vorbei ist", stimme ich ihr zu.

„Käme im Leben nicht auf die Idee, mich an irgendeinen Kerl ranzuschmeißen, nur damit ich irgendwas von ihm bekomme", sagt sie und schüttelt den Kopf. Ich verkneife es mir, ihr von meiner Abfuhr zu erzählen und nicke nur.

„Wo genau wohnst du in Tremoris?", fragt sie mich. „Du kommst mir irgendwie bekannt vor. Haben wir uns schon mal gesehen?"

„Nicht, dass ich wüsste", sage ich. Mir zumindest kommt sie nicht bekannt vor. „Ich wohne im Duskpark, das ist der Trailerpark in der Stalaktenstadt, und du?"

„Oh, in dem Park war ich noch nie", sagt sie. „Aber komisch, ich könnte schwören, ich kenn dich! Ich komm aus dem Tiefengrund." Einen Moment lang mustert sie mich neugierig, dann hellt sich in ihrem Gesicht etwas auf. „Hey, warte mal! Ich glaube, nun weiß ich, woher ich dich kenne! Du bist doch die Aschekönigin, oder?" Ihre Augen werden riesig und unwillkürlich muss ich grinsen. Hier oben, nach allem, was heute passiert ist, mit diesem Namen angesprochen zu werden, fühlt sich merkwürdig surreal an. Und doch irgendwie so vertraut. Mit einem Mal erfasst mich das Heimweh.

„Stimmt", sage ich. „Aber du kannst Cinna zu mir sagen."

„Du bist unglaublich! Ich hab mal eine von deinen Shows gesehen! Wie machst du das?"

„Wenn ich dir das verraten würde, wäre es doch langweilig", winde ich mich heraus. Die Wahrheit ist, dass ich es selbst nicht weiß. Die meisten Menschen denken, ich würde mit irgendwelchen Tricks arbeiten, was eigentlich auch die einzige logische Erklärung wäre, es stimmt aber nicht. Ich weiß nicht, warum, aber ich scheine irgendeine seltsame Gabe zu haben, die andere Leute nicht haben.

„Auch wieder wahr", pflichtet sie mir bei. „Wenn wir wieder zurück sind, können wir uns ja mal treffen, wenn du magst. Besuch mich doch mal, ich führe ein kleines Café im Unterweltbogen, ich schwöre dir, ich mache die besten Grotto-Rolls! Du wirst nie wieder was anderes essen wollen. Und bei uns ist immer was los, ich hab oft Veranstaltungen und so. Letzten Monat gab es eine Lesung von Ebony Glimmer, nächste Woche wird Luminous Echoes bei uns auftreten. Du solltest echt kommen!"

Wärme breitet sich in meiner Brust aus. „Das mache ich sehr gern!"

„Und wenn es dir gefällt, magst du ja vielleicht auch mal bei uns auftreten?", fragt sie. Hoffnung schimmert in ihren Augen. „Das wäre so cool!"

„Klingt gut! Wie heißt denn dein Café? War ich schon mal dort?"

„Subterra Beans." Sie grinst.

„Klingt gut. Und nee, da war ich noch nie. Ich komm sehr gern vorbei!"

„Das würde mich riesig freuen. Und sonst? Was verschlägt dich hierher?", wechselt sie das Thema.

Ich zucke die Achseln. „Neugierde", sage ich schlicht, und das ist immerhin nicht ganz gelogen. Sylva ist mir so sympathisch, dass ich sie nicht anlügen möchte, gleichzeitig will ich aber nach wie vor meine Schwester nicht in Schwierigkeiten bringen. Neugierde wäre zumindest der einzige Grund, aus dem ich mich jemals für das alles hier beworben hätte. „Aber die ist nun restlos befriedigt", füge ich trocken hinzu.

Sylva lacht. „Geht mir genauso. Dachte, es wäre mal eine witzige Idee und ein ganz netter Urlaub, aber meine Güte, ist das lahm hier. Dann doch lieber ein paar Abyssal-Wraps aus dem Schattenwald."

„Bei allen Tiefen, fang bloß nicht damit an!", stöhne ich. „Den hatte ich erst vorgestern."

Sie prustet los. „Was, im Ernst? Du hast dich echt getraut? Wow, du bist härter, als du aussiehst!"

„Offensichtlich. Aber du hast recht, selbst die Nacht auf dem Klo war besser als dieses Theater hier."

Sylva lacht erneut und im selben Augenblick gesellt sich eine weitere Person zu uns: Elysia.

„Hey, Leute", sagt sie. Sie klingt müde und abgekämpft. Als ich mich zu ihr umdrehe, stelle ich fest, dass sie verweint aussieht. Ihre Augen sind gerötet und geschwollen, das Make-up verschmiert.

„Elysia", sage ich. „Was ist denn los?"

Sie winkt ab und zwingt ein schiefes Grinsen auf ihr Gesicht. „Ach, nicht der Rede wert", sagt sie leichthin, doch in ihren Augen sehe ich, dass sie ziemlich aufgewühlt ist. „Diese ganze Aktion hier ist nur einfach total blöd."

„Da sagst du was", seufzt Sylva und leert ihr Weinglas in einem Zug.

„Was ist denn passiert?", hake ich vorsichtig nach. Vorhin auf dem Klo klang das noch ganz anders, aber das reibe ich ihr natürlich nicht unter die Nase. „Als ich dich vorhin gesehen habe, hast du dich an einem Tisch mit einem Mann unterhalten. Hatte er keinen Schlüssel für dich?", frage ich sanft.

Sie schnaubt auf. „Nein, hatte er nicht", sagt sie. „Wir haben uns nett unterhalten, dann wollte er mich zur Toilette locken – du kannst dir vermutlich vorstellen, für was –, und nachdem ich abgelehnt habe, ist er ziemlich pampig geworden. Meinte, ich sei ihm eh zu dick und dass ich mich verpissen soll."

Fassungslos starre ich sie an, dann schüttle ich den Kopf. Was ist denn nur los mit diesen Typen? „Tut mir leid, dass du sowas erleben musstest", sage ich dann nur und ziehe sie in meine Arme. „Kopf hoch."

Sie legt den Kopf an meine Brust und schnieft ein paar Mal. „Jetzt ist das Spiel sowieso gleich vorbei", murmelt sie dann. „Gleich ist es zehn vor Mitternacht. Langsam bin ich froh, wenn der Abend endet, ich will nur noch in mein Bett."

„Geht mir genauso", sage ich und streichle ihr über das Haar. Doch innerlich spanne ich mich an. Nur noch wenige Minuten bis zur großen Zeremonie.

Elysia macht sich von mir los. „Ich gehe mal nach Lu sehen", sagt sie. „Mal schauen, ob sie mehr Erfolg hatte. Bis später, Cinna."

Sie verschwindet in der Menge und auch Sylva wendet sich ab. „Bin gleich wieder da", sagt sie und schwenkt grinsend ihr leeres Weinglas, „ich brauche nur dringend Nachschub, anders ist das hier nicht auszuhalten."

Auch sie verschwindet und ich bleibe allein an meinem Platz zurück. In diesem Moment springt über der Bühne eine riesige Digitalanzeige an und die Musik verstummt. Stattdessen ertönt eine mechanische Frauenstimme, die beginnt, einen Countdown herunterzuzählen.

Zehn.

Neun.

Acht ...


Mit einem Mal fröstelt mich. Unwillkürlich schlinge ich die Arme um meinen Oberkörper.


... Drei.

Zwei.

Eins.


Zero.

Cinder & Blood: The darker Side of MidnightNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ