Kapitel 34 Uraume

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Es fühlte sich an wie 6Uhr morgens, als ich aufwachte, aber der Raum war von Dunkelheit durchflutet und nur das Mondlicht ließ mich etwas erkennen. Mein Körper schmerzte an viel zu vielen Stellen, wobei mein Hinterteil und mein Rücken scheinbar besonders viel abbekommen hatten. Ich wollte mich aufraffen, aber etwas hinderte mich daran. Ein Blick an meine Taille verriet mir, dass es ein Arm war, der mich zurück hielt. Doch es war nicht irgendein Arm, sondern Sukunas... Er lag dicht hinter mir und hielt mich in seinen Fängen. Wieso war er überhaupt noch da? Und wieso hatte ich das Gefühl, dass mir seine Körpernähe nichts ausmachte. Im Gegenteil...ich fand es sogar angenehm seinen maskulinen Körper an meinem wunden Rücken zu spüren. Seinen Atem der gegen mein Haar hauchte. Seinen Geruch der sich mit meinem vermischte und das er einfach so neben mir schlief. Ich schüttelte gedanklich den Kopf. Das war absurd! Ich hob seinen Arm vorsichtig an und schlüpfte so leise es eben möglich war aus dem Bett. Seinen Arm legte ich behutsam wieder ab. Ich wollte sofort die Flucht ergreifen, aber blieb noch einen Moment stehen um ihn zu betrachten. Sein Brustkorb hob und senkte sich bei jedem Atemzug. Seine Haare waren zerzaust. Sein nackter Oberkörper wurde vom Schein des Mondlichtes angestrahlt. Er sah einfach perfekt aus. Jedes seiner Tattoos wirkte so, als müsste es genau an diesem Ort sein. Jeder Muskel schrie förmlich nach Kraft und sein Gesicht glich dem eines Engels. Es hatte weiche Züge bekommen. Sein schiefes Grinsen war verschwunden und wurde durch ein leichtes Lächeln abgelöst. Seine Lippen sahen so weich aus, dass es mich überkam. Ich beugte mich ein wenig zu ihm herab. Es war wie ein Bedürfnis ihn zu berühren. Wie ein Magnet der mich anzog. Vorsichtig streichelte ich ihm über die Wange und mein Blick haftete an seinem Mund. Doch dann zog ich meine Hand rückartig zurück. Ich richtete mich auf, schüttelte den Kopf und fragte mich ernsthaft, ob ich den Verstand verloren hatte. Ich schnappte mir das nächst beste Kleidungsstück vom Boden, zog es mir über und verschwand über die Schiebetür nach draußen in den Garten. Erst als ich den Gürtel um meinen Bauch zu einer Schleife formte, fiel mir auf, dass ich Sukunas Gewand erwischt hatte. Es war mir zu groß und schleifte auf dem Boden. Aber noch einmal zurück gehen, um mir etwas neues zu suchen kam nicht in Frage, denn am Ende weckte ich den Teufel in meinem Bett auf und das war das Letzte was ich wollte.
Die Luft war angenehm. Etwas kühl, aber nicht so sehr das ich frieren würde. Barfuß machte ich mich auf Richtung der Kirschbäume. Die rosafarbenen Blüten sahen sogar bei Nacht himmlisch schön aus.
Ich setzte mich auf eine kleine Holzbank, die sich unter einem der Bäume befand. Von hier aus konnte man den gesamten Tempel beobachten. Es brannten nur vereinzelt Lichter in irgendwelchen Zimmern. Die meisten schliefen, hatten angenehme Träume an die sie sich erinnern werden oder auch nicht, wenn sie erwachen würden. Ich versuchte mich nicht all zu sehr auf die Personen im Tempel zu konzentrieren. Ich betrachtete den sorgfältig angelegten Teich, der sich ein Stück von mir entfernt befand. Meine Gedanken schweiften dabei ab und ich überlegte wie es wohl meinem weißhaarigen Idioten gerade erging. Ob sich alle schon auf die Suche nach Yuji und mir gemacht hatten? Ein Gefäß und ein Sonderrang spurlos verschwunden... Ich malte mir die Titelseite der Zeitung schon aus. Auch wenn so etwas niemals darin stehen würde. Sicherlich drehten die alten Säcke gerade durch und machten vor allem Gojo Stress. Er hatte schließlich die Verantwortung für den Jungen und wenn sie mich finden würden, dann wäre das mein Todesurteil. Gerade als ich mir meine Hinrichtung vorstellte, spürte ich, wie jemand näher kam.

"Uraume? Was machst du denn so spät hier draußen?" fragend blickte ich in ein ausdrucksloses Gesicht.
"Es ist meine Aufgabe mich um Sie zu kümmern, deshalb würde ich Sie bitten wieder zurück in ihr Schlafgemach zu gehen."
Ich drehte mich einfach wieder um, setzte mich zurück auf die Bank und klopfte neben mich. 
"Setzt dich doch bitte. Es ist wirklich wunderschön hier." Ohne eine Bemerkung nahm Uraume neben mir Platz, aber ich spürte den mahnenden Blick auf mir.
"Kann ich dich etwas fragen?" gab ich leise von mir. In weiter Ferne konnte man ein paar Zikaden zirpen hören.
"Das dürfen Sie. Ich weiß nur nicht, ob ich ihnen darauf antworten kann." Zum verstehen nickte ich kurz. Dann sah ich Uraume in die Augen. Sie hatten die gleiche Farbe wie die Tupfer in dem weißen Haar.
"Ich kann deine Informationen aus mir unerklärlichen Gründen nicht ganz abrufen. Sie sind... fehlerhaft, würde ich sagen. Ich nehme dich zwar wahr und kann auch einen Bruchteil deiner Vitalfunktionen spüren, aber es ist als würde mich etwas blockieren. Deshalb muss ich dich jetzt einfach fragen.... bist du ein Junge oder Mädchen?" Allein diese Frage zu stellen kam mir etwas lächerlich vor, aber es interessierte mich seitdem ich diesem Kind begegnete bin. Es blieb kurz still, bis ich eine Antwort bekam.
"Es spielt nicht wirklich eine Rolle welches Geschlecht ich besitze, aber wenn es Sie glücklich stimmt diese Information zu erhalten, dann kann ich ihnen sagen, dass ich als Frau geboren wurde." Ein kleines siegessicheres Lächeln huschte mir über die Lippen. Ich wusste es zwar nicht eindeutig, aber anhand von Gewicht, Herzschlag und ein paar Hormondaten konnte ich mir zu 67% sichern sein, dass Uraume ein Mädchen war.
"Danke das du es mir gesagt hast. Und kannst du dir auch erklären warum meine Fähigkeiten bei dir irgendwie... eingeschränkt sind? Ich habe versucht nach Gründen zu suchen, aber so etwas ist mir bis jetzt noch nie passiert."
Erwartungsvoll schaute ich in die rotvioletten Iriden und erhoffte mir eine plausible Antwort, doch die blieb aus. Sie schüttelte nur mit dem Kopf. Mehr bekam ich nicht. 
"Okay. Dann eine andere Frage. Wieso bin ich hier?"
"Das werden Sie noch erfahren." Uraumes Blick war kaum zu deuten. Ich hoffte daraus etwas lesen zu können, aber hatte keine Chance. 
"Wie stehst du zu Sukuna? Was ist euer Verhältnis?"
"Er ist mein Retter." bekam ich kurz und knapp zurück. Was wiederum wieder neue Fragen aufwarf.
"Wie meinst du das?" Uraume schaute in die Ferne, aber ihr Blick wirkte leer.
"Solche Fragen sollten Sie ihm selbst stellen. Ich kann Ihnen keine Auskunft über Dinge geben die ihn betreffen." Ihre Augen starrten weiter geradeaus. Sie schien gedanklich ganz woanders zu sein. Vielleicht hatte ich eine zu persönliche Frage gestellt. Diesen Ausdruck kannte ich dennoch zu gut. Auch wenn er ausdruckslos schien, so spiegelte sich darin viel Schmerz, Leid, Trauer und doch Liebe, Hoffnung und Zuneigung. Egal was ihre Verbindung zu ihm sein mag, ich hatte damit offenbar eine alte Wunde aufgerissen.
"Darf ich dich umarmen?" fragte ich aus dem nichts und Uraume riss ich aus ihren Gedanken. Unglaubwürdig schaute sie mich an. Eingewickelt in Sukunas Gewand, mitten in der Nacht unter einem Kirschbaum sitzend. Etwas skurril aber dennoch real. Sie überlegte angestrengt und nickte dann, mit einem leisen "Wenn Sie das wünschen". Und schon hatte ich meine Arme um ihren kleinen Körper geschlungen. Sie hatte etwas Puppenartiges. So als würde sie gleich zerbrechen, wenn ich sie etwas zu feste drücken würde. 
"Wenn du über etwas reden möchtest, dann kannst du jederzeit zu mir kommen und bitte nenn mich Shiori. Du musst mich nicht Siezen, denn dann komme ich mir so alt vor." Ich bekam keine Antwort. Vorsichtig hob ich meinen Arm, um ihr über das Haar zu streichen. Ich wusste, dass es etwas beruhigendes hatte. Doch kaum hatte ich meine Hand auf ihren Kopf gelegte, schossen mir Bilder in den Kopf. 

Ein Mädchen mit langen weißen Haaren stand mitten in der Dunkelheit. Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, da sie mit dem Rücken zu mir stand, aber ihr Haar strahlte so hell wie der Mond. Sie trug ein graues Kleid. Es wirkte alt und herunter gekommen. An manchen Stellen hatte es kleine Löcher und war von Schmutz befleckt. Sie hatte keine Schuhe an. Ihre Knöchel an den Beinen wirkten abgemagert, genauso wie ihre schlaff zur Seite hängenden Ärmchen. Dann wechselte das Bild.
Plötzlich sah ich Sukuna. Oder war es jemand anderes? Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm, wie die Tattoos, Augen und Ausstrahlung, aber er war viel größer. Der Mann der da stand hatte vier Arme. In einem hielt er einen riesigen Speer der Blut verschmiert war. In einem anderem einen abgetrennten Kopf. In den zwei verbleibenden hielt er ein winziges Mädchen... mit langen weißen Haaren. Ich wusste nicht ,ob dass was ich gerade sah, real war oder ob mein Verstand mir einen Streich spielte, aber es ließ mir einen eisigen Schauer über den Rücken laufen. Der Körper des Mädchen war schlaff und regungslos. Ihr Kleid hatte sich fast vollständig rot gefärbt. An Armen und Beinen hatte sie Schnitt- und Schürfwunden. Die Haare bedeckten ihr kleines Gesicht... Ihr rechter Arm fiel regungslos von ihren Bauch herab und das Blut aus ihren Wunden begann langsam daran herab zu rinnen. An ihren kleinen Fingern sammelte sich die rote Flüssigkeit und es fiel ein Tropfen nach dem anderen zu Boden. Wie in Zeitlupe musste ich mit ansehen, wie immer wieder neues Blut ihren Arm entlang floss um danach auf den Boden zu prallen. Sukuna oder wer auch immer sie da im Arm hielt, regte sich nicht. Er sah Majestätisch aus. Angsteinflößend. Mächtig. Allein bei dem Anblick seiner riesigen Gestalt fühlte man sich wie ein Nichts. Ein Speer, ein abgetrennter Kopf und ein wahrscheinlich Totes Mädchen... hatte das etwas zu bedeuten?
Dann war es plötzlich dunkel und kurz darauf hatte sich das Bild geändert.
Das Mädchen stand wieder mit dem Rücken zu mir. Aber war es wirklich noch das selbe Mädchen? Die Haare waren jetzt kurz und reichten nur noch bis zu den Schultern. Und zwei rotviolette Farbtupfer durchbrachen das wundervolle Weiß. Sie trug anmutige Kleidung. Wirkte nicht mehr zerbrechlich, aber dennoch eiskalt... War das Uraume? Was hatte ich eben gesehen? Träume ich?

Leise hörte ich wie jemand etwas sagte. Die Stimme klang aufgewühlt, fast schon verzweifelt.
"Es tut mir schrecklich Leid... Ja ich weiß... Nein ich wollte... Aber.." 
Bruchstücke eines Gesprächs konnte ich wahrnehmen und dann spürte ich wie mein Körper hoch gehoben wurde. Es fühlte sich warm an. Vertraut. Ich wollte dieses Gefühl noch länger auskosten, aber hörte eine Stimme die mich aufschrecken ließ.
"Ich weiß das du mich hören kannst Weib. Also wach endlich auf, ansonsten werde ich andere Maßnahmen ergreifen!"
Wie auf Kommando öffnete ich meine Augenlieder und bereute es sofort. Denn Sukunas fast dunkelrote Augen funkelten mich mit so viel Wut darin an, dass ich mir wünschte lieber wieder in Ohnmacht zu fallen oder zu sterben, als hier zu sein.

The Secret / Sukuna x ShioriWhere stories live. Discover now