Kapitel 38 Abschied 🍋

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Mit einem eisigen Schweigen betraten wir mein Zimmer. Im Hinterkopf musste ich an all die Leute in dem Tempel denken, die wahrscheinlich ängstlich dort auf mich warteten, doch gerade konnte ich nicht zu ihnen. Sie müssten sich wohl noch eine Weile in Geduld üben. Die Tür fiel hinter uns ins Schloss und ich wusste nicht was mich nun erwarten würde. Sukunas Handlungen waren so irrational, dass ich sie selbst durch Statistische Berechnungen nicht vorherkalkulieren konnte. Doch ich hatte eine übe Vorahnung. Merkwürdigerweise setzte er mich behutsam ab, wendete mir dann seinen Rücken zu und stellte mir eine Frage. 
"Warum?" Ein einzelnes Wort. Doch so viele verschiedene Antwortmöglichkeiten... Was wollte er von mir hören? Warum dieser Kenjaku hier war? Warum er mir einen Antrag gemacht hat? Warum er mich geküsst hat? Warum ich ihn nicht eliminiert habe? Warum ich einfach nur da stehen konnte? Ich hatte selbst tausend Fragen in meinem Kopf und noch weniger Antworten als zuvor. Ich zögerte kurz. Wollte etwas auf seine Frage antworten, doch konnte es nicht. Wie sollte man auch jemandem eine Frage beantworten, auf die man selbst keine Antworten hatte? Plötzlich flog mein Körper durch die Luft. Alles was danach kam, war der Schmerz durch einen heftigen Aufprall. Es dauerte wenige Sekunden bis ich verstand, dass Sukuna mich geradewegs in meinen Schrank gestoßen hatte. Offenbar hatte ich ihn verärgert... Das war abzusehen. Er war ja eher weniger der Einfühlsame Typ. Ich hatte schon mit einer angemessenen Strafe gerechnet. Offen blieb nur wie hoch diese ausfallen würde. In Anbetracht der Situation... kann ich mich auf einen laaaaangen Abend einstellen. Es war ermüdend zu wissen, dass man die nächsten Stunden damit verbringen würde, endlose Qualen zu durchleben. Eins muss man ihm lassen, er hatte wirklich ein Händchen dafür, den Menschen Leid zuzufügen. Langsam raffte ich mich auf. Der Aufprall war zwar heftig, aber bis auf ein paar Prellungen hatte ich keine weiteren Verletzungen. 
"Du musst deine Frage wohl präziser stellen, damit ich dir antworten kann." gab ich locker zurück. Wenn ich eine Sache nicht konnte, dann war es mich ihm vor die Füße zu werfen und ihn anzubetteln, dass er mich verschonen solle. Nur über meine Leiche. Lieber leide ich, als mir so eine Blöße zu geben. Sukuna drehte sich um, blieb jedoch an Ort und Stelle. Danach tropfte mein Blut auf den wunderschönen Holzboden und färbte ihn in einem wohlig warmen Rotton. Mein Körper zierten nun einige Schnittwunden. Diese waren jedoch nicht so tief, dass ich daran verbluten würde... Nein sie waren genau so groß und breit, dass sie mir Schmerzen bereiten würden, ich allerdings nicht daran sterben könnte. Wie ich bereits erwähnte...er hatte ein Händchen für so etwas. Ich konnte sehen, wie seine Halsschlagader pulsierte, wie die Adern an seinen Schläfen hervortraten, wie sich jeder Muskel in seinem Körper versteift hatte und vor Wut bebte. Seine Augen beobachteten, wie das Blut an mir herunter lief. Wie sich jeder einzelne Tropfen den Weg aus meinen Blutgefäßen bahnte, um am Ende an meiner Haut herab zu rinnen oder meine Kleidung zu benetzen. Wieder entkam Sukunas Mund ein fast schon knurrendes "Warum?" Doch egal wie oft er dieses Wort aussprechen würde, ich hätte darauf keine Antwort. Mit zittrigen Beinen tat ich einen Schritt auf den Fluch zu. Wieder spürte ich ein brennen, gefolgt von einem ziehenden Schmerz auf meiner Haut. Weitere Schnitte. Perfekt platziert... doch damit würde er mich nicht aufhalten. Ich ballte meine Fäuste und versuchte den Abstand zwischen uns zu verkleinern. Er versuchte mich aufzuhalten. Doch er hätte mir schon meine Beine und Arme abtrennen müssen, um mich aufzuhalten. Aus unerklärlichen Gründen konnte ich diesen Anblick nicht ertragen. In dem Moment in dem er sich umgedreht hatte, konnte ich es sehen. Nicht die Wut. Nicht den Hass. Nein... den Schmerz. In seinen blutroten Iriden sah ich diesen bedrückenden Schmerz. Egal was ihn verursacht hatte, ich wollte ihm diesen Schmerz nehmen. Ich... eine Jujuzistin... will einem Fluch... Nein... dem Fluch der Flüche seinen Schmerz nehmen? Allein die Worte in meinem Kopf zu hören, klang schon lächerlich, aber es auch in die Tat umzusetzen, grenzte schon an Wahnsinn. Doch es drängte mich einfach etwas dazu. 

Mit dem letzten Schritt überwand ich die Distanz zwischen uns. 
"Wirst du mir Antworten, wenn ich dir Fragen stelle, zu dem was eben passiert ist?" fragte ich ruhig, aber bestimmt. Sein übliches Grinsen legte sich auf sein Gesicht, doch er war nur ein halb so guter Schauspieler wie er glaubte zu sein. Ich erkannte sofort, dass es mehr als gestellt war.
"Tze. Ich muss meinem Spielzeug ganz sicher keine Fragen beantworten. Wohl eher solltest du meine..." doch ich ließ ihn seinen Satz nicht beenden. Ein lautes "Nein." verließ meine Lungen und meine Stimmbänder gaben es etwas zu laut wieder, als ich es beabsichtigt hatte. Verdutz sah er mich an. Damit hatte er offensichtlich nicht gerechnet und kurz war die Wut verschwunden. Daraufhin begann er zu lachen.
"Du wagst es mir Widerworte zu geben? Hast du etwa noch nicht genug gelitten?" 
"Ich werde dir nicht antworten, wenn du mir nicht antwortest." Ich streckte ihm mein Kinn entgegen und blickte ihm tief in die Augen. Dann nahm er mein Kinn in seine Hand und flüsterte leise "Was ist, wenn ich dich dazu zwinge?" Die Nägel seiner Hand bohrten sich tief in mein Fleisch. Normalerweise sollte mir diese Geste Angst einjagen, aber in mir entfachte es ein Feuer. Ein Feuer das immer dann zu lodern begann, wenn er mir zu nahe kam. Es war fast so, als würde eine Glut in mir vor sich hin dimmen und sobald er da war, wurde daraus ein kleines Feuer. Doch dieses Feuer begann sich auszubreiten und größer zu werden, sobald ich ihm zu Nahe kam. 
"Dann musst du das wohl tun." gab ich zurück. Sukunas Blick fiel wieder auf meine Lippen und wieder huschte ein angeekelter Blick über seine Gesichtszüge. 
"Dem großen König der Flüche missfällt es wohl, dass sein teures Spielzeug von einem anderem missbraucht wurde?" gab ich neckisch von mir und im nächsten Moment rang ich nach Luft. Seine Hand fest um meine Kehle geschlossen. Die Mordlust war ihm wie auf die Stirn geschrieben. Dennoch konnte er den Blick nicht von mir nehmen. Und das Feuer in mir war zu einem Brand geworden. Obwohl ich gerade kurz davor war, zu sterben. Kribbelte meine Haut, meine Herz raste, mein Becken loderte. Es war mir unerklärlich... doch dieser Fluch hatte eine besondere Wirkung auf mich. Ob es daran lag, dass ich mein erstes Mal an ihn verloren hatte? Dass ich die Berührungen von ihm einfach nicht vergessen kann? Das sich mein Körper nach ihm verzehrt? Es spielte am Ende keine Rolle, denn ich wusste tief in mir, dass er einen Teil meiner Seele hatte. Einen dunklen Teil der womöglich besser hätte Verborgen bleiben sollen. 
Ich wollte ihm etwas entgegen setzen, doch bekam ich keinen Ton heraus. Zu eng war seine Hand um meinen Hals geschnürt. Stattdessen grinste ich ihm entgegen. Ich grinste genauso selbstgefällig, wie er es immer tat. Und es gefiel mir, dass Schauspiel in seinen Augen zu beobachten. Wie er auf diese Herausforderung reagierte. 

The Secret / Sukuna x ShioriWhere stories live. Discover now