10. Verzweiflung

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POV Kuno:

Ich habe den Atem angehalten, während ich irgendwie versuche zu begreifen, was hier gerade vor sich geht. 

Dieser Mann, welcher mich betrachtet, als würde er genau wissen, wer ich bin. 

Durch seine große Statue, die breiten Schultern und beweglichen Körper wirkt er respekteinflößend. Es sind Muskelregionen von ihm trainiert, welche von einer tiefen, inneren Kraft, Körpergeschick und Wendigkeit berichten.

Er sieht aus wie jemand, der genau weiß, wie man sich in einem Kampf bewegen müsste. Wieso ich jetzt an so etwas denke? Keine Ahnung.

Zugleich wirkt er aber alles andere als Gewalt-geneigt. Im Gegenteil. Er scheint mir eher eine friedvolle Persönlichkeit zu sein, zumindest lassen mich das, unter anderem seine feinen Gesichtszüge vermuten, wenn man das überhaupt daran herauslesen kann.

Seine Haare sind hell und als Zopf nach hinten zusammengefasst, während ihm ein paar lose Strähnen verwegen ins Gesicht fallen.

Da er immer noch am Waldrand stehen geblieben ist, bin es nun ich, welcher einige Schritte auf ihn zu tritt. Dann jedoch halte ich inne, als mir einfällt, wovor Anella mich vor kurzem gewarnt hat. Sie meinte, ich dürfe nichts von ihrer Feennatur wissen, da es sonst welche gibt, die sich auf die Suche nach Menschen wie mir begeben. 

Meine Vermutung ist, dass Anella deshalb nicht aufgesucht wird, weil sie selbst ebenfalls eine Fee ist und sie dieses Wissen vielleicht nur vor den Menschen beschützen wollen. Das würde zumindest erklären, weshalb mich dieser Mann gerade so eingehend betrachtet. Als würde er ebenfalls versuchen, einzuschätzen, was in mir vorgeht.

Ob das hier ein Trick ist? Sind hier noch mehr und beobachten, ob ich sofort weiß, dass er kein Mensch ist, sondern... ja... eine Fee? Wollen sie herausfinden, ob ich es weiß? Und was, wenn ich mich irre?

Doch was, wenn er gar nicht meinetwegen da ist? Was, wenn es um Anella geht? Ich merke, wie ich mich innerlich verspanne. Ich werde nicht zulassen, dass ihr irgendetwas geschieht.

Wir sehen uns beide eingehend an und versuchen anscheinend uns gegenseitig zu durchschauen. 

Rasch schweift mein Blick in die umliegende Umgebung. Ich horche auf Geräusche, auch wenn mir klar ist, dass ich, falls es sich wirklich um mehrere Feen handelt, keinen Mucks vernehmen würde. Das habe ich inzwischen nur zu gut von Anella gelernt.

Mein Blick schweift hinunter zu seinen Füßen. Barfuß.

Ein Indiz mehr dafür, dass ich mit meiner Vermutung recht habe. Auch sein dünnes, luftiges Flachshemd, welches vorne offen gelassen ist, weist darauf hin, dass er nicht gerne in enger Kleidung steckt. Genau, wie Anella. 

Um seinen Hals trägt er zwei Amuletts, welche für einen Moment meinen Blick einfangen. Eines leuchtet dabei wie der Mond und kommt mir irgendwie seltsam bekannt vor.

Seine braune Hose, die ihm bis kurz über die Knie reicht, scheint ebenfalls aus einem eher bequemen Material zu sein. Auf seinem Rücken trägt er einen kleinen Beutel, welcher einem altmodischen Rucksack ähneln könnte. 

Um seine Hüfte schmiegt sich ein Gürtel, welcher so allerlei Gegenstände verborgen hält. Zu gerne hätte ich sie einer weiteren Betrachtung unterzogen, würde im selben Moment nicht seine Stimme ertönen.

„Du bist Kuno, nicht wahr?"  

Ich merke, wie meine Nackenhaare sich wachsam aufstellen. Was hat das alles zu bedeuten? Woher kennt er meinen Namen? 

„Sieht wohl so aus", gebe ich zur Antwort, woraufhin sein einer Mundwinkel zu zucken beginnt. 

Wieder folgt ein kurzes Schweigen, in welchem ich versuche irgendwie meine Gedanken zu sortieren. 

Tanz mit dem Morgentau - Das Geheimnis der Tränen ~ Band 3Where stories live. Discover now