12. Summendes Blut

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Mein Atem stockt. Ich sehe das Entsetzen in seinen braunen Augen, welches augenblicklich auf mich überschwappt. Verdammt, er hat wohl schon mein schlechtes Gewissen, oder wer weiß was noch alles in meinem Blick erhascht. Sofort ist er ganz nahe bei mir.

Sein Körper strahlt eine Kraft und Intensität aus, die an einen cholerisch, hütenden Panther erinnert, welcher niemanden auch nur auf zehn Meilen an seine Auserkorene heranlässt. Sein Fell wütend gesträubt. In seiner Brust beinahe schon ein tiefes, dunkles Knurren, welches in meiner Einbildung sogar schon zu hören ist. 

Seine dunkle Aura ist so bedrohlich um uns gebarst, dass gewiss jeder, welcher sich deren Zorn unterzieht, schleunigst die Biege macht. 

Ach Kuno, er steigert sich da wieder einmal viel zu sehr hinein.

„Wer, oder was bedroht dich, Anella? Sag es mir, verdammt. Du kannst mir so etwas doch nicht verheimlichen!"

Er ist so aufgebracht. Ich kann regelrecht fühlen, wie seine Sinne sich geschärft haben und er jede noch so kleinsten Regungen und Mimik in unseren Gesichtern wahrnimmt, um sie hinterher zusammenzusetzen. Er scannt die Situation und ich weiß auch genau wo das hinführen würde, wenn er die ganze Wahrheit erfährt.

„Tyrian!", wendet er sich nun an diesen, da er von mir ja keine Antwort bekommt. Ich höre nur zu gut diesen unnachgiebigen Klang aus seiner Forderung. Hier gibt es kein Entkommen.

Tyrians Blick schweift zu mir. Er fragt mich im Stillen, ob ich noch etwas einzuwenden habe, da er es ihm sonst erzählen wird. Oh ja, das habe ich, doch mein Mund bleibt verschlossen. Es kommt kein Ton heraus. Ich wüsste ja auch nicht, was ich sagen soll, also wendet er sich wieder an Kuno.

„Es sind die Jäger." Kunos Augen weiten sich erschrocken. „Was?" Für einen Moment scheint er perplex darüber, bis er realisiert, dass es sich hierbei um einen Überbegriff und keine gewöhnlichen Tierjäger handeln muss.

„Du... wirst gejagt?" Diesmal gilt seine Frage wieder direkt mir. Und zwar mit so einer Vehemenz, dass es mir durch Mark und Bein geht. Die Spucke bleibt mir irgendwie im Hals stecken und ich versuche sie mühsam herunterzuschlucken, doch es klappt nicht.

Meine Schuldgefühle klopfen gegen meine Brust, genau wie die Angst davor, was Kuno jetzt mit diesem Wissen anstellen könnte. Ich weiß nur zu gut, dass er dazu neigt seine eigene Sicherheit ganz weit hinten anzustellen. Wenn überhaupt.

„Von... Jägern?" Er dreht sich wieder zu Tyrian. „Was sind das für welche und was wollen sie von ihr?"

Tyrians Blick nimmt die Spur von Melancholie an, als er traurig antwortet „Die Tränen."

Einen Moment ist es still. Ich sehe genau, wie die Erkenntnis sich in Kunos Augen sichtbar macht. Jetzt weiß er es. Er weiß alles. Sein Ausdruck wirkt so entsetzt, dass ich es für einen Moment nicht wage zu atmen.

Kunos Hände haben sich zu festen Fäusten geballt, während er seinen Blick, ganz langsam in meine Richtung wandern lässt. Er sagt keinen Ton. Ich sehe nur den Schock und das Entsetzen der Erkenntnis in seinen Augen. Er weiß, was das bedeutet. Er ist sich bewusst, dass die Tränen Wirkungskräfte in sich bergen, welche wohl von einigen sehr begehrt werden.

Ich sehe ihm an, dass er es begreift, ohne dass wir es aussprechen brauchen. Er schluckt und starrt mich einfach an. 

„Wie viele sind es?", bringt er nach einer Weile ernst und krächzend hervor. Als nichts kommt, wendet er sich wieder an Tyrian. 

„Das wissen wir nicht. Die meisten halten sich im Hintergrund, aber auf dem Schwarzmarkt wird viel damit gehandelt, also müssen es einige sein, die davon wissen." Kuno zuckt zusammen und plötzlich tritt er noch näher an mich heran. Sein Blick wandert wachsam über die Umgebung, als erwarte er, dass jeden Augenblick schwer bewaffnete Verbrecher aus dem Gebüsch stürmen könnten.

Tanz mit dem Morgentau - Das Geheimnis der Tränen ~ Band 3Where stories live. Discover now