29. Liebe meines Herzens

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Nachtschwarzer Himmel. Es ist so dunkel draußen, dass man fast nichts erkennt. Sanfte Regentropfen prasseln an die Scheibe, als wollen sie uns darüber etwas zuflüstern. Ein Geräusch, welches uns schon die ganze Nacht fast durchgehend begleitet.

Ich sitze eingekuschelt in einer Wolldecke am Fenster und sehe hinaus, da ich vor Aufregung irgendwie gar nicht schlafen kann.

Bald werde ich meinen Vater sehen. Also vielleicht. Ob er... ob er sich freut? Wie er wohl ist? 

Mein Blick fällt hinter mich auf das Bett, sodass ich Kunos schlafende Gestalt ausmachen kann. Da wir es schon nach zwölf haben, hat sein Geburtstag schon begonnen. Ein warmes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen.

Der Tanz vorhin hat gutgetan. Ich spüre meinen belebten Körper noch immer. Erst durch heute ist mir bewusst geworden, wie sehr ich das Tanzen vermisst habe. Es war so eine schöne Erfahrung, mich mal mit anderen Menschen zusammen in diesen Zustand zu begeben. Das hat so etwas Kraftvolles an sich.

Mir gefällt Irland bis jetzt ziemlich gut. Die Menschen sind freundlich und die Natur hier teilweise sehr atemberaubend. 

... Vielleicht ein bisschen viel Regen, aber den liebe ich ja sowieso. 

Ein gequältes Keuchen reißt mich aus meinen Gedanken und lässt mich erschrocken abermals zu meinem geliebten Kuno herumfahren. Er wälzt sich in dem großen Bett unruhig hin und her. Sein Atem geht schnell, gepaart mit einem leisen Wimmern, welches sich mir durch Mark und Bein frisst. 

Kuno! Was hat er? Etwa einen Albtraum?

Besorgt stehe ich auch und laufe zu ihm ans Bett. Seine Hand tastet unruhig neben sich auf die leere Stelle, wo vorhin noch ich gelegen hatte. Seine Finger graben sich in die Matratze. Es ist seine verletzte Hand. Das sollte er lieber nicht machen!

„Kuno", hauche ich. Gerade will ich meine eigene unter die seine schieben, als er sich schon wieder herumwälzt. Sein Atem kommt stoßweise und so schnell, als wäre er gerade sehr schnell gerannt. 

„Nein! Nein nicht!" Bei dem schmerzerfüllten Klang seiner Stimme zucke ich zusammen. „Tu das nicht, bitte!", wimmert er und tastet abermals wild um sich, als versuche er irgendetwas, oder jemanden zu erhaschen. 

„Kuno, ich bin hier!" Ich versuche seine Hand zu erwischen, aber er ist so in seinem Rausch, dass es nicht so ganz klappt.

Kurzerhand klettere ich auf ihn und lasse mich über ihm niedersinken. Sofort spüre ich starke, verkrampfte Arme, die sich um mich schlingen und in einem Ruck aus fester Verzweiflung dicht an sich heranziehen. Ich japse nach Luft, da er mich so festhält, dass mir das Atmen schwerfällt, doch das ist mir im Moment egal. Hauptsache er hört auf diesen Schmerz zu verspüren. 

Tränen laufen über seine Wange und ich spüre wie er sein Gesicht tief in meinen Haaren vergräbt, um meinen Geruch in sich zu inhalieren. „Bleib bei mir", flüstert er undeutlich und gepaart mit einem Schluchzen. Er schläft wohl immer noch.

Seine Augen sind geschlossen. Seine Stirn überzieht ein sanfter Schweißfilm. „Kuno, natürlich bleibe ich bei dir! Hörst du?"

„Anella, geh nicht!" Wieder überwältigt ihn ein erzitterndes Schaudern, sodass sein klammernder Griff um mich noch fester wird. 

„Kuno, ich bin doch da!", presse ich unter Anspannung seiner festen Umklammerung hervor.

Sein Atem geht nach wie vor schnell und verzweifelt.  Er scheint schon wieder unruhiger zu werden. Bin ich ihm etwa noch nicht dicht genug? Ich sollte ihn wohl besser aufwecken. 

Ich streife mit meinen Fingern zärtlich über seine Wange und hauche ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. „Ich bin hier, hörst du!" Sofort saugt er diesen Kuss tief in sich auf. Schnappt nach meinen Lippen und presst mich noch enger an sich heran. 

Tanz mit dem Morgentau - Das Geheimnis der Tränen ~ Band 3Where stories live. Discover now