04| rauchblau

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Seraphin

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Seraphin

Sobald ich das Internatszimmer erreicht hatte, das ich mir mit meinen drei Mitbewohnern teilte, wusste ich auch schon, dass sie dieses Mal übertrieben hatten. Sie waren wirklich alle extrem fahrlässig. Schließlich würde kein normaler Mensch kurz vor Nachtruhe im Zimmer rauchen. Nicht, wenn die Betreuer in jedem Zimmer vorbeischauen würden und kontrollieren würden, ob alle da waren. Allerdings waren sie auch keine normale Menschen. Wohl eher irgendwelche nervigen Dämonen, die es liebten Unruhe zu stiften.

Energisch zog ich die Zimmertür hinter mir wieder zu und ließ alles auf mich einwirken. Der widerwärtige Gestank der Zigaretten war allumfassend, was vielleicht auch daran lag, dass sie keine Fenster geöffnet hatten. Zusätzlich war die Luft unglaublich schwer und roch nach Alkohol. Dabei war es erst Sonntag, also der Start in eine neue Woche. Und natürlich mussten sich die drei wieder abschießen.

„Seid ihr eigentlich komplett verrückt?", schalt ich sie genervt, als ich meine Schuhe und Jacke im Vorraum gelassen hatte und den ersten Schritt in das eigentliche Zimmer wagte.

Ethan riss unbeeindruckt eines der drei Fenster auf und zündete sich eine neue Zigarette an. Der einzige Unterschied zu vorhin war, dass er nun immerhin aus dem Fenster rauchte. Mehr Wirkung hatten meine Worte auf ihn nicht.

Simon, der sich wie sonst auch, hinter seinem Laptop verschanzt hatte, blickte mich träge darüber hinweg an und widmete sich wieder seinem Programm. Anfangs hatte ich noch geglaubt, dass er im Gegensatz zu den beiden Maschinenbauern noch halbwegs in Ordnung war, doch inzwischen stellte ich auch das in Frage. Zumindest, wenn ich nach der Bierflasche ging, die neben seinem geliebten Laptop stand.

Resigniert schüttelte ich den Kopf und wandte mich dem letzten Mitglied der drei zu. Valentin, derjenige, von dem ich immer gedacht hatte, dass er der unvernünftigste von allen war, machte seinem Ruf alle Ehre. Statt in seinem Bett zu liegen, in dem eine Zigarettenschachtel ihren Platz gefunden hatte, hatte er sich auf seiner Seite des Tisches ausgestreckt und starrte an die Decke.

„Euch ist schon klar, dass bald Nachtruhe ist, oder?", versuchte ich es erneut. Simon nickte. „Wissen wir, deswegen habe ich dir auch geschrieben." Das war wieder einmal klar gewesen. Wenn sonst nichts half, musste ich herhalten. „Und was plant ihr jetzt zu unternehmen? Ich habe keine Lust darauf, dass wir alle hochkant rausfliegen", stellte ich klar, bevor ich den Raumspray und die Packung Aspirin auf den Tisch legte.

„Was auch immer dir einfällt", meldete sich Ethan vom Fenster her zu Wort, „wir sind nicht wählerisch, solange dein Plan uns davor bewahren kann zu fliegen. Außerdem bist du wahrscheinlich der Einzige von uns, der logisch genug dafür denken kann."

„Hey, das nehme ich als persönlichen Affront", mischte sich Valentin ein, der sich ruckartig aufsetzte und erst einmal blinzeln musste, damit er irgendjemanden klar fokussieren konnte. Das helle Deckenlicht hatte wohl nicht zur Verbesserung seiner Sehkraft beigetragen, stellte ich trocken fest. „Ich kann sehr wohl noch logisch denken."

Ethan ignorierte ihn geflissentlich und drückte seine Zigarette am Fensterbrett aus. Ich war einfach nur froh darüber, dass es nicht weiter auffallen würde, da das Fensterbrett ohnehin schon demoliert genug war. Unbeeindruckt schnippte er den Zigarettenstummel nach draußen, wo er wahrscheinlich in der Wiese landen würde. Gemeinsam mit dem ganzen anderen Mist, den so viele rücksichtslos aus dem Fenster warfen, würde er da unten wohl kaum auffallen.

„Im Gegensatz zu Valentin ist mir sehr bewusst, dass meine kognitiven Funktionen beeinträchtigt sind, was mich eindeutig zu einer besseren Person macht", bemerkte er und öffnete auch die anderen beiden Fenster. Ich hoffte, dass das irgendetwas bringen würde.

Ungelenk schwang Valentin sich vom Tisch herunter und kam schwankend zum Stehen. „Ich denke, dass ich ins Bett gehen sollte", verkündete er ungerührt und schmiss sich auf sein Bett, ohne Rücksicht auf die Zigarettenschachtel zu nehmen.

Ich seufzte genervt auf und streckte fordernd die Hand danach aus. Nachdem er mich für einige Sekunden irritiert angesehen hatte, drückte er mir die Zigarettenschachtel in die Hand. „Auch wenn ich keine Ahnung habe was du damit willst. Ich würde dir empfehlen nicht anzufangen zu rauchen. Kann schädlich sein", murmelte er und schloss die Augen.

„Ich sagte doch, auf ihn ist kein Verlass." Ethans Stimme klang genauso kritisch wie sonst auch. Fast erwartete ich schon, dass Valentin sich aufsetzen würde und ihm das Gegenteil beweisen würde, aber er hatte es wohl aufgegeben.

Die Zigarettenschachtel fühlte sich falsch in meinen Händen an. Ich hatte nicht vor jemals zu rauchen. Kurzerhand öffnete ich eine von Valentins Schubladen und ließ sie darin verschwinden. Aus den Augen aus dem Sinn.

Simon hatte inzwischen seine Bierflasche in unserem Kühlschrank verschwinden lassen und lehnte sich zufrieden in seinem Sessel zurück. „Ich würde einmal sagen, dass wir mit dem Aufräumen fertig sind", vermerkte er mit schleppender Stimme.

„Sicher doch, es riecht überhaupt nicht nach Zigarettenrauch oder so", meinte ich ironisch. Simon zuckte mit den Schultern. „Ich habe nicht geraucht, also muss ich nichts dagegen unternehmen."

Ethan starrte mit einem giftigen Blick auf seinen Hinterkopf. Für einen Moment hatte ich Angst, dass er bereits plante, wie er ihn am besten aus dem Fenster werfen konnte. „Und ich kann was dafür, dass ich ein notorischer Raucher bin? Wenn überhaupt würde ich in dieser Hinsicht meinem Onkel die Schuld zuschieben."

Ich sah ein, dass es wieder an mir hängen bleiben würde. Allerdings hatte ich darauf nicht wirklich große Lust. Also schnappte ich mir den Raumspray vom Tisch und stellte ihn auffordernd zu Ethan aufs Fensterbrett. „Mir egal, wie ihr das klärt, aber klärt es." Ohne auf Widerspruch zu warten, drehte ich mich um und machte mich auf den Weg unser Badezimmer. Ich hatte ihnen schon ziemlich viel geholfen, ab jetzt sollten sie alleine klarkommen.


[933 Wörter]

Why not...Where stories live. Discover now