14| kobaltgrün

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Genovefa

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Genovefa

Gleicher alter Perserteppich, gleiches kobaltgrünes Sofa, gleiche Fake-Kronleuchter und auch dieselben alten Wandschränke, in denen sich dasselbe alte Porzellangeschirr befand, wie vor fünf Jahren. Gleiches Haus, gleiche Verwandtschaft.

Nur drei Menschen befand sich im Wohnzimmer, darunter aber meine ärgsten Kritiker. Was meine beiden anderen Geschwister aber anging, die waren nicht zu sehen. Allerdings hatte ich sie auch nicht hier erwartet.

„Liebling, wie schön dich zu sehen", begrüßte mich Mutter, als ich den ersten Schritt auf den Perserteppich gewagt hatte. Ihr Ton passte nicht zu ihren Worten, aber das war mir sowieso schon klargewesen. „Lass dich mal ansehen."

Übertrieben fürsorglich stürzte sie auf mich zu und zog mich in eine Umarmung. Sie roch nach Rosenblüten, wie immer.

„Sieh an, meine Nichte lebt noch", meldete sich Onkel Gustav zu Wort und tauschte verschwörerische Blicke mit Tante Ludmilla, seiner Frau aus.

Ich seufzte. Das würde ein langer Nachmittag werden.

„Hey Mum, ich glaube ich habe vielleicht die letzte Matheschularbeit zuhause vergessen", meldete sich Valentin von weiter hinten kleinlaut zu Wort. „Hast du sie vielleicht...mitgebracht?"

Fast automatisch ließ sie mich los, um sich ihrem jüngsten Sohn zu widmen. Der Gesichtsausdruck, den sie aufgesetzt hatte, erinnerte mich an vergangene Zeiten. Zeiten, in denen unser Leben noch intakter gewesen war.

„Du hast dich lange nicht mehr sehen lassen", bemängelte Tante Ludmilla und klopfte auf den Platz neben ihr. Da ich nicht vorhatte sie zu verärgern oder sie zu lange warten zu lassen, ließ ich mich neben ihr auf das Sofa sinken und beobachtete für einen kurzen Moment Mutter und Valentin, die sich angeregt unterhielten. Mit ziemlicher Sicherheit ging es immer noch um die Matheschularbeit, die er eigentlich schon vor zwei Wochen zurückgeben hätte sollen. Aber vergesslich wie er halt war, hatte er es nicht geschafft.

„Wer ist eigentlich der Junge, den ihr mitgenommen habt?", fragte mich meine Tante gleich darauf und beäugte Seraphin skeptisch.

„Ein Schulkollege", erklärte ich ihr und bedeutete ihm sich doch zu uns zu gesellen. „Wir dachten ihr lernt immer gerne neue Menschen kennen." Eine wirklich lahme Begründung, aber ich war noch nie gut darin gewesen Ausreden zu erfinden. Darin war Valentin auf jeden Fall um einiges besser.

„Hey, ich bin Seraphin", stellte er sich vor und blieb etwas neben dem gläsernen Tisch stehen. So wie es aussah, wusste er nicht recht, was er mit seinen Händen anstellen sollte, und er sah im Allgemeinen ziemlich verloren aus.

„Freut mich auch sehr dich kennenzulernen, Junge", begrüßte ihn mein Onkel mit dröhnender Stimme. Seraphin zuckte aufgrund der Lautstärke für einen kurzen Moment zusammen, setzte dann aber wieder ein strahlendes Lächeln auf. Offensichtlich wusste er, wie man mit unseren Verwandten umzugehen hatte. „Setzt dich doch zu mir."

Noch bevor sich Seraphin überhaupt neben meinen Onkel setzen konnte, konnte es Tante Ludmilla wieder einmal nicht lassen und musste ihren eigenen Senf dazugeben. „Ich habe gehört du bist auf derselben Schule wie meine Nichte und mein Neffe. Gehst du mit ihnen in die Klasse?"

Ich konnte es nicht fassen, dass das ihre Einstiegsfrage in ein Gespräch, das vermutlich sowieso eher einseitig werden würde, war. Konnte sie nicht mit etwas einfacherem anfangen?

Seraphin warf mir einen schnellen Blick zu, fast als wüsste er nicht, was er darauf antworten sollte. Vielleicht hatte er Angst, dass Tante Ludmilla Künstler genauso wenig leiden konnte wie Maschinenbauer. Auch wenn ich mich immer öfter dabei erwischte, wie ich darüber nachdachte, dass er eigentlich nicht so schlimm war.

„Nein, ich bin nur im selben Jahrgang", erklärte er schließlich mit fester Stimme. „Ich bin Goldschmied."

Ludmilla runzelte die Stirn und ich konnte sehen, dass sie überlegte, was sie mit dieser Information anfangen sollte. „Sehr interessant", meinte sie, „aber ist das nicht eher was für Mädchen?"

Herrje. Ich wollte meinen Kopf am liebsten gegen die Wand hinter mir schlagen. Was war das bitte für ein Gespräch?

Seraphin sah mich irritiert an und ich zuckte leicht mit den Schultern. Keine Ahnung, wie ich das erklären sollte. Er biss sich nachdenklich auf die Unterlippe und versuchte einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck zu bewahren.

„Nicht wirklich", eröffnete er meiner Tante dann. „In meinem Jahrgang sind zwar nur zwei Jungs Goldschmiede, aber das muss nichts heißen. Jeder hat halt andere Interessen."

Tante Ludmilla nickte langsam und ich sah ihr schon an, dass sie sich die nächste peinliche Frage überlegte.

„Also wie ist Kunstschmied so?", mischte sich mein Onkel ins Gespräch ein, der wieder einmal nur die Hälfte verstanden hatte. Wahrscheinlich bezog sich die Hälfte auf die Erwähnung von Schmied und das wars dann auch schon gewesen.

„Aber nicht doch Gugi, du verstehst das schon wieder alles falsch", machte ihn Ludmilla energisch zur Schnecke. „Er hat Goldschmied gesagt. Mit Gold. Mit G wie Gustav. G wie Gugi."

Onkel Gustav winkte ab. „So ein großer Unterschied ist da auch nicht. Ein Kumpel von mir ist Kunstschmied und der-" „Papperlapapp", entschied Ludmilla. „Die Kinder wollen nichts von deinen imaginären Kumpels wissen. Du langweilst sie doch damit nur." Mein Onkel sah sie leicht gekränkt an, hielt aber wie angewiesen den Mund. Ihr traute er sich dann doch nicht zu widersprechen.

„Genovefa?" Die Stimme meiner Mutter kam wie aus dem Nichts. Wenn ich ehrlich war, hatte ich sie und Valentin schon fast ausgeblendet. „Können wir uns kurz unter vier Augen unterhalten?"


[852 Wörter]

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