12| mountbatten pink

14 3 12
                                    


Genovefa

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

Genovefa

Wahrscheinlich sollte ich wissen, wie viele Stationen wir noch zu fahren hatten und wann es an der Zeit war in den nächsten Zug umzusteigen. Normalerweise wusste ich es auch. Aber heute war nichts normal.

Wir saßen an einem Viererplatz. Seraphin neben mir und Valentin mir gegenüber. Ich war froh, dass es nicht umgekehrt war. Es wäre garantiert unerträglich gewesen ständig in Seraphins Gesicht zu sehen, jedoch kein Wort mit ihm zu wechseln. Seit wir eingestiegen waren, war ich nicht besonders gesprächig. Seraphin hatte anfangs noch versucht ein Gespräch aufzubauen, hatte es dann aber bleiben lassen, als er nur hin und wieder halbe Antworten von Valentin bekommen hatte.

Meine Hände waren schwitzig und es wurde nie wirklich besser, wenn ich sie an meiner Jeans abwischte. Am liebsten wäre ich einfach an der nächsten Haltestelle ausgestiegen und mit dem nächsten Zug zurückgefahren. Meine Lust, meine Tante nach all den Jahren wieder zu sehen, hielt sich in Grenzen. Aber das war ja noch nicht einmal das Schlimmste daran. Schließlich war es nicht nur meine Tante, nein, auch die ganze restliche Verwandtschaft würde anwesend sein. Mutter würde da sein.

Valentin warf mir einen aufmunternden Blick zu, aber ich schüttelte nur leicht den Kopf und sah zur Seite. Zwar war ich vorhin diejenige gewesen, die am optimistischsten gewesen war und ich hatte es sogar geschafft ihn von seinen Zweifeln zu befreien, aber da hatten mich meine Zweifel auch noch nicht überrollt. Sie überrollten mich nie frühzeitig. Aber jetzt, wo alles immer näher rückte und immer greifbarer wurde, jetzt wünschte ich mir doch einfach umzudrehen.

Vielleicht war es wirklich keine gute Idee gewesen Seraphin mitzunehmen. Vielleicht hätten wir ihn nicht dazu überreden sollen. Möglicherweise war das der Fehler, der das Fass zum Überlaufen bringen würde. Der finale Fehler in einer ganzen Reihe von Fehlern.

„Alles in Ordnung?", fragte Seraphin in diesem Moment. Seine Stimme war weicher als sonst. Es konnte gut sein, dass er schon ahnte, worauf er sich da eingelassen hatte.

Valentin nickte entschlossen, auch wenn ich ihm ansah, dass auch er am liebsten einen Rückzieher machen wollte. Schon alleine dieses unscheinbare Funkeln in seinen sonst so strahlenden grünen Augen war Hinweis genug.

Aber wenn er es durchziehen konnte, dann würde ich das auch schaffen, also tat ich es ihm gleich und nickte. Auch wenn mein Nicken noch längst nicht so entschlossen ausfiel wie seines.

„Tante Ludmilla ist schon kein alles zerfleischendes Raubtier", sagte ich dann und versuchte optimistischer zu wirken. „Es ist einfach nur so, dass wir Verwandtschaftstreffen nicht ausstehen können. Auch wenn sowieso fast niemand da sein wird."

Ich wandte meinen Blick vom Fenster ab und drehte meinen Kopf stattdessen in Seraphins Richtung, einfach nur um seine Reaktion zu sehen.

„Kann ich schon irgendwie verstehen", meinte er schließlich nachdenklich. „Auch wenn meine Verwandtschaft ziemlich groß ist, aber ich sehe sie nicht besonders oft. Was auch besser ist, weil ich mit zu vielen Menschen auf einmal nicht so gut klarkomme."

Valentin beäugte ihn genauer. „Dann hast du ja ein ziemliches Glück, dass dort wo wir hinwollen, nicht viele Menschen sein werden."

Seraphin zuckte mit den Schultern. „Das schon, aber selbst wenn es anders wäre, könnte ich trotzdem nichts daran ändern. Wenn man es nicht vermeiden kann, muss man es halt nehmen wie's kommt. Das ist das Leben in der Kurzfassung."

Für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen, um meine Gedanken zu sortieren. Er hatte recht. Das würden wir schon irgendwie überstehen. Zum ersten Mal während der gesamten Zugfahrt konnte ich wieder normal atmen. Ich wischte meine Hände erneut an meiner Jeans ab, und beschloss, dass das das letzte Mal für heute sein würde. Ja, damit konnte ich leben.

„Krasse Lebensmoral", warf Valentin ein. „Ich will sehen, ob du die in ein paar Jahren immer noch hast."

Seraphin sah ihn unbeeindruckt an. „Freut mich sehr, dass du dich in ein paar Jahren immer noch für mein Leben interessierst."

Ich musste schmunzeln. Das hier würde gar nicht einmal so schlecht werden. Hoffentlich.


[648 Wörter]


Why not...Where stories live. Discover now