REALITY

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Harry verschwunden. Auf dem Kopfkissen neben mir lag eines seiner T-Shirts. Ich schlüpfte hinein und schnupperte daran. Es roch herrlich nach Harry. Das Shirt reichte bis zur Mitte meiner Oberschenkel. Bedenkenlos tapste ich hinunter in die Küche. Ich frühstückte in Ruhe und las mir die Neuigkeiten auf Twitter durch. Es war unglaublich wie gemein manche Mädchen sein konnten. Ich versuchte Hasstiraden und Beschimpfungen nicht zu ernst zu nehmen, aber hin und wieder kränkten mich gewisse Tweets schon. Vor zwei Tagen hatten ein paar Mädchen tatsächlich den Hashtag #wehopeudieella verbreitet. Die Jungs hatten daraufhin erbost getweetet, dass jeder der so etwas unterstütze kein echter Fan sein und sie sich von solchen Leuten distanzierten. Es war süß, aber es half nicht viel.
Es gab aber auch genug Leute, die total süßes Zeug posteten. Ein paar Mädchen hatten Bilder von mir gemalt, meist wie ich mit den Jungs irgendwo Zeit verbrachte und ein paar Zeichnungen zeigten wie Harry und ich uns küssten. Herzallerliebst. Plötzlich wurde die Küchentür aufgerissen Louis stürmte wortlos an mir vorbei und öffnete den Getränkekühlschrank, verwundert sah ich ihm zu, wie er sich ein Bier öffnete.
„Louis?", fragte ich verwundert nach, sein Kopf schnellte zu mir herum.
„Oh. Du bist wach.", murmelte er bloß und trank einen großen Schluck aus seiner Flasche, im nächsten Moment flog die Tür wieder auf und Zayn und Liam kamen ebenfalls mit finsteren Gesichtern herein, sie holten sich ebenfalls Bier. Ich saß da und starrte die drei entgeistert an. Es war gerade mal 10 Uhr Vormittag.
„Alles in Ordnung?", fragte ich vorsichtig, Liam sah mich finster an und schüttelte den Kopf.
Plötzlich hörte ich wie eine Tür im ersten Stock ins Schloss knallte. „ARIELLA?", schrie Harry aufgebracht, „Wo bist du?".
Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch, hatte ich irgendwas Falsches gemacht? Waren die etwa alle sauer auf mich?
„IN DER KÜCHE!", schrie ich zurück und beobachtete die drei Biertrinker unbehaglich.
Harry riss die Tür auf und kam mit großen Schritten auf mich zu, seine Augen funkelten und seine Locken standen wirr von seinem Kopf ab, anscheinend hatte er sich heute schon ein paar Mal die Haare gerauft.
„Was ist denn..?", begann ich, doch Harry packte mein Gesicht und küsste mich stürmisch. Ich hörte Liam genervt aufstöhnen. Sanft, doch bestimmt löste ich mich aus Harrys Klammergriff und sah ihn fragend an.
„Was ist denn hier los?", fragte ich und sah die vier eingehend an.
„Der Videodreh wurde abgesagt.", antwortete Zayn monoton, er starrte auf seine Flasche und pulte am Etikett herum.
„Was? Wieso denn?", ich riss erschrocken die Augen auf.
„Monica.", zischte Louis bloß und seine Augen waren zu engen Schlitzen verengt.
„Und was macht ihr jetzt?", ich legte den Kopf schief und sah fragend in die Runde.
„Was sollen wir schon großartig machen? Monica hat Simon eingepflanzt, dass du im Video nicht mitspielen kannst, Niall hat darauf bestanden, daraufhin ist ein Streit ausgebrochen. Plötzlich wollte Monica, dass Harry sich von dir trennt und du ausziehst, Simon at zugestimmt, dass eine Freundin Harrys Image nicht gut tut und du ihn nur ausnutzt. Die übliche Laier eben. Zayn hat sie daraufhin eine falsche Schlange genannt und Simon wurde daraufhin wütend, ein paar unschöne Aussagen wurden ausgetauscht und letztendlich haben wir beschlossen, kein Video zu drehen, so lange Monica die Überhand hat. Also machen wir vorerst gar nichts.", Louis starrte finster auf den Boden als er losplapperte, seine Hände umschlossen eisern seine Bierflasche.
Ich blickte schockiert in die Runde.
„Wo ist Niall?", hauchte ich tonlos, betretenes Schweigen folgte.
Ich fixierte Liam, der am ruhigsten von allen wirkte.
„Liam, wo ist Niall?", fragte ich mit Nachdruck, seine Augen flackerten kurz, er fuhr sich nervös über sein kurzes Haar und nickte mir einer ruckartigen Bewegung nach oben.
Wortlos stürmte ich aus der Küche, vorbei an Harry, der wütend gegen einen der Barhocker trat.
Ich rannte nach oben und riss Nialls Türklinke nach unten. Die Tür war verschlossen. Das erste Mal seit ich in diesem Haus war, war eine Tür verschlossen. Energisch klopfte ich an die Tür.
„Niall, mach auf!", rief ich, ich hörte ein Fluchen von der anderen Seite der Tür.
„Mach auf, oder ich muss versuchen die Tür einzurennen.", rief ich und hämmerte weiter gegen die Tür. Ich vernahm ein Schnauben und plötzlich klickte es, ohne zu zögern riss ich dir Tür auf und knallte sie Niall beinahe ins Gesicht.
Er stand da, sein Gesicht hatte rote Flecken und seine Haare standen wirr von seinem Kopf ab. Doch das Schlimmste waren seine Augen. Seine Augen die sonst immer blau leuchteten und strahlten, die bei jeder noch so lächerlichen Bemerkung aufblitzten worauf meistens einer seiner berühmten Lacher folgten, sie wirkten leer und waren gerötet, seine Wangen glänzten nass. Es war ein schrecklicher Anblick.
„Oh Liebling.", seufzte ich und zog ihn in meine Arme, er versuchte sich zu wehren, gab jedoch nach wenigen Sekunden auf und vergrub seinen Kopf an meiner Schulter. Sein Körper bebte und zitterte als er begann laut zu schluchzen. Das war mit Abstand das Schlimmste was ich in meinem ganzen Leben erlebt hatte. Es schien als wäre jegliche Fröhlichkeit aus seinem Körper verschwunden.
„Shhhh, shhh. Beruhig dich.", flüsterte ich ebenfalls unter Tränen und tätschelte behutsam seinen Rücken. Er zog mich fest an sich und stöhnte unterbrochen von seinen Schluchzern: „Sie machen alles kaputt. Das war mein Song. Sie zerstören die ganze Band.". Ich heulte ebenfalls wie ein kleines Baby und strich weiterhin über seinen bebenden Rücken.
Ich wusste nicht was ich antworten sollte, an diesem ganzen Schlamassel war eindeutig ich schuld.
Niall beruhigte sich langsam unter meinen Streicheleinheiten und löste sich von mir. Er sah mich mit blutroten Augen an und wischte sich über die Nase. Matt ließ er sich zu Boden sinken und starrte an die Wand. „Ich hasse sie.", flüsterte er und ich setzte mich zu ihm. Wir saßen eine Weile stumm da, bis Liam leise an der offenen Tür klopfte.
Er setzte sich wortlos zu uns und stellte Niall eine Wasserflasche hin.
Nach und nach kam der Rest der Band nach, sie alle setzten sich auf den Boden und starrten wortlos gegen die weiße Wand.
„Daran bin nur ich schuld.", brummte ich leise. Harry schlug mit der Faust auf den Boden und blitzte mich wütend an. „Denk nicht mal daran! Niemand hier hat an irgendetwas schuld.", sagte er und funkelte mich wild an, „Du bist das Beste was mir und den Jungs passieren konnte. Bevor du gehst, verzichte ich auf meine Karriere.", ich schüttelte traurig den Kopf.
„Sag das nicht Harry, Menschen kommen und gehen."
Niall schnaubte ungläubig und brummte: „Du nicht.".
Ich seufzte tief. Das war mein Zeichen, ich musste von hier verschwinden um niemandem im Weg zu stehen. Ich hatte genug Chaos angerichtet.
Die Jungs verzogen sich in ihr Musikzimmer. Ich hörte wütendes Trommeln von unten. Hastig zog ich meine Sporttasche aus dem Schrank und begann wahllos meine Sachen hineinzustopfen. Ich musste gehen. Auch wenn Monica damit gewonnen hatte, ich würde dafür sorgen, dass alle hier ihr normales geordnetes Leben weiterleben konnten. Als meine Tasche beinahe aus den Nähten platzte, rief ich ein Taxi. Ich wies dem Fahrer an vor der Einfahrt auf mich zu warten.
Ich blickte wehmütig in mein Zimmer. So viele Erinnerungen in so kurzer Zeit. Niall, der mich nächtelang im Arm gehalten hatte und mich vor meinen Alpträumen beschützt hatte, Liam und Louis, die hier drin für eine Menge Wirbel und viel Gelächter gesorgt hatten. Louis hatte hier drin meinen Vertrag gefunden und mich gerettet. Zayn der mit mir auf meinem Bett saß und mich tröstete, als Harry Niall geschlagen hatte und Harry, mit dem ich in diesem Bett geschlafen hatte, der mich liebevoll im Arm gehalten hatte und mir vorgesungen hatte. Es war ein Traum gewesen hier zu leben, ein kurzer Traum ohne Happy End. Ich schlich die Treppe hinunter, die Tür zum Musikzimmer war geschlossen. Ohne weiter zurückzublicken verließ ich das Haus und schritt die Treppen hinunter in die Einfahrt.
Ich eilte zum großen Tor vor dem bereits mein Taxi wartete. Mit Tränen in den Augen wies ich dem Fahrer an mich so schnell als möglich zum Flughafen zu bringen. Er sah mich immer wieder skeptisch durch den Rückspiegel an, stellte jedoch Gott sei Dank keine Fragen.
Am Flughafen zog ich mir meine Kapuze tief ins Gesicht und eilte zum Ticketschalter. Der nächste Flug nach Hause ging in einer Stunde. Zielstrebig rechte ich der Angestellten meine Karte und nahm das Ticket entgegen. Ich rannte zum Gate, die Minuten bis zum Einlass in den Flieger zogen sich schrecklich. Ich saß heulend auf einem der Sitze und versuchte unauffällig zu bleiben. Bis auf ein paar Schlipsträger und eine kleine Familie war niemand hier.
Als ich endlich im Flieger Platz nahm, atmete ich erleichtert auf. Jetzt konnte mich nichts mehr aufhalten. Ein älterer Mann im Anzug nahm neben mir Platz und betrachtete mich sorgenvoll.
„Alles okay Miss?", fragte er und reichte mir ein Taschentuch. Dankend nahm ich es und schnäuzte mich geräuschvoll. „Ja, passt schon. Vielen Dank.", schluchzte ich und starrte aus dem Fenster.
„Er ist sicherlich keine Träne wert.", versuchte der Mann mich zu trösten, ich lachte verbittert auf.
„Eher ich.", ich steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und drehte die Musik meines iPhones auf Anschlag um jede weitere Konversation zu unterbinden.
Als der Flieger in die Luft stieg, blickte ich wehmütig hinab auf die Erde. Die Jungs würden sicher stinkwütend sein, dachte ich und bekam eine Gänsehaut beim Gedanken an Harrys zornigen Blick.
Schnell zog ich die Jalousien herunter und schloss die Augen. Almost Lover von A Fine Frenzy dröhnte in meinen Ohren.

One Direction - LOST DOESN'T MEAN ALONEWhere stories live. Discover now