RUN

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Am nächsten Morgen wachte ich wieder früh auf, Mel schlief friedlich und tief und fest neben mir. Ich hielt es nicht länger in meiner Höhle aus, ich musste hinaus in die frische Luft.
Leise zog ich mir meine Laufschuhe an und stahl mich aus der Wohnung. Meine Füße begannen wie von selbst loszulaufen. Ich rannte den kleinen Bach entlang, der sich durch den Park in der Nähe der Wohnung schlängelte. Plötzlich hatte ich das Gefühl nicht mehr allein zu sein. Ich sah mich hastig um, hinter mir lief ein Mann, er war groß. Er trug ein Kapuzenshirt und eine Sonnenbrille. Ich konnte sein Gesicht nicht deutlich erkennen, doch seine Anwesenheit bereitete mir Unbehagen. Ich beschleunigte und beschloss den Park zu verlassen und über die Straße nach Hause zu laufen. Der fremde Läufer folgte mir in großem Abstand. Jetzt drehst du aber durch! Dachte ich, als würde sich hier irgendjemand für dich interessieren. Vorsichtshalber nahm ich einen Umweg, doch der Unbekannte folgte mir weiterhin. Ich wurde wütend, machte dieser Idiot dass etwa doch mit Absicht? Abrupt hielt ich an und tat so als würde ich mir meine Schnürsenkel neu binden. Ein Schatten, der sich über mich warf, ließ mich verärgert hochblinzeln. Ein kalter Schauer durchfuhr mich, der Unbekannte war mir sehr wohl bekannt, es war Chace.
Ungläubig starrte ich ihn an.
„Was machst du hier?", fragte ich tonlos. Er grinste mich breit an und leckte sich wieder einmal hektisch über die Lippen.
„Die bessere Frage lautet wohl, was machst du hier Ella?", fragte er mich und hielt sich die Seite.
„Ich habe zuerst gefragt.", ich verschränkte demonstrativ meine Arme vor der Brust und versuchte ihn so furchteinflößend wie möglich anzufunkeln.
„Ich bin geschäftlich hier.", antwortete er langsam. Es klang irgendwie einleuchtend, dennoch ließ mich die Art wie er es sagt zweifeln.
„Bist du ganz alleine hier?", er trat einen Schritt auf mich zu, sofort machte ich zwei zurück, seine Brauen hoben sich verwundert.
„Was ist denn los? Du wirkst total verspannt. Wieso bist du nicht in London?", seine Augen funkelten bei diesem Satz, meine Nackenhaare stellten sich auf. Konnte es wirklich bloß Zufall sein, dass ich ihm hier, zu Hause, begegnete?
„Ich wohne hier.", antwortete ich trotzig, er nickte langsam und leckte sich wieder über die Lippen. Am liebsten würde ich ihm seine Zunge abschneiden, schoss es mir durch den Kopf.
„Du bist abgehauen.", stellte er trocken fest. Ich antwortete nicht und wollte ihn stehenlassen, als ich einen Satz nach vorne machte um loszulaufen, packte er mich hart an der Schulter. Ich winselte erschrocken auf und er ließ mich sofort los. „Tut mir leid.", murmelte er und schob sich seine Sonnenbrille aus dem Gesicht. Die Brille kam mir sehr bekannt vor.
„Hast du meine Sonnenbrille auf?", platzte es aus mir heraus. Seine Augen zuckten wild, doch er lachte laut und falsch.
„Deine Brille? Wie sollte ich denn zu der kommen?", er schüttelte den Kopf.
„Ich habe sie damals in der Oxfordstreet vergessen.", antwortete ich als es mir wieder einfiel. Ich hatte die Brille bereits überall gesucht.
„Quatsch.", lachte Chace nervös. Gleich schneide ich sie ihm ab, dieses Lecken macht mich irre, dachte ich und biss mir auf die Lippe um Nichts zu sagen.
„Willst du etwas trinken gehen und reden?", fragte er mich und griff nach meiner Hand. Eilig zog ich sie zurück. „Ich bin total verschwitzt. So setze ich mich nirgendwo hin. Ich muss nach Hause, meine Katze füttern.", log ich.
„Du hast keine Katze.", erwiderte er kalt, der harsche Ton in seiner Stimme machte mir Angst.
„Woher weißt du das?", fragte ich und trat noch einen Schritt zurück. Ich stand mittlerweile auf dem Rasen neben dem Fußgängerweg.
„Recherche.", antwortete er und verringerte die Lücke zwischen uns.
Ich fröstelte, wer war er? Irgendein kranker Stalker?
„Ich muss los.", sagte ich knapp und lief wie von der Tarantel gestochen los.
„ELLA!", schrie Chace hinter mir her, als ich über die Schulter blickte, stellte ich zu meinem Entsetzen fest, dass er mir folgte. Ich rannte so schnell ich konnte und hing ihn nach ein paar Metern erfolgreich ab. Als ich in meine Gasse einbog, sah ich sofort den großen schwarzen Van, der vor der Tür parkte. Auch das noch.
Ich blieb unentschlossen stehen und starrte auf das Auto. Ich hatte die Wahl, wollte ich zurücklaufen und darauf hoffen dass sie bald verschwanden, auf die Gefahr hin Chace wieder zu begegnen, oder wollte ich einen Schlussstrich ziehen und die Jungs rausschmeißen?
Die zweite Variante erschien mir weniger gefährlich. Als ich die Tür aufsperrte, hörte ich bereits wirres Gemurmel.
„Das wird sie sein.", hörte ich Mel sagen. Die Küchentür wurde aufgerissen und Harry trat auf den Gang. Ich blickte stur auf den Boden und wollte an ihm vorbei in mein Zimmer, doch er verstellte mir den Weg. Ich blickte auf und zu meiner Verwunderung sah er überhaupt nicht wütend aus, seine Augen waren sanft und irgendwie traurig.
Er hob seine Hand zu meinem Gesicht. „Nicht.", sagte ich bestimmt und drehte meinen Kopf weg.
„Ariella.", flüsterte er eindringlich.
„Nenn mich nicht so.", antwortete ich pampig. Mein Herz brannte in meiner Brust, es tat weh ihm die kalte Schulter zu zeigen, doch es war das einzig Vernünftige.
„Ella. Komm nach Hause. Bitte.", er sprach leise und bemühte sich sichtlich sanft zu sein.
„Ich bin zu Hause.", meine Stimme zitterte leicht und ich versuchte ruhig zu atmen, ich spürte einen Kloß im Hals, doch ich schluckte meine Tränen tapfer hinunter.
„Nein.", sagte Harry bestimmt.
„Ach ja?", ich lachte sarkastisch auf, „Wo denn sonst? Bei dir?".
Er sah mich verständnislos an. „Nicht?".
„Nein Harry. Man wohnt nicht bei seinem Sommerflirt.", ich seufzte und streifte mir meine Laufjacke ab.
„Sommerflirt?", er starrte mich ungläubig an.
„Ja.", antwortete ich knapp und trommelte ungeduldig mit meinen Fingern gegen die Wand.
„Du weißt doch selbst dass du Bullshit redest.", schnaubte er und verschränkte die Arme.
„Das ist das was du glauben möchtest."
„Nein! Ariella, hör auf dich so zu benehmen! Ich weiß genau was du vorhast. Aber du hast an nichts Schuld, ich habe es dir bereits zu...in London erklärt.", jetzt wurde er zunehmend wütender und seine Stimme lauter.
Plötzlich wurde die Küchentür aufgedrückt und zu meinem Entsetzen kam der Rest der Jungs inclusive Mel auf den Gang. Ich stand der ganzen Meute gegenüber und blickte verzweifelt in ihre Gesichter.
„Verschwindet aus meiner Wohnung!", ich konnte nicht länger gegen die Tränen ankämpfen.
„Nein.", antwortete Liam bestimmt.
„Geht. Bitte.", schluchzte ich.
Es war Niall, der als erstes auf mich zu kam, panisch stolperte ich nach hinten und wäre beinahe über meine Laufschuhe gestolpert, doch er sprang nach vor und fing mich auf. Ich wollte mich aus seinen Armen befreien, doch er hielt mich eisern fest und drückte mich an sich.
„Hör auf uns wegzustoßen.", sagte er leise, „Du gehörst doch zur Familie.".
Dieser Satz gab mir den Rest. Weinend ließ ich mich gegen seinen Oberkörper sinken.
„Ella. Geh nach Hause.", sagte Mel, ich hob den Kopf und sah sie entsetzt an.
„Das hier ist mein zu Hause.", antwortete ich energisch, sie schüttelte bloß lächelnd den Kopf.
„Nein Süße, das hier war dein zu Hause. Du gehörst hier nicht mehr her.".
„Aber wegen mir..."
„Schluss jetzt. Ich sage es ein letztes Mal Ariella, du hast an gar nichts Schuld! Es ist Monica.", Harry stand dicht hinter Niall und blickte mich ernst an.
„Ich werde jetzt deine Sachen packen, du gehst duschen und dann fahren wir. Es ist viel zu gefährlich wenn du hier bleibst. Die Medien bekommen viel zu schnell Wind von so einer Sache.", bevor ich protestieren konnte, war er in mein Zimmer verschwunden.
„Wir können doch nicht ohne dich nach Australien. Ich brauche doch deine Unterstützung.", Zayn zwinkerte mir verschwörerisch zu und schob mich sanft aber bestimmt Richtung Badezimmer.
Ich ließ mir extralange Zeit beim Duschen. Ich saß am Boden und ließ das warme Wasser auf mich regnen. Mel hatte gesagt ich gehörte hier nicht mehr her. Irgendwo hatte sie Recht, ich fühlte mich hier nicht mehr so geborgen und sicher wie früher. Ich fühlte mich nicht so wie in London, in der Küche mit fünf verrückten Männern, die sich ein Bein für mich ausreißen würden und sich gegenseitig mit Essen bewarfen. Es klopfte leise an der Tür, bevor ich antworten konnte, trat Harry ein. Ich zog die Beine an und verschränkte die Arme vor der Brust. Und sah zu ihm hoch. Er zog sich wortlos sein T-Shirt vom Kopf, ich atmete scharf ein, sein Körper war einfach perfekt.
Ich beobachtete stumm, wie er sich entkleidete, als er zu mir in die Dusche stieg, setzte er sich hinter mich und schlang seine Arme und Beine um mich. Ich ließ meinen Kopf zurück an seine Schulter sinken, das Wasser gemischt mit meinen Tränen rann mir übers Gesicht. Sanft begann Harry mein Kiefer zu küssen und strich mir sanft mein Haar aus dem Gesicht.
„Verlass mich nie wieder.", flüsterte er mir ins Ohr und zog mich fester an sich.
Wir saßen so da, bis das Wasser begann kalt zu werden. Mel würde mich dafür verfluchen.
Harry drehte den Wasserhahn ab und zog mich hoch, er wickelte mich in ein Handtuch und sah mir tief in die Augen. „Fühlst du dich hier wohler als in London?", fragte er mich, ich schüttelte seufzend den Kopf. „Dann komm, zieh dich an, ich bring dich nach Hause und am Sonntag fliegen wir nach Australien.", er lächelte mich aufmunternd an und küsste mich auf die Nase, bevor er den Raum verließ.
Ich betrachtete mich im Spiegel, meine Augen waren gerötet, schwarze Schatten bildeten sich deutlich darunter ab. Meine Wangen waren eingefallen und meine Haut blass. Ich sah schrecklich aus, innerhalb einer Woche hatte ich mich in einen Zombie verwandelt.
Langsam bürstete ich mein Haar und flocht es zu einem lockeren Zopf. Ich schlüpfte in meine frischen Klamotten und sah mich ein letztes Mal in meinem Badezimmer um. Es fühlte sich an wie ein endgültiger Abschied.

Als ich aus dem Bad kam, standen alle bereits fertig im Gang. Sechs freundliche Gesichter strahlten mir entgegen. Meine Sporttasche stand gepackt am Fußboden.
„Das Warmwasser ist alle.", murmelte ich und sah Mel entschuldigend an, sie stöhnte auf, schüttelte jedoch lächelnd ihren Kopf. „Ich werd's überleben.", sagte sie und umarmte mich, plötzlich war ich von einem Knäuel von Armen umgeben. „Ich krieg keine Luft!", rief ich lachend. „Hast du auch nicht verdient du Ausreißerin.", lachte Louis, doch die Jungs ließen uns los.
Ich drückte Mel noch einmal fest an mich. „Viel Spaß in Australien Süße, wir sehen uns bald wieder.", sagte sie und küsste mich auf die Wange.
Zu meiner Überraschung tat sie das Gleiche mit Liam.
Als wir am Flughafen vorfuhren, erwartete uns bereits ein Schwarm Paparrazzis. Hastig kramte ich nach meiner Sonnenbrille, bis mir einfiel, dass ich sie verloren hatte. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter als mir die Sache mit Chace heute Morgen wieder einfiel. Liam legte mir seine Weste um die Schultern und zog mir die Kapuze tief ins Gesicht, ich dankte ihm und stieg wackelig aus dem Wagen. Sofort begann das altbekannte Geschrei und Blitzlichtgewitter. Wir eilten jedoch an der Menge vorbei, Joe, Ron und zwei andere Bodyguards schirmten uns so gut es ging ab.

Als wir endlich im Flieger saßen, atmete ich erleichtert auf.
„Es kommt mir vor als wäre es Jahre her, das ich hier am Flugplatz gestanden bin und euch Lebewohl gesagt habe.", sagte ich andächtig und starrte hinaus auf den Asphalt.
„Ich war damals sauer auf Harry weil er dich geküsst hatte.", kicherte Niall.
„Wir alle waren sauer auf ihn deswegen.", seufzte Zayn und grinste Harry an.
„Das war es mir damals wert und wäre es heute wieder. Vor allem weil du mir heute dafür keine klatschen würdest, hoffe ich.", Harry zwinkerte mir zu und ich schüttelte lachend den Kopf.
„Ich habe dir übrigens etwas mitgebracht.", sagte Liam und reichte mir ein großes gelbes Kuvert.
Ich öffnete es neugierig und herausfielen ein paar A4 Seiten. Es waren mein Vogue-Interview und ein paar Fotos vom Shooting.
Neugierig studierte ich den Artikel und musterte die Fotos eingehend. Der Artikel hatte Pfiff und war lustig und wirklich nett geschrieben. Die Fotos waren beeindruckend! Ich erkannte mich selbst beinahe nicht wieder, die Frau die mir entgegen blickte, hatte zwar meine Haare, meine Augen und mein Gesicht, aber mein Körper wirkte schlanker und muskulöser und meine Haut strahlte makellos.
„Ein Hoch auf Photoshop.", brummte ich leise lachend und las eine Notiz die auf der letzten Seite stand.

Liebe Ella,

Vorab der Artikel zur Durchsicht. Solltest du Fragen oder Einwände haben, bitte ich dich mich bis Montag zu kontaktieren, ansonsten werden wir ihn so drucken, inclusive Foto 1 und 4. Die anderen Bilder sende ich dir, weil ich denke dass es Zeit wird eine Setcard für dich anzulegen. Ich finde du hast großes Potenzial und würde mich freuen, wenn sich unsere Wege wieder kreuzen würden.
Anbei habe ich dir die Visitenkarte einer guten Freundin beigelegt, du kannst sie jederzeit kontaktieren. Sie ist die Leitung einer aufstrebenden Modellagentur und hätte großes Interesse dich kennenzulernen. Ich wünsche dir nur das Beste. Du bist wunderschön.

Herzliche Grüße,
Alisson.

Ich las den Brief fünfmal durch, bis ich verstand, was da stand.
„Dürfen wir auch sehen, was du da bekommen hast? Oder starrst du lieber alleine auf einen Haufen Zettel?", scherzte Louis und streckte neugierig seine Hand nach dem kleinen Stapel aus. Wortlos gab ich ihn an ihn weiter. Sofort stürmten die Jungs zu ihm und stritten sich um die Zettel.
Als Niall Alissons Brief laut vorlas, grinsten mich die fünf breit an.
„Das musst du machen!", drängte Liam mich.
„Die Fotos sind der absolute Hammer!", lobte Niall enthusiastisch.
Sie redeten alle wild durcheinander auf mich ein, bis mir der Kopf schwirrte. Ich hielt mir die Ohren zu und begann zu singen.
Ich musste lachen als ich in ihre verdutzten Gesichter sah.
„Ihr macht mich irre mit eurem Geplapper!", kicherte ich und verstaute die Blätter wieder im Umschlag.
„Du musst diese Agentin unbedingt anrufen.", sagte Liam wieder, ich schüttelte leicht den Kopf.
„Nach Australien vielleicht.", ehrlich gesagt hatte ich Angst davor sie anzurufen. Ich war kein Modell. Diese Fotos waren bearbeitet worden. Ich war nicht groß genug, mein Körper war nicht straff genug und ich hatte trotz Sport mit Liam, noch immer ein paar kleine Cellulite Flecken am Hintern.
„Du rufst sie an, wenn wir zu Hause sind. Heute Noch!", sagte Liam streng, „Hör dir doch zumindest an, was sie zu sagen hat.".
Ich seufzte, er spielte mal wieder den Daddy. „Gut. Ich rufe sie an! Zufrieden?", stöhnte ich und er nickte grinsend.
„Sehr sogar!".

Den Vorfall mit Chace hatte ich zu dieser Zeit bereits komplett verdrängt.

One Direction - LOST DOESN'T MEAN ALONEOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz