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„Du hast nichts mehr im Kühlschrank", wurde ihm vom Wohnzimmer aus zu gerufen. Kyungsoo streifte sich die Schuhe von den Füßen und legte die Tüten in seinen Händen daneben ab. „Und ich verhungere."
„Deswegen war ich einkaufen", antwortete Kyungsoo und lehnte sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen. „Was machst du hier, ich dachte du bist im Wandschrank?"
„Ich habe dir auf KAKAO geschrieben, dass ich hier bin – gehst du eigentlich jemals an dein Handy, oder trägst du es nur als Modeschmuck mit dir herum?"
„Ich benutze es zum Telefonieren", verteidigte sich Kyungsoo halbherzig.
„Dazu reicht auch so ein alter Nokia-Klotz, die die unzerstörbar sind."
„Die werden nicht mehr verkauft, ich habe schon nachgesehen."
„Verrückt", flüsterte Yixing. Kyungsoo lachte kopfschüttelnd, denn nicht er lag gerade Kopfüber auf der Couch und ließ sein Haar über den weißen Teppich am Boden streifen.
„Was willst du essen?"
„Etwas Gesundes."
Kyungsoo warf ihm einen fragenden Blick zu. „Wie das?"
„In den zwei Wochen in denen du weg warst, habe ich mich hauptsächlich von Ramen und instant Reis ernährt", er zog die Lippen herunter, was von Kyungsoos Position aus, wie ein Lächeln aussah.
„Dann Bibimbap?"
„Das ist nah genug an gesund."
Über dem großen Esstisch in der Küche war ein Gemälde von Yixing angebracht, es war ein Wirbelwind aus Farben – eines seiner ersten Gemälde, nachdem beide ‚Fine Arts' beigetreten waren. Kyungsoo räumte den Inhalt der Plastiktüten auf dem Tisch aus und Yixing begann alles zu verstauen.
„Wie war es heute?" Yixing klang betont desinteressiert, woraus Kyungsoo schließen konnte, dass sein Freund wohl wusste, dass Jongdae heute bei ‚Fine Arts' gewesen war.
„Gut, Junmyeon-hyung hat einen Streuner aufgenommen, irgendeine französische Rasse soweit ich weiß. Er hat mich gefragt, ob ich ihn adoptieren möchte, aber ich glaube nicht dass er das ernst gemeint hat. Junmyeon ist der Typ Mensch der sich gerne um verstoßene, kleine Tiere kümmert."
„Junmyeon kümmert sich im Allgemeinen gerne um andere. Ob Mensch oder Tier ist ihm wahrscheinlich egal."
„Kann gut sein." Kyungsoo wusch den Reis, bis das Wasser klar war und beförderte die weißen Körner anschließend in den Reiskocher.
„Und sonst? Ich habe gehört Kim Jongdae hat heute seinen Vertrag unterschrieben."
„Stimmt."
„Kyungsoo", meckerte Yixing und biss auf seiner inneren Wange herum.
„Was willst du hören? Dass er gerade Zähne und braunes Haar hat? Oder das er sich umschaut mit Augen, die sich alles merken und alles analysieren?"
„Das tut er?"
„Ich weiß, dass du das auch manchmal tust, wenn du nicht genau weißt wie du etwas darstellen sollst."
Yixing zuckte die Achseln. „Und weiter? Hat dich Junmyeon gefragt, ob du dich Jongdae annimmst?"
Kyungsoo nickte langsam. „Er wollte nicht wirklich nachlassen."
„Du hast zugesagt?"
„Ich habe ihm gesagt, dass ich es versuchen würde, aber nur wenn gewährleistet wird, dass mein Projekt mit deinen Bildern darunter nicht leiden wird."
Yixing atmete lange aus. „Ich wusste, dass du nicht widerstehen könntest." Kyungsoo hörte auf Gemüse zu schneiden. Er drehte sich um, um in das Gesicht seines Freundes blicken zu können, vielleicht auf der Suche nach einem Funken Wut, oder ähnlichem, aber er fand nichts dergleichen. „Schau mich nicht so an, mir war schon lange klar, dass du nicht für immer nur mit meinen Bildern handeln würdest. Du bist viel zu gut dafür."
„Yixing..."
„Du bist begeistert von schönen Dingen – vor allem von Kunst", sein Blick wurde sanfter und er schlang die Arme um die angewinkelten Beine, die er auf dem Stuhl abgestellt hatte. „Was denkst du warum ich so dringend Künstler werden wollte?"
„Was?", fragte Kyungsoo, nicht sicher ob er richtig verstanden hatte, weil Yixing in seine Knie gesprochen hatte.
„Nichts", lächelte Yixing. „Mir war auf jeden Fall klar, dass Kim Jongdae dein Interesse wecken würde, ich meine ich habe das Bild gesehen...es ist etwas Besonderes."
„Yixing..."
„Ist schon gut, ich bin froh das jemand wie du mit Jongdae arbeiten wird, er braucht jetzt professionelle Unterstützung damit aus ihm etwas großes werden kann. Es gibt Kunsthändler, die ihn unter seinem Wert verkaufen würden und an die falschen Leute. Du wirst diese Fehler nicht machen, das weiß ich, das habe ich selbst erfahren."
„Yixing", Kyungsoo seufzte. „Hör auf ein Drama daraus zu machen, du musst nicht denken, du müsstest mich wegen einem anderen Künstler aufgeben. Ich helfe dem Neuen nur ein wenig aus, damit er sich zurecht findet. Später wird ihn dann wahrscheinlich Baekhyun übernehmen."
Yixing's Gesicht hellte sich ein wenig auf. „Natürlich, so wird es sein." Er grinste still in sich hinein und Kyungsoo schüttelte belustigt den Kopf. „Ich bin hungrig, dauert es noch lange?"
„Wenn du nicht hier warten möchtest, dann kannst du dich wieder ins Wohnzimmer legen."
„Nein ist in Ordnung", er machte eine kurze Pause. „Ich habe dich zwei Wochenlang nicht gesehen."
„Wir waren erst gestern zusammen im Wandschrank."
„Das war nur kurz", warf Yixing empört ein. „Sollte das etwa zwei Wochen wettmachen?"
„Was machst du wenn du heiratest und Kinder hast? Wirst du mich auch mehrfach die Woche zu euch bestellen, nur weil du es lange Zeit nicht ohne mich aushältst? Deine Frau wird dich schellten."
„Wieso kommst du plötzlich damit?", fragte er leise. Kyungsoo entschied sich darauf keine Antwort zu geben. „Noch etwas", begann Yixing wieder, als Kyungsoo das Gemüse in einer großen Schüssel mit Sesamöl und Roter Chili Paste vermischte. „Ich habe einen Anruf aus China bekommen, Luhan richtet seine Grüße aus, er war enttäuscht, als er gehört hat, dass du in Amerika bist."
„Was macht das für einen Unterschied für ihn? Er ist in China."
Yixing lachte leise. „Das habe ich auch zu ihm gesagt, weil ich wusste dass du so etwas sagen würdest."
„Und? Was macht Luhan gerade? Sein neues Album verkauft sich gut habe ich gehört."
„Ja das hat er auch gesagt, er hat viel zu tun mit Konzerten und Musikshows. Er hatte einen Skandal mit einer Schauspielerin und hat Tausend Briefe von weinenden Teenagern bekommen." Yixing schüttelte den Kopf. „Er war ganz aufgeregt, als er davon erzählt hat." Kyungsoos Bewegungen erstarrten kurz, aber Yixing klang in Ordnung.
Kyungsoo hatte von dem Skandal gehört. Ab und an ging er die chinesischen Tratsch-Nachrichten durch, um zu sehen ob Luhan noch am Leben war. „Damit hätte er rechnen sollen."
„Luhan hat gesagt, dass du das sagen würdest."
„Geht es in euren Gesprächen eigentlich immer nur um mich?" Der Reiskocher piepste, Kyungsoo hob den Deckel an um den Dampf entweichen zu lassen. „Möchtest du dein Ei von beiden Seiten gebraten haben?"
Yixing nickte. „So wie immer."
Kyungsoo ließ zwei Eier in die Bratpfanne gleiten und vermengte anschließend den Reis mit dem Gemüse. In Restaurants wurde zumeist erst der Reis in die Schüssel gegeben und anschließend das Gemüse ordentlich und getrennt voneinander auf den Reis gelegt, Ei und Sesam bildeten das Schlusslicht. Yixing mochte es jedoch am liebsten, wenn von Anfang an alles schon vermischt war, also hatte sich Kyungsoo daran gewöhnt es auf diese Art zuzubereiten.
„Es kommt noch besser, Luhan bekommt wahrscheinlich eine Filmrolle."
„Er kann nicht wirklich Schauspielern, seine Werbungen sind doch schon schrecklich mitanzusehen."
„Er meinte, er hat wirklich viel geübt und Schauspielunterricht genommen. Er wollte die Rolle unbedingt haben."
„Wieso? Ist ihm Musik nicht mehr genug?"
„Er will seinen Horizont erweitern, hat er gesagt." Yixing nahm Kyungsoo seine Schüssel ab. Das Ei das er zum Schluss auf Reis und Gemüse gelegt hatte, war an den Ecken etwas dunkler, als das von Kyungsoo, weil es Yixing gefiel, wenn es knusprig war. Luhan hasste das Eigelb, weshalb er sein Ei in der Uni-Mensa immer abgegeben hatte. Kyungsoo hatte ein Händchen dafür gehabt, das Eigelb mit den Stäbchen auszuschneiden, so dass Luhan dennoch das Eiweiß essen konnte. Luhan war immer so dünn gewesen, von all dem Gesangs- und Tanztraining.
„Er könnte ein Buch lesen, um seinen Horizont zu erweitern." Yixing zuckte die Achseln, während er auf seinem Reis herumkaute. „Was für ein Film ist es denn?"
„Eine Romanze", antwortete Yixing, nachdem er geschluckt hatte. „Und er benutzt den Film als eine Art Sprungbrett, um zu beweisen, dass er der Herausforderung gewachsen ist. Eigentlich will er in einem Drama mitmachen."
„Ein Drama?", fragte Kyungsoo überrascht. „In Korea?"
„Ja genau. Der Film ist auch ein südkoreanisches Projekt." Yixing grinste. „Luhan meinte, wenn alles so klappt wie er es hofft, dann wird er für eine ganze Weile in Südkorea bleiben."
„Oh", Kyungsoo fühlte wie sich etwas in seinem Magen bewegte. „Er ist seit seinem koreanischen Debut nicht mehr hier gewesen."
„Ich vermute auch, dass er die Filmrolle so dringend haben möchte, weil er uns vermisst."
Kyungsoo schüttelte den Kopf. Das Bibimbap war ihm gut gelungen. „Er könnte sich auch einfach mal Urlaub nehmen."
„Ich denke das funktioniert nicht so einfach bei Sternchen wie Luhan."
„Wahrscheinlich."
Yixing ging an den Kühlschrank um eine Plastikbox mit Kimchi herauszuholen, die Kyungsoo vergessen hatte auf den Tisch zu stellen. „Weißt du was seine Anti-fans über seinen Aufenthalt in Südkorea denken?"
„Hm?"
„Du weißt doch wie Ausländer sich immer über Schönheitsoperation hierzulande lustig machen – sie denken Luhan will hierherkommen, um etwas an sich machen zu lassen und das der Film nur ein Vorwand sei, um eine Weile hier zu bleiben."
Kyungsoo schüttelte belustigt den Kopf. „Als ob Luhan das nötig hätte."
„Das hat Luhan auch empört gesagt." Yixing grinste ihn an. „Er könnte fragen, ob man etwas an seinem Lächeln verändern kann, damit sein Kinn nicht so eigenartig hervorsteht wenn er lachen muss."
Kyungsoo fand Luhan am Schönsten wenn er aus tiefstem Inneren Lachen musste. „Das ist ein hoffnungsloser Fall."
„Stimmt", lachte Yixing. „Ich freue mich Luhan wiederzusehen, es ist wirklich eine Weile her."
Kyungsoo nickte in Gedanken versunken, während er auf seinem Reis herumkaute. „Vernachlässige deshalb aber nicht deine kommenden Projekte. Ich habe versprochen, dass du noch ein Bild mehr als vereinbart nach Manhattan schickst."
„Großartig", kommentierte Yixing, das Gesicht verziehend. „Schick ihnen einfach dein Bild im Wohnzimmer, das erspart mir ein wenig Arbeit."
An Kyungsoos Wohnzimmerwand hing ein großes Gemälde, dass Yixing gemalt hatte. Aus diesem Grund waren auch alle Deckenleuchten in Kyungsoos Wohnzimmer etwas quer gerichtet, damit sie das Bild richtig beleuchteten. Luhan, Yixing und Kyungsoo hatten es vor drei Jahren gemeinsam in die Wohnung befördert und zusammen aufgehängt. Es war Kyungsoos liebstes Bild, weil es die drei Freunde gemeinsam zeigte. Er würde es niemals hergeben können.
„Nein, es ist mein Bild."
„Die Bilder für Manhattan sind doch bloß eine Leihgabe, du würdest es bald wiederbekommen."
Kyungsoo schüttelte entschieden den Kopf. „Ich habe große Pläne mit dem Bild. Ich lasse es unentdeckt und warte bis du wirklich erfolgreich bist, damit ich es dann für eine enorme Summe an irgendein Museum verkaufen kann." Kyungsoo grinste schief. „Mit dem Geld kaufe ich mir dann einen echten Picasso."
Yixing schnaubte. „Du wirst tausende meiner Bilder verkaufen müssen, um ein Originalstück von Picasso erwerben zu können. Außerdem verstehe ich nicht, wieso Picasso, es gibt auch andere schöne Bilder."
„Das spielt keine Rolle." Kyungsoo würde Yixing's Bild niemals eintauschen, nicht einmal für einen Picasso. „Das wichtigste ist, dass du dich von Luhan nicht ablenken lässt und deine Arbeit zu Ende bringst."
Yixing lehnte sich satt an seine Stuhllehne zurück, während Kyungsoo ihre leeren Schüsseln zur Spüle brachte und die Reste verstaute. „Weißt du was mir Baekhyunie immer über dich erzählt? Dass du ihn die ganze Zeit anmeckerst und ausschimpfst, obwohl er älter ist als du."
„Respekt muss man sich verdienen." Kyungsoo stapelte ihre Schüsseln aufeinander. „Baekhyun hat sich höchstens ein paar Schläge übers Ohr verdient."
„Du machst ihm manchmal Angst."
„Gut so."
Kyungsoo verschwand kurz im Wohnzimmer, um sein Notebook zu holen, dass er gestern Abend auf dem Stehtisch neben der Couch liegengelassen hatte. Die Wettervorhersage für die Woche grüßte ihn auf dem Startbildschirm. „Denk daran alle Fensterläden runterzulassen und die Klimaanlage zu kontrollieren. Sie darf nicht plötzlich in den nächsten Wochen defekt gehen."
„Das Atelier ist sicher."
„Und der Wandschrank? Du hast auch dort genug Bilder, die von der Sonne beeinträchtig werden können. Ich will nicht die gleiche Katastrophe wie vor zwei Jahren, als alle deine Bilder plötzlich nur noch traurige Farbpfützen auf dem Boden waren."
Yixing erschauderte kurz bei der Erinnerung. „Nein das passiert mir kein zweites Mal."
„Sei dir nicht so sicher."
„Ich bin vorsichtig, wirklich."
Kyungsoo ließ das Thema damit fallen und scrollte durch die Kunstnachrichten. Kim Minseok war über einen altbekannten Künstler hergefallen, Sunny – Baekhyuns Schützling - war auf Malerreise durch Europa unterwegs und versprach neue Bilder mitzubringen. In Kolumbien wurde eine angebliche Bleistiftzeichnung von August Macke auf dem Schwarzmarkt gefunden und von der Polizei in Gewahrsam genommen. Und als neue Schlagzeile – ‚Neuentdeckung Kim Jongdae unterschreibt Vertrag mit CEO Kim Junmyeon von ‚Fine Arts'', darunter das Bild, das Kim Minseok mit so guter Kritik überhäuft hatte.
Yixing blickte ihm über die Schulter und pfiff einmal. „Sunny ist in Europa, wirklich beeindruckend. Steht schon etwas über Manhattan da?"
„Nein, Mr. Hempton und ich haben abgemacht, dass er erst an die Öffentlichkeit geht, wenn das erste Plakat über die Sonderausstellung fertig ist, damit die Artikel etwas Visuelles haben und nicht irgendeines deiner Bilder auspicken."
„Verstehe."
„Das hat uns Mr. Hemptons persönlicher PR-Manager so empfohlen, ich hielt es für die richtige Entscheidung." Jeffrey hatte ihm allein gestern drei Nachrichten geschickt. Er hatte seine Kontaktdaten schließlich blockiert.
„Ich verstehe davon ohnehin nicht viel, ich bin nur froh, dass die Bilder irgendwie in die Welt hinauskommen."
Kyungsoo lächelte. „Mach dir keine Gedanken."
Als es spät wurde, verabschiedete sich Yixing von Kyungsoo und fuhr mit seinem Auto nachhause, nur ein paar Minuten die Straße hinunter. Sobald es plötzlich ruhig in der Wohnung wurde, setzte sich Kyungsoo auf die Couch im Wohnzimmer und blickte an das Wandgemälde, dass ihm Yixing vor mehr als drei Jahren geschenkt hatte. Damals sollte es eigentlich Luhan überlassen werden, da dieser umziehen würde, nicht jedoch in eine andere Straße – wie Kyungsoo – sondern zurück nach China. Luhan jedoch hatte keine Möglichkeit gefunden es sicher mitzunehmen, also hingen sie es bei Kyungsoo auf.
Das alles schon drei Jahre her sein sollte, war ein eigenartiges Gefühl für den Vierundzwanzigjährigen.

tion(e)yf;


Liebe Grüße!

Blüten so kalt wie SchneeWhere stories live. Discover now