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Ich lege behutsam meine Arme um seinen Hals, er schließt die Augen und ich tue es ebenfalls. Seine rechte Hand gleitet in
meinen Nacken und seine Linke hält meine Taille fest. Er zieht mich näher an sich. Mein Herz droht, auszusetzen. Es rast so schnell, dass ich das Gefühl bekomme, es springt gleich heraus. Er kommt immer näher, bis ich seinen heftigen Atem an meiner Haut spüre.

Ich fühle, wie schnell sein Herz schlägt. Es ist, als würden
unsere Herzen plötzlich im Einklang schlagen. Und der Sieger bekommt einen Kuss.

Doch er zieht sich zurück. Ich bleibe mit einer Leere in meinem Herzen stehen und die Stellen, die er berührt hat, werden eiskalt.

Die Leere war doch davor auch schon da.

Er dreht mir den Rücken zu und fährt sich beinahe verzweifelt durch die Haare. »Ich kann nicht«, versucht er, zu erklären. »Ich kann das nicht machen.«

Verwirrt und traurig zugleich starre ich auf seine muskulösen Schultern und kann keinen Ton herausbringen. Mein Herzschlag verdoppelt sich, als er sich wieder mit dem Gesicht zu mir dreht. Doch er sagt kein Wort.

Wieso kann er mich nicht küssen?

Wieso kannst du dich aus dem Nichts einem Mann nähern, frage ich mich eher? Ich will dich ja nur ungern darin erinnern, aber du kannst Männer nicht leiden. Im Gegensatz zu mir, ich mag Männer, vor allem, wenn sie meerblaue Augen besitzen.

Bei ihm fühle ich mich sicher. Die Angst und die Sorgen, es könne etwas passieren, verfliegen, wenn er bei mir ist. Verstehst du, was ich meine, The Voice? Er beschützt mich, und ich will mich dafür bedanken. Aber warum stößt er mich zurück? Habe ich etwas falsch gemacht? Keine Antwort ...

Natürlich nicht, du hast es auch nicht laut ausgesprochen.

Wir starren uns gegenseitig an. Sein Blick bohrt sich in meine Augen und es kommt mir vor, als ob er durch meine Pupille direkt in meine Seele schauen kann. Ich fühle mich immer wieder entblößt, wenn er mich so intensiv anstarrt.

Ein Klingeln ist meine Rettung. Primes macht auf, aber es steht niemand vor der Tür. Dafür liegt aber etwas auf dem Boden. Er bückt sich und hebt einen schwarzen Briefumschlag auf, öffnet ihn und liest in lautlos.

Mit einem überraschten Blick schaut er auf den langen Flur hinaus, aber es scheint niemand da zu sein, denn er schließt die Haustür mit einem Knall und geht, nachdem er diese doppelt absperrt, ohne ein Wort zu sagen, in sein Büro.

Aggressiv schlägt er auch diese Tür laut hinter sich zu und
telefoniert mit jemandem. Ich vermute, mit seinem Boss. Sekunden später telefoniert er mit jemand anderem, diesmal ist er aber sanfter und redet ruhig.

Mit wem er wohl telefoniert?

Eifersüchtig?

Ich schalte die Spülmaschine ein und schließe sie. Dann warte

ich höflich im Wohnzimmer neben der Couch, bis er mir sagt, was passiert ist. Hastig tritt er aus seinem Büro und geht dann direkt in sein Schlafzimmer. Ungeduldig gehe ich ihm hinterher.

»Was ist passiert?« Keine Antwort.

»Primes!«, schreie ich ihm nach, als er mich ignoriert und in seinem Kleiderschrank etwas sucht.

Richtig gehört, auch nach ca. einer Woche spreche ich ihn
mit ›Primes‹ an, da ich weder weiß, wie sein Vorname lautet,
noch mich traue, ihn danach zu fragen.

Wenn er wollen würde, dass du ihn mit Vornamen ansprichst, dann hätte er es dir auch angeboten.

Weswegen sollte er das nicht wollen?

Vielleicht ist ihm sein Name ihm unangenehm. D.W. könnte zum Beispiel für Dirk Weasley stehen. Ich mein ja nur.

»Pack dein Zeug zusammen«, kommt laut von ihm zurück.

Warum soll ich mein Zeug zusammenpacken?

Er schmeißt dich wegen dem beinahe-Kuss raus.

Was?

»Was?«, wiederhole ich meine Gedanken.

»Du sollst deine Sachen packen, schnell!«

»Ich mache gar nichts, bevor du mir nicht sagst, was los ist!« Wieder gibt er mir keine Antwort.

Primes packt weiter stürmisch seine Sporttasche, aber nicht mit Kleidung, sondern einem kleinen grauen Metallkoffer.

»Ich habe ein Recht daz –«, gebe ich von mir, doch unterbreche mich selbst, da er mir so nahe kommt, dass es mir den Atem verschlägt. Ich halte die Luft an, warte auf seine Reaktion.

»Du wirst wieder bedroht, Macey«, fängt er ruhig an. »Also, wenn du nicht sofort deine Sachen packst –«

Ich werde bedroht? Schon wieder? Fassungslos starre ich
Primes an. Mir kommen fast die Tränen, wobei ich krampfhaft versuche, sie zurückzuhalten.

Hoffentlich steht in dem Brief nichts von der Vergewaltigung, denn Primes weiß nichts davon und das soll vorerst so bleiben.

Warum willst du nicht, dass er es erfährt?

Seine Gesichtszüge werden wieder milder, als er meinen
ängstlichen Gesichtsausdruck sieht. Verzweifelt fährt er sich durch die Haare.

»Pack einfach deine Sachen zusammen«, wiederholt er diesmal komplett beherrscht.

Ich tue, was er sagt und gehe in mein Schlafzimmer. Schnell packe ich meine Tasche, die mir vor ein paar Tagen ein Agent in Primes' Apartment gebracht hat. Kleidung, Zahnbürste, Handy, Ladekabel etc.

Als ich fertig bin, drehe ich mich zur Tür und schrecke auf, da Primes im Türrahmen steht und auf mich wartet. Er nimmt mir meine mittelgroße Weekend-Tasche aus der Hand und geht vor, ich ihm hinterher.

Was ein Gentlemen.

Wir setzen uns in sein Chevy, und er rast mit Vollgas auf den Highway. Nach ein paar Minuten, gefüllt mit qualvollem
Schweigen und dem Sound des Motors, unterbreche ich die Stille und frage: »Wohin fahren wir?«

»Raus aus der Stadt.«

Blue in my HeartWhere stories live. Discover now