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Verlobte? Ich meine ... WAS? VERLOBTE??

Deswegen wollte er dich nicht küssen.

Voller Wut, die sich mehr nach Trauer anfühlt, stehe ich an
einem von zwei Waschbecken im Gästebad und putze mir die Zähne. Und woher nimmt er sich bitte das Recht, eifersüchtig zu sein? Ich meine, nur weil Ryan und ich uns kurz in die Augen geschaut haben – und das nur, weil ich über die Augenfarben der Familie Primes nachgedacht habe – ist er eifersüchtig?

Aber er ist verlobt und sollte nicht eifersüchtig sein!

Also gibst du zu, dass er eifersüchtig war?

Alle sind oben in ihren Schlafzimmern. Ich habe mich nach dem Darrens-Verlobte-Gespräch entschuldigt und bin in ›mein‹ Zimmer, das rechte von zwei Gästeschlafzimmern, gerast. Dort bin ich bis eben geblieben, da ich nicht, ohne mir die Zähne zu putzen, schlafen will.

»Macey, ich –«, höre ich plötzlich. Die Badezimmertür hatte ich offengelassen, da ich nur die Zähne putzen wollte, doch jetzt bereue ich es.

Ich schließe den Wasserhahn und sehe zu Darren, der im
Türrahmen steht. Er hat eine graue Pyjamahose und ein weißes Shirt an.

Mit einem – was? traurigen? nervösen? – wie auch immer Blick starrt er mich komisch an.

»Ich – , Sie –«, fängt er zögernd an.

Er weiß nicht, wie er es erklären soll.

»Du musst mir nichts erklären«, sage ich, ohne ihn anzu-schauen und gehe an ihm vorbei in das Gästezimmer.

Bevor ich die Tür schließen kann, hält eine Hand sie auf. Er kommt ins Schlafzimmer und schließt die Tür hinter sich. Ohne ihn anzusehen, gehe ich auf mein Bett zu und krame in der
Tasche, die darauf steht, rum. Eigentlich brauche ich nichts aus meiner Tasche, ich will nur nicht rumstehen und in diese
meerblauen Augen blicken müssen. Sonst würden meine Knie weich werden.

»Wir kennen uns seit Jahren, da unsere Väter alte Freunde sind. Meine Mutter meinte irgendwann, dass sie eine gute Partie für mich wäre und so –«

Ich unterbreche ihn, indem ich meine Hand hebe und ihn
anschaue.

»Du musst mir wirklich nichts erklären. Sie ist deine Verlobte.« Ich zeige zwischen uns hin und her. »Wir haben nichts mitein-ander. Und wie du schon meintest, wir sollten den beinahe-Kuss vergessen und ihn nie wieder erwähnen. Es ist nichts passiert.«

Er sagt nichts, stattdessen fährt er sich durch die Haare. Jetzt schaue ich ihm doch in die Augen. In ihnen lodert irgendetwas, das ich zwar nicht erkennen kann, aber nicht so aussieht, als wäre es etwas Gutes.

Vollkommen unbehaglich stehen wir nun da, in dem Zimmer, in dem ich künftig schlafen werde.

Auf unbestimmten Zeitraum.

Nein, nur bis sie den Typen geschnappt haben, der den Brief vor Darrens Apartmenttür gelegt hat. Ich will irgendwie wissen, was da drinnen steht, aber irgendwie auch nicht. Wie ich schon mal gesagt habe, flackert in mir eine große, manchmal irrationale Neugier, die nur dann befriedigt ist, wenn sie den Inhalt des
Briefes kennt, der eigentlich an mich adressiert ist.

»Ich würde jetzt gerne schlafen, also wenn du bitte –«

Er lächelt gezwungen und irgendwie traurig, fährt sich noch einmal durch die braunen Haare und dreht sich um. Seine Hand liegt auf der Türklinke, die er aber nicht runterdrückt.

Lange bleibt er da stehen, und ich würde nur zu gern wissen, was sich in seinem Kopf abspielt.

Wer, Liebes. Wer. Nicht Was.

Lass das, ich bin schon am Boden, da brauchst du nicht noch zutreten.

»Gute Nacht, Macey«, sagt er leise und verschwindet zur Tür hinaus.

Ich meinte doch dich, Dummerchen, nicht diese Fiona.

Ich werfe lustlos meine Weekend-Tasche auf den Boden und lege mich stattdessen aufs Bett. Am liebsten würde ich jetzt
weinen, aber ich habe mir angewöhnt, alles zu verstauen, um nicht zu weinen. Natürlich platzt auch irgendwann der Damm, doch heute ist es nicht soweit.

Ich starre an die weiße Decke und denke sowohl über seine als auch über meine Worte nach.

Zwar habe ich ihm gesagt, dass da nichts zwischen uns ist und wir den beinahe-Kuss vergessen sollten, doch ich kann beides nicht.

Wie könntest du auch? Du hast dich in ihn verliebt.

Bitte, mach es nicht schlimmer, als es schon ist.

Wenn es doch wahr ist ...

Ist es so? Habe ich mich in ihn verliebt? Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Ich kann es nicht wissen, denn ich war noch nie verliebt.

Wie denn auch, bei deiner Vergangenheit?

Darren ist genau deswegen so kalt zu mir. Weil er eine Verlobte hat ... Und ich? Ich bin – was bin ich denn?

Eifersüchtig.

Ja, ich bin eifersüchtig, obwohl ich sie nicht einmal kenne.

Diese Woche, in der ich in Agent Primes' Apartment gewohnt habe, habe ich gesehen, was für ein Mensch er wirklich ist.
Liebevoll und voller Herzensgüte. Sein Beschützerinstinkt ist
prägend und das ist genau das, was mich ihn noch mehr mögen lässt, denn ich brauche diese Sicherheit, die ich verspüre, wenn er in meiner Nähe ist. Ich will diese Sicherheit.

Und als wir da standen, ganz nah beieinander, seine Hand in meinem Nacken ...

Wenn ich daran denke, kribbelt meine Haut. Ich kann – nein, ich will es nicht vergessen.

Dieses Gefühl, wenn er mich mit seinen meerblauen Augen durchbohrt, wenn er mich berührt.

Hör auf, daran zu denken!

Aber ich kann nicht ...

Heute, beim Abendessen, als er plötzlich meine Hand in seine genommen hat. Es war zwar nur wegen dem Tischgebet, doch es hat sich so vertraut angefühlt. Dieses Gefühl ist einfach wundervoll. Und wenn ich es zum letzten Mal gespürt haben sollte, dann bin ich unendlich traurig.

Aber so ist es vermutlich besser. Er hat jemanden, den er liebt und bald heiraten wird. Diese Fiona passt bestimmt besser zu ihm, als ich es je sein werde.

Er verdient jemanden, der eine reine Seele und keine komplizierte Vergangenheit hat.

Also ist es so, wie es nun mal ist, besser.

Blue in my HeartWhere stories live. Discover now