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»Das Essen war sehr lecker, Mrs. Primes.«

Sie schaut mich mahnend an. »Abigail.«

»Abigail«, korrigiere ich und lächle sie an.

»Und der Kuchen war fantastisch.« Ryan steht auf und nimmt einen Tellerstapel in die Hand.

Nachdem wir fertig gegessen haben, ist Anthony in sein Büro gegangen und nun sind nur noch wir - Abigail, Darren, Ryan, Seth, Noah, Emily und ich - im Esszimmer und räumen auf.

»Ich hole meine Tasche aus dem Wagen, bin gleich wieder da«, meint Darren und verschwindet aus dem Raum.

»Morgen schreibe ich eine Klausur, also viel Spaß beim
Abräumen«, sagt Seth und geht hoch in sein Zimmer.

Ich habe bisher nur den unteren Teil des Hauses gesehen und davon auch nicht alles. Also vermute ich, dass die Schlafzimmer alle oben sind. Nur die Gästezimmer nicht, in denen Darren und ich schlafen. Natürlich in getrennten Zimmern, denn dieses
Riesenhaus hat zwei davon.

Abigail entschuldigt sich und geht kurz zum Telefonieren raus in den Garten, der auch einen Pool besitzt. Die Zwillinge sehen sich kurz an, nachdem ihre Mutter die Terrassentür geschlossen hat und grinsen sich verschmitzt an.

Noah klopft Ryan auf die Schulter. »Ihr schafft das schon«, meint er immer noch grinsend und läuft mit seiner Schwester lachend die Treppen hoch. Ich sehe ihnen verblüfft hinterher und kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Die beiden erinnern mich so sehr an Mandy.

»Da waren's nur noch zwei«, kommt es plötzlich von hinten, und ich drehe mich ruckartig um.

Ryan geht mit dem Tellerstapel in die Küche. Ich gehe ihm mit dem Essen, das übrig geblieben ist, hinterher. Als ich in der Küche ankomme, hat er alle Teller in die Spülmaschine geräumt und schließt diese gerade.

»Willst du mir helfen?«, fragt er grinsend.

»Äh ... Ja, natürlich«, antworte ich und gehe mit der Schüssel in meiner Hand zu ihm an die Inseltheke.

Wir stehen nebeneinander und füllen das restliche Essen in Dosen. »Meine Ma liebt Tupperdosen«, lacht er und verdreht die Augen. Ich stimme in sein Lachen mit ein.

»Deine Mom bestimmt auch oder nicht?« Ich höre abrupt auf, zu lachen, denn diese Frage habe ich nicht erwartet. Meine Brust zieht sich zusammen bei meinen nächsten Worten.

»Meine Eltern sind bei einem Autounfall gestorben, als ich 9 Jahre alt war«, offenbare ich beinahe im Flüsterton und starre auf die Box voller Kartoffeln vor mir.

Helena ist, seit ich 15 Jahre alt war, zwar eine sehr gute Adoptivmutter, aber sie war nie meine Mom. Meine Eltern waren gute Menschen und gute Menschen sterben immer jung, jedenfalls hat mir das meine Mutter gesagt.

»Aber Mummy, warum ist sie denn nicht mehr da?«, fragte ich meine

Mutter, die sich gerade die Seele aus dem Leib geweint hatte.

Ihre Augen waren gerötet und leicht angeschwollen. Sie kniete sich zu mir herunter, wobei ihr schwarzes Kleid einen Knick bekam. Sanft nahm sie mein Gesicht in beide Hände.

»Gute Menschen sterben immer früh, damit sie keine Sünden mehr machen können und so leichter in den Himmel kommen«, erklärte sie mit einem traurigen Lächeln.

Ich zeigte mit dem Finger gen Himmel. »Also ist Grandma jetzt da oben?«

»Ja, mein Schätzchen, Grandma ist jetzt bei den Engeln.«

›Gute Menschen sterben immer früh‹, das mag ja so sein, aber meine Eltern sind viel zu früh gestorben. So früh, dass ich mich kaum an sie erinnern kann. Oder besser gesagt, ich habe alles nach dem Unfall verdrängt. Mit feuchten Augen und einem leichten Kopfschütteln fange ich mich wieder, schließe die Tupperdose und schaue ihn gequält lächelnd an.

»Aber ja, sie hat Tupperdosen auch geliebt.«

Ich schlendere zum Kühlschrank und stelle die Dosen rein. Ryan steht auf einmal neben mir, als ich den Kühlschrank zu
mache.

»Mein Beileid, das wusste ich nicht«, meint er, und es hört sich sehr ehrlich an.

»Das konntest du ja nicht wissen ... «

Nicht wie dein großer Bruder Darren, der ihre Mappe gelesen hat.

Wir stehen uns gegenüber. »Danke«, antworte ich ihm und starre in seine Augen. Anders als Darrens Augen, die ein wildes Meerblau in sich tragen, sind Ryans Augen braun.

Die Primes-Familie hat unterschiedliche Haar- und Augen-

farben, was mich sehr fasziniert.

Emily kommt ganz nach ihrer Mutter: blonde Haare und grünbraune Augen. Ihr Zwilling Noah hat zwar blondes Haar, aber blaue Augen.

Darren kommt äußerlich gesehen komplett nach seinem Vater: braunes Haar und blaue Augen, wobei Anthonys Haare anfangen, zu ergrauen.

Dann gibt es noch Ryan und Seth, beide haben braune Augen und braune Haare. Die Haare sind ganz klar nach dem Vater, aber ich habe keine Ahnung, woher die braunen Augen kommen. Zwar hat Abigail grün braune Augen, aber ich glaube eher, dass die Farbe von den Großeltern kommt.

Ein Räuspern unterbricht meine bunten Gedanken, und ich drehe mich ruckartig um. Darren steht im Türrahmen und mustert uns durch zusammengekniffene Augen.

Er ist echt eifersüchtig.

Nein, ist er nicht.

»Na, hast du dich auch mal dazu entschieden, mit aufzu-räumen?«, scherzt Ryan. Zwinkernd meint er dann: »Aber wie du siehst, haben wir das schon erledigt.« Mit einem Klopfer auf
Darrens Schulter geht er an ihm vorbei nach oben.

»Deine Familie ist echt nett«, sage ich ehrlich.

»Das sehe ich«, gibt er emotionslos zurück und kommt auf mich zu. Fragend schaue ich ihn an. »Was siehst du?«

Kurz mustert er mich, bis er dann schließlich auf meine Frage antwortet. »Dich und meinen Bruder, wie ihr hier steht und euch gegenseitig in die Augen starrt.«

Wow, das klang leicht gereizt. Wenn dieser Mann nicht eifersüchtig ist, weiß ich nicht, was Eifersucht bedeutet.

»N-Nein wir haben nicht –« Abigail kommt in die Küche und unterbricht somit meinen Satz.

»Ich habe gerade mit Fi telefoniert«, sagt sie und lächelt breit. Darren schaut kurz entgeistert zu mir, bis er sich wieder fängt, mit einer Hand durch die Haare fährt und sich zu seiner Mutter
wendet.

»Und, kommt sie morgen?«

»Wer kommt morgen?«, frage ich zurückhaltend und schaue zu Darren.

»Fiona«, Abigail grinst ihren Sohn über beide Ohren hinweg an. »Darrens Verlobte.«

Blue in my HeartWhere stories live. Discover now