Kapitel 12

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Annabeth

Den Weg zum Schloss humpelte ich, während Percy versuchte, mich zu stützen. Je näher wir kamen, desto weiter ragten die Türme in den Himmel. Das Gebäude war imposant und schüchterte etwas ein. Doch ich war begierig darauf, das Innere des Schlosses zu sehen. Ich fragte mich, ob der alte Mann hier alleine lebte oder ob sich noch andere dort drinnen befanden.

Wir erreichten einen großen Hof und befanden uns vor einer breiten Freitreppe, die zu einer großen eichernden Flügeltür führte. Der Mann schwang seinen Zauberstab und die Tür öffnete sich von selbst, sodass wir eintreten konnten.

Vorsichtig half Percy mir die Treppen hinauf und ich merkte, dass er drauf und dran war mich hochzuheben, damit ich nicht durch die Gegend hüpfen musste. Als ich merkte, wie er seinen Griff veränderte, bereit seinen anderen Arm unter meine Kniekehlen zu legen, warf ich ihm einen vielsagenden Blick zu. Er kannte mich gut genug, um keinen weiteren Versuch zu starten, dennoch grinste er leicht und rollte verstohlen mit den Augen. Ich gab ihm einen kleinen Knuff, musste aber auch lächeln. Ich liebte seine unbeschwerte, hilfsbereite Art, was aber für unsere Feinde einen Vorteil bot. Er würde lieber sein Leben aufs Spiel setzten, als das eines anderen. Doch so war er nun mal und das konnte auch niemand ändern. Nicht einmal ich, die – so sagen es jedenfalls ein paar der anderen Campbewohner – den größten Einfluss auf ihn hatte. Um ihn nicht so blöd aussehen zu lassen, stützte ich mich noch mehr auf ihn.

Die Eingangshalle des Schlosses verschlug mir den Atem. Der Raum war riesig. Bei einem Blick nach oben, konnte ich die Decke kaum ausmachen. Dennoch spendeten die Fackeln in den Halterungen genug Licht, um die ganze Halle zu erleuchten. Wenn man hereinkam, fiel der Blick direkt auf die gegenüberliegende weiße Marmortreppe, die in die oberen Stockwerke zu führen schien. Zu meiner Linken befand sich ebenfalls eine große Flügeltür und zu meiner Rechten ging ein Gang ab. Auf beiden Seiten der großen Treppe gab es kleinere Türen, ich war schon gespannt die Orte dahinter zu erkunden – natürlich sobald ich wieder laufen konnte. Als wir etwas weiter in den Raum hinein gingen, sah ich neben der Treppe große Stundengläser, welche in Nischen aufgereiht standen. Jedes Stundenglas sah anders aus und hatte auch einen anderen Inhalt. Ich erkannte verschiedene Edelsteine, Rubine, Saphire, Smaragde und Diamanten. Meines Erachtens nach, war dies ein äußerst merkwürdiger Ort, um solche wertvollen Steine aufzubewahren. Der alte Mann musste wohl sehr vertrauenswürdig sein. Ich kannte da ein paar Leute, die diese Gläser nur zu gerne zerschlagen würden, um an die Schätze zu kommen.

»Um euch alles in Ruhe anzugucken, habt ihr später noch Zeit. Zuerst wollen wir euch heilen«, sagte der Mann mit freundlicher Stimme. Wieder bat er uns, ihm weiterhin zu folgen.

Sowie er die ersten Stufen der Treppe nahm, fing ich an schwer zu schlucken. Ich wusste, dass ich stolz war und immer alles alleine schaffen wollte, doch dort würde ich niemals ohne Hilfe hochkommen. Nicht mit diesem verdammten, kaputten Bein. Vorsichtig schaute ich zu Percy hinüber. Er grinste mich bereits an, denn vermutlich wusste er bereits, dass ich ihn um Hilfe bitten würde. Doch mein Freund war ganz der Gentlemen und ließ mich nicht erst zu Wort kommen. Er achtete darauf, dass ich mein Gleichgewicht behielt und hockte sich dann vor mir hin. Sanft legte ich meine Arme um seinen Hals und kletterte auf seinen Rücken. Meine Oberschenkel umschlang er mit seinen langen Armen, damit ich nicht abrutschte. Als er sich sicher war, dass ich es halbwegs bequem hatte, erklomm er die Stufen zum ersten Stockwerk.

Der Mann mit dem langen, silbernen Bart wartete bereits am Treppenabsatz auf uns, den schwebenden Nico neben sich. Doch leider hatten wir es noch nicht geschafft. Unser Weg führte uns hoch bis in den dritten Stock. Ich war so froh, als der alte Mann den Bereich der Treppe verließ und in einen Korridor abbog.

Nach nur kurzer Zeit öffnete er eine Tür und wir erreichten einen Saal, in den mehrere Betten aufgereiht dastanden. Er ließ Nico auf eines der Liegen schweben und setzte ihn langsam und vorsichtig ab. Percy setzte mich auf das Bett daneben und nahm dann neben mir Platz.

In diesem Moment kam eine Frau herbei geeilt. Sie trug ein dunkelrotes Kleid mit langen, weiten Ärmeln und dazu eine weiße Schürze. Auf ihren grauen Locken saß eine weiße Haube. Sie kam neben Nico zum Stehen und betrachtete ihn eingehend.

»Was ist passiert, Professor?«, fragte sie mit einer hellen, sanften Stimme.

»Ich habe die jungen Herrschaften im Verbotenen Wald gefunden. Sie sind mit den Zentauren zusammengestoßen.«

Nun begutachtete die Frau – ich vermutete, dass sie Madam Pomfrey war, von der der alte Mann gesprochen hatte – Nicos gebrochene Nase etwas genauer, indem sie seinen Kopf hin und her bewegte. »Das bekommen wir alles wieder hin«, sagte sie schließlich.

Nachdem sie mein Bein untersucht hatte, meinte sie, dass ich am nächsten Tag nichts mehr spüren würde. Sie gab mir einen Becher mit einer dunklen Mixtur, die absolut scheußlich schmeckte. Am Liebsten hätte ich sie sofort wieder ausgespuckt, aber ich wollte die Krankenschwester nicht verärgern. Und wenn es mir half, so musste ich es wohl ertragen.

Der Professor trat an das Fußende des Bettes, auf dem Percy und ich saßen. Er sah uns über seine Halbmondbrille hinweg an. Seine blauen Augen bohrten sich quasi in mich hinein. Ich hatte das Gefühl durchleuchtet zu werde, dass nur dieser eine Blick von ihm reichte, damit er alles über mich wusste. Hoffentlich hatte er nicht diese Fähigkeit.

»Nun«, begann er schließlich. »Ich glaube, es ist das Beste, wenn ihr euch ein wenig ausruht. Die Nacht über könnt ihr hierbleiben.« Er wartete nicht mehr auf eine Antwort, sondern verließ sogleich den Raum.

Ich hatte nicht bemerkt, wie spät es bereits war. Zwar wäre zu Hause jetzt erst Nachmittag – doofe Zeitverschiebung – trotzdem musste ich zugeben, dass ich erschöpft war. Etwas Schlaf würde mir guttun.

Madam Pomfrey kümmerte sich derweil um Nico, während ich mein schmerzendes Bein hochlegte und Percy ein anderes Bett weiter an meins ran schob. Ich klopfte das Kissen zurecht und bettete dann mein Kopf auf dieses. Mein Blick war auf meinen Freund gerichtet, der sich unterdessen die Schuhe auszog und sich dann auf die Seite legte, damit er mich ansehen konnte. Er ergriff meine Hand und drückte sie fest.

»Meinst du, dass wir hier richtig sind?«, fragte er.

»Auf jeden Fall sind hier Zauberer. So falsch können wir also nicht sein. Doch sie kommen mir so nett vor, ganz anders als die, die unser Camp angegriffen haben.«

»Hoffentlich finden wir morgen ein paar Antworten.«

Plötzlich erschien die grauhaarige Frau in meinem Blickfeld. »Nun reicht es aber. Ihr braucht beide Schlaf.« Mit diesen Worten hob sie ihren Zauberstab und die Lichter erloschen im ganzen Raum. Nur das fahle Mondlicht erhellte den Raum ein bisschen, nur so weit, dass ich Percys liebevolles Gesicht erkennen konnte. Die ganze Zeit über hielt er meine Hand, bis ich nach nur kurzer Zeit einschlief.

Treffen der Helden (Percy Jackson/Harry Potter Crossover)Where stories live. Discover now